Homosexualität, die neue, intolerante Religion?

Ein nun 40 Jahre währender Kampf für gleiche Rechte hat Homosexuellen weitreichende rechtliche Gleichstellung und gesellschaftlichen Akzeptanz beschert. "Wofür kämpfen sie dann noch?", fragt der Kulturchef der "Weltwoche", Philipp Gut, in der aktuellen Ausgabe seiner Zeitung. Schwule reagierten mittlerweile empfindlich und selbst intolerant auf Andersdenkende, findet der Buchautor. Homosexualität sei zu einer Art Religion geworden.
Sonntag, 5. Juli 2009. Weltweit tanzen zum "Christopher Street Day" bunt oder kaum kostümierte Schwule und Lesben für die Rechte von Homosexuellen und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. In Köln fand die größte Party dieser Art in Europa statt, in Berlin führte Bürgermeister Klaus Wowereit den Tross an. "Kaum eine andere Emanzipationsbewegung hat in so kurzer Zeit so viel erreicht", attestiert Autor Gut. "Von Ächtung und Diskriminierung kann keine Rede mehr sein." Homosexuelle übten heute "selbstverständlich alle erdenklichen Bürgerrechte aus". Angesichts dessen wundert sich der Journalist über die Motivation der Paraden-Teilnehmer: "Riegelt man für diskriminierte Minderheiten ganze Innenstädte ab?"
Die aktuelle Ausgabe der "Weltwoche" hat "Homosexualität als Religion" zum Schwerpunktthema gemacht. In seinem Artikel "Handschellen in Rosarot" geht Gut der Frage nach, ob Homosexuelle nicht längst die Rolle der Opfer von Intoleranz abgegeben und dafür die Rolle des Bekämpfers fremder Meinungen angenommen hätten. Wutentbrannte Protestaufrufe und gewaltsame Demonstrationen gegen christliche Veranstaltungen, die auch nur den Verdacht erregten, irgendwie mit Meinungen in Kontakt zu stehen, die Homosexualität kritisch sehen, scheinen dies zu untermauern.
"Es ist ein irritierender Kult um die Schwulen entstanden, Homosexualität ist zu einer Art Religion geworden", schreibt Gut. "Wer sich outet, wird zum leuchtenden Märtyrer einer bekennenden Kirche. Wer sich dem Kult widersetzt, den trifft der Bannstrahl. Wie in allen Glaubenssystemen gilt auch hier: Wer die Stirn runzelt, gehört nicht dazu. Die Schwulenparty will nicht gestört werden."
Staatlich akzeptiert und gesellschaftlich umgarnt – Was noch?
Homosexuelle seien mittlerweile durch eingetragene Partnerschaften vom Staat anerkannt und gefördert, die Gesellschaft "buhle" geradezu um ihre Gunst. "Die Homosexualisierung der Gegenwart erreicht Rekordwerte", so Gut. Neben dem Christopher Street Day gab es vor wenigen Wochen in Zürich mit der "Euro-Pride" ebenfalls ein homosexuelles Groß-Event. "Das Hochamt der internationalen Homogemeinde dauerte vom 2. Mai bis zum 7. Juni, länger als einen Monat", stellt der Journalist fest. Unterstützt werden die Veranstalter mittlerweile durch öffentliche Gelder, durch Behörden und zahlreiche namhafte private Sponsoren, darunter British Airways, Campari, Coca-Cola, Nivea und Red Bull. "Sogar eher konservativ ausgerichtete Institutionen wie die Polizei oder das Militär stehen stramm, wenn der Ruf zur Schwulenförderung ertönt."
Selbst vor Kindern und Schulen machte die "schwulen Pressure-Groups" nicht halt. Längst machten homosexuelle Aktivisten die Schule als mögliche "letzte heterosexuelle Bastion" an, die es zu erobert gelte. Das geht auch aus den Forderungen der schweizerischen "Euro-Pride"-Veranstalter hervor: Homosexualität soll lebensbegleitender Pflichtstoff werden.
