Er war Verbrecher, er war süchtig und er war ein beispielloser Helfer für seinesgleichen. Heute hätte er seinen Geburtstag gehabt. Wir vermissen dich jeden Tag, lieber Franz.

„BILD-München“ über Franz: „Ein Junkie im Dienste Jesu Christi“

Menschen, um die der Fußgänger an der Schwabinger Giselastraße einen weiten Bogen macht und schnellen Schrittes weitergeht, weil er dieses Elend nicht ertragen kann, diesen Menschen legte er liebevoll die Hand auf die Wange, schenkte ihnen ein Stück Kuchen und seine Anteilnahme. Er war einer der wenigen, die die Geschlagenen, die Verwahrlosten, nicht verachtete, er liebte sie, denn er war selbst einer.

Nur Gestrauchelte bei Beerdigung 

Franz Huber war eine einmalige Erscheinung. Er ist tot, gestorben im Alter von nur 52 Jahren. Am Montag dieser Woche wurde er auf dem Friedhof am Perlacher Forst zur letzten Ruhe gebettet, eine große Beerdigung mit 300 Trauergästen, mit 300 Elendsfällen: Penner, Punks, Süchtige. Erst wurde der Bob Dylan-Song »Der Tod ist nicht das Ende« gespielt, dann traten die Gestrauchelten ans offene Grab und riefen ein paar Worte hinein, wie »Servus, Franz!« – »Du hast mir das Leben gerettet!«

Franz Huber war ein echtes Münchner Kindl, in Neuhausen geboren, aber zu einer Zeit, in der es ledige Mütter und ihre Kinder nicht einfach hatten. Die Mutter von Franz stammte aus einer Altöttinger Konditorenfamilie und diese Familienmitglieder bezeichneten Klein-Franzi als Bastard. Einmal brachte die Mutter einen neuen Freund mit ins Haus, Franz zerkratzte ihm vor Wut die Glatze.

In die Lehre wurde Franz zu einem Metzger geschickt, seine Mutter begründete: »Dann haben wir wenigstens was zu fressen.«

Die Wirklichkeit war härter als die Sprache. Franz ertrug sie nicht und flüchtete gerade mit 16 Jahren vom Metzger – direkt in den Rausch: Haschisch, Koks, Heroin. 20 Jahre lang war er Junkie, 20 Jahre verkehrte er nur dort, wo es Huren und Zuhälter, Verbrecher und Gescheiterte und jede Menge Stoff gab.

Fünf Jahre war er im Gefängnis (Einbrüche, Diebstähle).

1980 war die Lebenskraft des Neuhauser Buben erschöpft. Reise nach Holland, noch einmal eine Portion Heroin, dann goldener Schuss, kein Hahn kräht nach mir, ich kann nicht mehr.

In dieser Depression traf Franz in Holland einen alten Freund namens Uli, der ihn in einer Teestube mit einer christlichen Gemeinschaft bekannt machte. Deren Mitglieder luden ihn in ein ehemaliges Kloster ein zu einer Entziehungskur. Franz litt 5 Tage Höllenqualen, er schrie vor Schmerz und Verzweiflung, aber er schaffte diesen ersten Schritt. Dann arbeitete er ein Jahr lang im Kloster, Küche, Garten, Aufräumarbeiten.

Clean kehrte er in seine Vaterstadt München zurück. Er schaufelte Schnee für die Stadt München, er arbeitete bei einem Pizza-Bäcker, war Ordnungsmann bei Bundesliga-Spielen und bei Messeveranstaltungen.

Der Gelegenheitsarbeiter suchte die Nähe zu Menschen, die ihm geholfen hatten, zu Christen. So geriet er an eine Freikirche, die sich »Christliche Versammlung« nennt und ihren Sitz am Gollierplatz im Westend hat.

Leben in totaler Nächstenliebe

An diesem Platz mietete Franz Huber, der Junkie, ein Appartement mit 30 qm. An die Wand hängte er den »Notruf 5015«. Das ist der Psalm aus dem Buch David, der lautet: »Rufe mich an in der Not und ich werde dich retten.«

Franz Huber lebte wie Ur-Christen, in totaler Nächstenliebe. Kein Junkie in München, für den er nicht ein gutes Wort oder materielle Hilfe hatte, seine Zimmertür war für Hilfesuchende 24 Stunden geöffnet. Er hielt sogar Vorträge über Suchtgefahren in Schulen und Jugendzentren in ganz Bayern.

Von 1982 bis zu seinem Tod war er im Namen Jesu Christi unterwegs, verkündete Hoffnungslosen die Botschaft des Evangeliums, betete mit ihnen und bewies durch seine Existenz, dass der Glaube Berge versetzt.

Was kaum einem modernen Menschen in der Gesellschaft gelingt, erreichte Franz Huber, er wurde ehrlich geliebt und verehrt von Menschen, um die der moderne Mensch einen großen Bogen macht.

Das alles war am Körper von Franz Huber nicht spurlos vorübergegangen. Er war an einer Thrombose erkrankt und musste das Blutgerinnungsmittel Marcumar nehmen. Wahrscheinlich infolge einer falschen Dosierung kam es zu einer Gehirnblutung, nachts um zwei, am 8. Juni. Er war gerade dabei einem Junkie auf einer Postkarte die christliche Botschaft zu übermitteln.

Seine Schützlinge verabschiedeten sich in einer Todesanzeige unter anderem mit den Worten von ihm:

»Nach einem erfüllten und engagierten Leben in großer Liebe zu seinen Mitmenschen, insbesondere zu denen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, ist uns unser Freund Franz zu seinem geliebten HERRN Jesus vorausgegangen. Deine Freunde vom Gollierplatz 12.«

Ein Junkie wurde Missionar, gibt es eine schönere Karriere?“


Quelle: Burkhard Wittmann, „Ein Junkie im Dienste Jesu Christi“, BILD-München, 17. Juni 1998

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