Rudi Dutschke: Jesus gegen die Logik des Wahnsinns

Rudi Dutschke, Heros und Opfer der 68er-Revolte, führte heimlich Tagebuch – über Gott, die Liebe und die Grünen. Am Gründonnerstag 1968 wurde er von Josef Bachmann, der aus der DDR stammte, auf dem Berliner Kurfürstendamm in Kopf, Hals und Schulter geschossen. Dutschke überlebt schwerstverletzt. Mühsam muss er sich die Sprache zurückerwerben, jede intellektuelle Arbeit geht langsam voran. Durch die organische Hirnverletzung stellen sich immer wieder epileptische Krämpfe ein. Ihm bleiben innerliche Unruhe und Angst vor Verfolgung und neuen Schüssen. Am Heiligen Abend 1979 erleidet er in der Badewanne einen epileptischen Anfall und ertrinkt.


Am 18. Februar 1963 beginnt Dutschke Tagebuch zu führen. Dabei bleibt er, bis zu seinem frühen Tod 1979. Jetzt hat seine Frau die Aufzeichnungen freigegeben: Rudi Dutschke: Jeder hat sein Leben ganz zu leben. Die Tagebücher 1963-1979, Hrsg. Gretchen Dutschke, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 432 Seiten.


Rudi Dutschke hatte die Notizen vor Familie, Freunden und Genossen geheim gehalten, dem Tagebuch aber manches anvertraut. So kommt erstaunliches ans Licht, zum Beispiel auch die Sache mit Jesus Christus. Wie kann man, fragten sich Dutschkes Mitstreiter schon in den sechziger Jahren, zugleich Marxist (mithin „Materialist“) und Christ (philosophisch betrachtet also „Idealist“) sein? Darüber hat sich der Student, Sohn einer strengen protestantischen Mutter, seinerzeit öffentlich nicht geäußert. Obwohl damals alles diskutiert wurde – der Glaube sowieso.


Ostern 1963 vertraut Dutschke seinem Tagebuch an: „Jesus ist auferstanden, Freude und Dankbarkeit sind die Begleiter dieses Tages; die Revolution, die entscheidende Revolution der Weltgeschichte ist geschehen, die Revolution der Welt durch die alles überwindende Liebe. Nähmen die Menschen voll die offenbarte Liebe im Fürsich-Sein an, die Wirklichkeit des Jetzt, die Logik des Wahnsinns könnte nicht mehr weiterbestehen.“




Quelle: Kiepenheuer & Witsch

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