"Eigentlich haben die Homosexuellen mit der rechtlichen Gleichstellung und der gesellschaftlichen Akzeptanz ihre Ziele erreicht. (…) Wenn Schwule und Lesben derart "privilegiert" sind, wofür kämpfen sie dann noch?" Die Opferrolle jedenfalls, mit der Lesben und Schwule noch immer kokettieren, "passt nicht mehr", so Gut.
Intoleranz von Schwulen nehme "religiöse Züge" an
Der Autor vermutet: "Es geht auch längst nicht mehr darum, ob Schwule und Lesben ihre Sexualität praktizieren dürfen. Was hier zum Ausdruck kommt, ist etwas anderes. Wir haben dem Phänomen religiöse Züge attestiert, der konservative amerikanische Autor Dinesh D’Souza spricht von einer ‘Ideologie’." Und wenn Obama erwäge, zwei neue Mitglieder ins Oberste Gericht zu berufen, heißt es gleich: "Es stünden zwei Lesben im Gespräch. Halleluja!"
Gut fährt fort, Homosexualität sei "Weltanschauung und politisches Programm" geworden. "Eine Nebensächlichkeit drängt sich ins Zentrum. Homosexuelle Politiker wie Klaus Wowereit oder Corine Mauch werden nicht nach ihren Überzeugungen und Taten beurteilt, sondern nach ihren sexuellen Präferenzen." Der Autor fragt weiter: "Wo ist der Punkt, an dem der berechtigte Protest gegen Unterdrückung, Verkennung und Diskriminierung umschlägt in peinliche Propaganda für persönliche Vorlieben? Wie sehr interessiert es uns eigentlich, wer welchen sexuellen Praktiken nachgeht und warum? (…) Exhibitionismus wird zum Massenphänomen."
Schwule bestimmten heute, "wie über Schwule zu denken und zu sprechen ist. Und vor allem, worüber man nicht sprechen darf." Der Punkt scheine erreicht, wo die Propagierung des eigenen Lebensstils auf Kosten der Meinungsäusserungsfreiheit ins Intolerante kippe. Als jüngstes Beispiel nennt Gut den Fall von Carrie Prejean, die den Titel der Miss California wegen kritischer Äußerungen zur Homoehe abgeben musste. "Längst haben die Schwulen den Spiess umgedreht", so Gut. Dabei sei doch wünschenswert, dass Schwulsein einfach nur wieder eine sexuelle Veranlagung und vor allem eine Privatsache werde. "Man läuft ja auch sonst nicht dauernd mit offenem Hosenladen herum."
Bei Christen besonders empfindlich?
André F. Lichtschlag, Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "eigentümlich frei", attestiert der deutschen Gesellschaft ebenfalls eine breite Akzeptanz von Homosexualität. "Dirk Bach, Hape Kerkeling, Patrick Lindner, Thomas Hermanns, Hella von Sinnen, Anne Will, Ramona Leiß, Dunja Hayali – auch im deutschen Fernsehen ist Homosexualität heute alles andere als eine Karrierebremse. Aus der deutschen Politik – Ole van Beust (CDU), Klaus Wowereit (SPD), Guido Westerwelle (FDP), Volker Beck (Grüne) – grüßt die ganz große schwule Koalition längst nicht mehr von den Hinterbänken." Homosexuelle seien dabei tendenziell "vor Kritik geschützt" und geradezu "sakrosankt".
Das Christival in Bremen etwa habe gezeigt, dass die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gegner gar nicht mehr wichtig sei, wenn sich die Protestwelle erst einmal in Bewegung gesetzt habe. Bereits im Vorfeld hatten Gegner, unterstützt durch den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, versucht, die christliche Jugendveranstaltung zu verhindern. Die Proteste hielten an, obwohl das umstrittene Seminar unter 230, "Homosexualität verstehen – Chancen zur Veränderung", frühzeitig zurückgezogen worden war. Rund 80 Demonstranten randalierten gewaltsam während eines Gottesdienstes.
