Aktuell: “Ehe für alle” und jetzt die erste Klage eines Spenderkindes gegen eine Münchner Samenbank.

Mit der „Ehe für alle“, wird es solche „künstlichen“ Kinder jetzt noch viel öfters geben.
Aber es geht ja schließlich um die Selbstverwirklichung der Erwachsenen und nicht um das Wohl der Kinder, oder? Ja, dies wird die Zukunft sein, dass es nicht wenige sind, die auf der Suche nach ihren Wurzeln sind. Irgendwann möchte man wissen, woher das Genmaterial kommt, dass man in sich trägt und weitergibt. Die eigenen Kinder und Enkelkinder wollen es irgendwann auch wissen. Und die Kinder von zwei lesbischen Müttern, die aus einer dänischen Datenbank stammen, wollen die nicht wissen, wer der Vater ist? Haben sie kein Recht darauf? Weit schlimmer ist es aber, wenn deutsche Männer nach Indien fahren und dort arme Frauen zu einem Stück Nutzvieh degradieren, verharmlosend Leihmutterschaft genannt. Der jungen Frau aus München wünsche ich jedenfalls viel Glück, auch, wenn man befürchten muss, dass sie erfolglos bleibt.

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

aus: Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung.

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