Das Leiden Gottes

Alle vier Evangelien stellen Jesus nicht als einen Superhelden dar, der dem Tod furchtlos ins Auge blickt. Das ist erstaunlich, denn zu jener Zeit waren die Makkabäer die unter der Herrschaft des hellenistischen Fürsten Antiochus Epiphanes litten das leuchtende Beispiel für Märtyrertum. Von ihnen wird berichtet, wie sie Gott priesen und sogar predigten als ihnen Gliedmaßen abgeschnitten wurden. Wenn man das mit Jesus bemerkt man einen starken Kontrast. Hier ist was die Evangelisten berichten: „Und er nimmt Petrus und Jakobus und Johannes mir sich und fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Und er spricht zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt bis zum Tode; bleibt hier und wacht.“ (Markus 14,33-34) Lukas berichtet, dass Jesus in „ringendem Kampf“ war und die Anzeichen eines schweren körperlichen Schockzustands hatte (Lukas 22,44). Matthäus, Markus und Lukas zeigen alle, wie Jesus den Vater anfleht, den Tod umgehen zu können. („Vater, wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir weg“ Lukas 22,42; Markus 14,36). Als Jesus schließlich am Kreuz ist, fordert er nicht, wie die makkabäischen Märtyrer, die Beistehenden dazu auf, an Gott zu Glauben, sondern schreit heraus, dass Gott ihn verlassen hat. (Matthäus 27,46)


Der Kreuzigungstod ist einer der brutalsten Todesformen der Geschichte. Es gab allerdings auch Märtyrer, die grausamen Todesarten mutig entgegen geblickt haben. Ein Beispiel sind die Märtyer der frühen Neuzeit. In England oder Frankreich starben etliche Christen für ihre protestantischen Überzeugungen. Sehr oft wurden sie an einem Pfahl angebunden und verbrannt. Quellen berichten wie sie gesungen haben oder sich gegenseitig ermutigt haben, also wenig Anzeichen von Angst hatten. Warum war Jesus von seinem Tod stärker überwältigt als seine Nachfolger?


Die Antwort liegt im christlichen Konzept der Dreieinigkeit. Johannes stellt Jesus vor als den Sohn Gottes, der nicht geschaffen wurde, sondern an der Schöpfung Anteil hatte. Er war im „Schoß des Vaters“ (Johannes 1,18), also in einer absolut tiefen Beziehung mit dem Vater. Aber am Ende seines Lebens wurde er von ihm getrennt. Es gibt vielleicht keinen größeren inneren Schmerz, als den Zerbruch von Beziehungen. Wenn man von einer guten Bekanntschaft kritisiert oder verurteilt wird ist das schmerzhaft. Sogar noch schmerzvoller ist es, wenn man so etwas von Freund oder Freundin zu hören bekommt. Wenn Beziehungen innerhalb einer Familie zerbrechen, zwischen Ehepartnern oder zwischen Eltern und kleinen Kindern, dann können ernsthafte psychische Traumata daraus resultieren. Man kann jedoch nicht begreifen, was es für Jesus bedeutete, als er von dieser ewigen göttlichen Gemeinschaft getrennt wurde. Die christliche Lehre des stellvertetenden Sühnopfers besagt, dass Jesus als Stellvertreter die ewige Trennung von Gott ertrug, welche die Menschheit verdient hat. Kurz vor seinem Tod bat Jesus um himmlischen Beistand, doch stattdessen machte er die Hölle durch. In Jesu Ausruf – „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“- geht es um die Beziehung zwischen Vater und Sohn.


Der Tod Jesu war vollkommen verschieden von allen anderen Toden. Der körperliche Schmerz war nichts im Vergleich zu dem Erlebnis von absoluter Gottverlassenheit. Der christliche Glaube alleine unter allen Weltreligionen lehrt, dass Gott wirklicher Mensch geworden ist und Verzweiflung, Ablehnung, Einsamkeit, Armut, Folter und Gefangenschaft aus erter Hand kennt. Warum tat er das? Die Bibel sagt, er kam in einer Rettungsmission für die Schöpfung. Er kam zu uns um für unsere Sünden zu bezahlen, damit er eines Tages das Böse und das Leid beenden kann ohne uns zu beenden. Man kann zwar nicht immer gleich eine Antwort auf Leid bekommen, aber man kann eines wissen: Gott ist unser Leid nicht egal. Er nahm es so ernst, dass er bereit war es auf sich selbst zu nehmen. Die christliche Lehre, dass Jesus Gott ist, und, dass er ans Kreuz gegangen ist, leifert wirklichen Trost für die brutalen Realitäten des Lebens. Ein anderer Name für Jesus, der in der Bibel gebraucht wird ist Immanuel, das bedeutet `Gott mit uns’, auch in unseren schlimmsten Leiden.


Wir brauchen allerdings noch mehr als Trost. Wir brauchen die Gewissheit, dass schlechte Dinge, die passiert sind, nicht umsonst waren. Der christliche Glaube liefert dazu die Lehre der Auferstehung. Gott wird diese Welt erneuern und alles Schlechte in Gutes verwandeln (z.B. Offenbarung 21). Es wird wie nach dem Erwachen aus einem Alptraum sein. Der säkularisierte Mensch hat keine Antwort darauf, was nach der Geschichte oder dem Tod passiert. In den östlichen Religionen verliert sich eine Persönlichkeit im großen Nichts. Doch die Bibel lehrt, dass Jesus diese Welt erneuern wird. Das liefert eine gewaltige Hoffnung und Zuversicht. Das ist der ultimative Sieg über das Böse und das Leid. Es wird nicht nur beendet, sondern so umgedreht, dass was uns passiert ist dazu dienen wird, dass unsere Freude im zukünftigen Leben umso größer gemacht wird.

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