“Armstrong muss vergessen werden?!”

Südamerika, Peru – ich sitze in einem Hotel und passiere im Geist die letzten Tage. Hier bin ich seit drei Monaten und mache einen Freiwilligeneinsatz in den peruansichen Anden. In diesem Hotel begegne ich einem Mann, der mir sehr imponierte. Er ist Kopf einer Aktiengesellschaft, ansässig in Österreich. Er erzählt mir von seinem Bruder, der bei dem Giro d´Italia mitgefahren ist, ein großer des Radsports. Seinen Aussagen zufolge ist die Bilanz einer ganzen Sportgesellschaft eher nüchtern: Nicht die Sportler sind in erster Linie das Problem, sondern die Verbände. Diese würden das Doping decken, so wird Doping gemacht und Helden produziert, denn Helden – so jemand wie Armstrong – sind Garanten für viel Geld.

So meint er, wäre Armstrong vielleicht eher ein Bauernopfer von Funktionären als ein massiver Manipulateur. Gewiss war er im Bilde, doch das Ausmaß dieses Skandals übersteigt die Leistungskraft eines Einzelnen. Er war nicht allein.

Wenn man den Bericht der USADA mal durchliest, dann fallen dem Leser einige Lücken auf. Armstrong wurde zum Beispiel nach Rennen zum Doping gerufen, zu denen er auftauchte und bei denen kein Dopingmittel festgestellt wurde. Er hatte sich, so der Bericht, vor dem Rennen dopen lassen und wurde nach dem Rennen direkt informiert, dass er kontrolliert werden würde. Daraufhin ließ er Ärzte kommen, die ihm auf seinem Zimmer eine Natriumchlorid-Lösung intravenös verabreichten und zwar in einer Menge, dass der Stoff nur noch verdünnt feststellbar war. Somit ließ sich niemals ein Verdacht erhärten. 

Doch wie kann es sein, dass jemand schon Stunden vor einer Dopingkontrolle davon wusste? Wieso wurden die großen Helden des Radsports gedeckt, indem sie Dopingkontrollen mittels Wissen entgehen konnten? Wenn man jetzt in der Weise Armstrong etickettiert, ihn als den Bösen des Sports brandmarkt, dann hat das was damit zu tun, dass hier Menschen schuldlos davon kommen wollen, die nicht schuldlos sind. Funktionäre, Verbände, ja die ganze Radsportgesellschaft.

Armstrong hat das Pech, das er DAS Aushängeschild des Radsport ist, das es zu stürzen gilt. Kein Ivan Basso, Alberto Contador oder Jan Ullrich haben das Prestige, um dem Radsport als Ganzes gefährlich zu werden; Armstrong schon. 7 Jahre Tour de France ohne Sieger, das wäre eine Ansage. Deshalb hat man sich so in Armstrong verbissen. Und deshalb darf man nicht darin verfallen, Armstrong als Alleinsündigen zu ächten. Er war der Beste unter allen Dopern, er war nicht der Einzige.

Mein Sport ist nicht der Radsport, sondern der Fußball. Als ich meinen Hotelkollege frage, wie es in dem größten Breitensport Deutschlands aussieht, wagt er sich zu sagen: Jeder Verband jedes Landes deckt das Doping von allen seinen Sportlern. Sprich: Der DFB macht das genauso. Warum? Weil das Offenlegen von Dopingskandalen dazu führt, dass eine ganze Sportgesellschaft unglaubwürdig wird und dadurch riesige Sponsorengelder wegfallen. Es geht um viel Geld. Ob das nun die Wahrheit ist oder nicht, das weiß ich nicht. Ich konnte mir nie vorstellen, dass jemand im Fußball gedopt ist, finde es aber genauso komisch, dass dort nie jemand entdeckt wird, der seinem sportlichen Aufstieg etwas nachhilft. Wenn ich in einer Jugendmannschaft stehen würde und zu dem Sprung in die erste Mannschaft nur ein Funke fehlt, wieso nicht dopen? Immerhin verdient der Fußballer im Vergleich zum Radler ziemlich viel Kohle.

“Armstrong muss vergessen werden”, das sagte der Radsportverband UCI über Lance. Doch das ist lächerlich. Es geht nicht um Lance, sondern um den Breitensport im Allgemeinen. Sie tun so, als ob Lance Armstrong der Erste sei, der zum Akutdoping greift, um zu kaschieren, dass sie selbst die Elendsten unter ihnen sind. Die Geldmacher aus der Vorstandsebene. Lieber Lance, lieber Radsport, das sind eure Verse:

Sprüche 16, 8

Lieber wenig, aber ehrlich verdient als ein großer Gewinn aus unlauteren Geschäften.

Sprüche 20, 17

Wer von Betrug lebt, findet anfangs Geschmack daran; aber hinterher hat er den Mund voll Sand.

Sprüche 23, 10

Verrücke nicht die von alters her festgelegten Grenzen, um deinen Landbesitz auf Kosten wehrloser Waisen zu vergößern. Denn sie haben einen mächtigen Beistand: Gott selbst wird ihr Recht gegen dich verteidigen.

Lukas 19, 8-9

Zachäus aber trat vor den Herrn und sagte zu ihm: »Herr, die Hälfte meines Besitzes will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand etwas erpresst habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.« Da sagte Jesus zu Zachäus: Der heutige Tag hat diesem Haus Rettung gebracht.

3. Mose 5, 20-24

Und der HERR redete mit Mose und sprach: […] Wenn es so geschieht, dass er sündigt und sich verschuldet, so soll er wiedergeben, was er mit Gewalt genommen oder mit Unrecht an sich gebracht […] hatte […]; das soll er alles ganz wiedergeben und darüber hinaus den fünften Teil. Dem soll er’s geben, dem es gehört […].

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