Pressemeldung: Der 81-jährige Thomas Graumann erzählt von seiner Rettung vor den Nazis

“Er war acht Jahre alt, trug ein Schild mit der Nummer 652 um den Hals und hatte zwei Koffer und eine Tüte voller Proviant dabei. Seine Mutter brachte ihn zum Prager Bahnhof. „Fahr nach Großbritannien und lerne Englisch“, sagte sie ihm zum Abschied.

„In zwei, drei Monaten ist Hitler weg, dann kommst du wieder nach Hause.“ Es sollte das letzte Mal sein, damals im August 1939, dass Thomas Graumann seine Mutter sah. Als Hitler fünfeinhalb Jahre später weg war, waren die Mutter, der Vater und alle Verwandten tot, umgekommen in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten.

Auch der kleine Bruder Tony, der im August gerade krank war. Mit dem nächsten Zug im September sollte er nachkommen. Doch am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus und die Grenzen wurden geschlossen.

Die Ausreise nach Großbritannien hat Thomas Graumann das Leben gerettet. Auf einem Gutshof wuchs er als Kind jüdischer Eltern auf. Graumann erinnert sich an einen Besuch in Brünn im November 1938. Seine Mutter hatte mit ihm ins Theater gehen wollen. „Wir sahen eine Gruppe Schlägertypen die Straße entlanggehen. Sie schlugen Juden nieder und warfen Schaufenster jüdischer Geschäfte ein.“ Seine Mutter suchte mit ihm Schutz beim Wachmann des Theaters. Furcht einflößende Zeiten für den kleinen Thomas. Und zugleich spannende, wie er beschrieb. Einen deutschen Panzer vor dem elterlichen Haus fand er „unheimlich aufregend“. Die Zugfahrt nach London war ein Abenteuer für ihn.

In Schottland aufgewachsen

Dass er dadurch vor dem Konzentrationslager gerettet worden war, konnte er nicht wissen. Auch wer die Kinderzüge organisiert hatte, erfuhr Graumann erst viel später, im Jahr 1988. „Ich hörte davon in einem Bericht im tschechischen Fernsehen. Weil mein Name auf einer der Listen von Sir Nicholas Winton stand.“
Der Brite war bei einem Besuch Ende 1938 auf die kritische Lage in Prag aufmerksam geworden und entschloss sich, für jüdische Kinder in Großbritannien Familien zu suchen und die Ausreise zu organisieren. Winton lebt heute noch, Ende Mai wird er 103 Jahre alt.

Graumann wuchs in Schottland auf und kam dort zum christlichen Glauben. „Das war meine zweite Rettung durch Jesus Christus.“ Der Glaube ermögliche es ihm, den Mördern seiner Familie, den Nationalsozialisten zu vergeben. „Haben Sie nie Hass empfunden?“, kam die Frage aus dem Publikum. „Am Anfang hatte ich sehr viel Hass, es gab für mich keinen Grund mehr zum Leben. Aber ich habe gebetet“, erzählte Graumann. „Ich empfinde keinerlei Bitterkeit gegenüber den Nazis. Ich glaube daran, dass Gott Sünden vergibt.“

(Pressemitteilung aus der Memminger Zeitung: www.all-in.de/nachrichten…en-Nazis;art2758,1135382)

Tom Graumann erzählte seine bewegende Geschichte während der vergangen zwei Wochen in mehreren Schulen im Umkreis von und in München, in Stadthallen und Cafes. Wir sind die letzte Generation, die von Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs hören und lernen dürfen.

Der 81-Jährige erzählte hunderten Schülern seine Geschichte, die nicht in der Hoffnungslosigkeit endete, obwohl fast seine gesamte Familie damals getötet wurde. Auch in München kamen am Montag abend 100 Menschen ins Cafe Repüblik (Schwabing), um den spannenden Erzählungen Graumanns zu lauschen. „Ich kann vergeben, weil Gott vergibt“, so seine Botschaft an Junge wie Alte.

Hier ein Interview mit Tom, das wir vor einem Jahr mit ihm aufgezeichnet haben:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Ich stimme zu

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.