Ebenso erstaunte viele Beobachter die Beharrlichkeit schwuler Protestler beim 6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge im Mai im hessischen Marburg. Obwohl keiner der Dozenten während des Kongresses mit dem Titel "Identität – der rote Faden in meinem Leben" das Thema Homosexualität anzusprechen beabsichtigte, riefen zahlreiche Homosexuellenverbände zum Stopp der Veranstaltung auf. Zwei Seminarleiter standen im Verdacht, Homosexuelle "umpolen" zu wollen. Dementi, Klarstellungen, Dialogangebote fruchteten nicht. Ein Großaufgebot der Polizei musste Teilnehmer und Dozenten schützen, die knapp tausend Teilnehmer waren gezwungen, mehrfach die Veranstaltungsräume zu wechseln, ihnen wurde empfohlen, zu ihrer eigenen Sicherheit ihre Namensschilder bei Verlassen des Kongresses abzunehmen. In der Stadt tauchten antichristliche Schmierereien auf: ein ans Kreuz genageltes Schwein etwa.
"Die Beispiele aus Bremen, Marburg und Berlin machen deutlich, dass es eng wird für die Meinungsfreiheit in Deutschland. Unkorrekte Unternehmer, Kongresse, Festivals und ganze Glaubensgemeinschaften sollen mit allen Mitteln an ihrem Auftreten gehindert oder ganz verboten werden", schreibt Lichtschlag. "Stets vorneweg marschiert als personifizierte Intoleranz der Grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck, der – erste Ironie der Geschichte – in anderen Ländern gerne Toleranz gegenüber der eigenen Anschauung einklagt. Das Ziel seiner oft militanten Freunde hierzulande ist die Unterdrückung jedweder Kritik an den eigenen sakrosankten Glaubenssätzen."
"Homosexuelle und Katholiken, regt Euch ab!"
Auch die Tageszeitung "Die Welt" nahm den Christopher Street Day vom Wochenende zum Anlass für einen Kommentar zum Verhältnis zwischen Homosexuellen und Kirche. Unter der Überschrift "Homosexuelle und Katholiken, regt Euch ab!" schreibt Gernot Facius, Redakteur für Religion und Gesellschaft bei der "Welt". "In Köln startete der größte Christopher Street Day Europas. Die heftige Kritik der Pius-Brüder und selbst eines als liberal geltenden Kardinals an der Parade zeigen: Zwischen der katholischen Kirche und der Homosexuellen-Bewegung wird es so bald keinen Frieden geben. Eine unaufgeregte Debatte tut not." Der als "liberal" eingestufte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper zeigte kein Verständnis für das "Zur-Schau-Stellen" auf der Straße. Die traditionalistischen Pius-Brüder hatten gegen ein "Sodom und Gomorrha auf unseren Straßen" protestiert.
Facius schreibt: "Dass Politiker wie der Grüne Volker Beck reflexartig nach dem Verfassungsschutz rufen, ist albern, wenig souverän. Man muss die sittlichen Überzeugungen von Christen, die sich auf das Naturrecht berufen und davon nicht abgehen, keineswegs teilen. Das Recht, sie auszusprechen, wird man diesen Menschen aber nicht nehmen können". Mit ihrer Art der Frömmigkeit befänden sie sich noch immer im "Schutzbereich des Grundgesetzartikels 4". Eine menschenverachtende, unchristliche Hetze gegen Homosexuelle kann man Katholiken ohnehin nicht mehr unterstellen."Weltwoche"-Kulturchef Gut schrieb: "Nach der erfolgreichen Emanzipation der Schwulen dürfte man eigentlich erwarten, dass die Homosexuellenbewegung etwas lockerer wird." (PRO)

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