Aus der Sicht eines Historikers ist die Weihnachtsgeschichte nach Lukas glaubwürdig.

“Andreas Gerstacker ist Historiker an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und gläubiger Christ. Er untersucht in diesem Buch die Historizität der Geburtsgeschichte im Lukasevangelium. Dabei geht er besonders auf das Problem der Volkszählung ein, die nach Lukas 2,1 stattfand, „als Quirinius Statthalter in Syrien war“. Dieses Problem hat seit Generationen die Wissenschaft beschäftigt und wird von vielen Bibelkritikern als Indiz für die Unglaubwürdigkeit des biblischen Berichtes gewertet. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Geburt Jesu nach dem Matthäusevangelium vor dem Tod des Herodes des Großen im Jahr 4 v. Chr. datiert wird (vgl. Mt 2,1ff), während im Lukasevangelium die Volkszählung zur Zeit der Geburt Jesu mit dem Zensus unter Quirinius in Verbindung gebracht wird, die nach antiken Quellen erst im Jahre 6 n. Chr. – also mindestens 10 Jahre später – durchgeführt wurde. In seiner Monographie bietet Gerstacker einen hilfreichen Überblick über die verschiedenen Lösungsversuche dieser in der Wissenschaft geführten Diskussion. Als Historiker zeigt er jedoch auch klar die Grenzen aller dieser Interpretationsansätze auf und warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen. Sein kompetenter Umgang mit den zur Verfügung stehenden Quellen ist dabei vorbildlich. Im Folgenden möchte ich den Inhalt des Buches kurz skizzieren.

Nach einer Darlegung des o. g. Hauptproblems bespricht Gerstacker in Kapitel 1 die Quellen des Lukas und stellt die Frage, ob man den Evangelisten aus der Sicht eines modernen Historikers heute noch ernstnehmen darf. Dabei zeigt sich der Autor durchaus bereit, Lukas eine faire Chance einzuräumen, da der Evangelist nach eigenen Angaben ausdrücklich versucht hat, die Geschichte Jesu und die der frühen Gemeinde sorgfältig darzulegen (Lk 1,1–4). Zudem sind in der Vergangenheit mehrere Aspekte der lukanischen Geschichtsschreibung archäologisch bestätigt worden. Dennoch müsse betont werden, dass die von Lukas verwendeten Quellen unterschiedlicher Natur waren. Während der Evangelist hervorragende Kenntnisse der römischen Reichs- und Provinzverwaltung vorweisen konnte, war auch er gezwungen, sich auf Überlieferungen der Jerusalemer Urgemeinde zu verlassen, deren Zuverlässigkeit er selbst nicht immer verifizieren konnte.

In Kapitel 2 diskutiert Gerstacker das his­torische Umfeld der Geburtsgeschichte und erörtert, wie „Kaiser Augustus seine Provinzen organisierte“. Neben den „kaiserlichen Provinzen“ (die dem Kaiser direkt unterstanden) gab es „Provinzen des Volkes“, die vom römischen Senat verwaltet wurden. In den kaiserlichen Provinzen vertraten Statthalter und Verwalter (Legate und Präfekte) sowie Klientelfürsten wie Herodes den Kaiser, eine Situation, wie wir sie in Judäa während der frühen Jahre Jesu vorfinden. Da für die damalige Zeit keine reichsweite Volkszählung belegt ist, haben wir es beim Zensus, den Lukas erwähnt, wahrscheinlich mit einer der vielen regionalen Steuerschätzungen zu tun, die damals durchgeführt wurden. Solche Schätzungen sind auch in ägyptischen Papyri der Römerzeit belegt. Die Institution der regionalen Steuerschätzungen soll in der Tat auf Kaiser Augustus zurückgehen. Die Schätzungen wurden in regelmäßigen Abständen durchgeführt und zentral in Rom verwaltet. Lukas‘ Behauptung, „alle Welt“ habe sich damals in Steuerlisten eintragen lassen, bezöge sich in diesem Fall wohl eher auf die Tatsache, dass in den Provinzen regelmäßig solche Steuerschätzungen durchgeführt wurden. Gerstacker stellt zudem fest, dass Lukas’ Aussagen im Allgemeinen durchaus im Einklang sind mit dem, was wir über das historische Umfeld Judäas zurzeit Jesu wissen, auch wenn man hin und wieder eine gewisse Unschärfe in der Begrifflichkeit feststellen kann. Zudem vermutet der Autor, dass Josef von Nazareth ursprünglich wohl aus Bethlehem stammte und dort noch Besitztümer gehabt haben muss, weshalb er zur Steuerschätzung nach Bethlehem gebeten wurde. Dies erkläre auch, warum er und Maria bei Verwandten Unterschlupf suchten, bei denen sie letztendlich in einem Hauptraum eines einfachen, mit Futterkrippen ausgestatteten Hauses (also nicht in einer Herberge) die Nacht verbrachten. Ähnliche Umstände sind auch von einer Steuerschätzung einer Jüdin namens Babatha aus dem Jahre 127 n. Chr. bekannt.

In seinem längsten Kapitel, Kapitel 3, kommt Gerstacker zu seinem eigentlichen Plädoyer und behandelt die Problematik der „Datierung der Geburt des Jesus von Nazareth“ und der „Statthalterschaft des Quirinius“. So erklärt er, wie Quirinius, nachdem er eine steile Karriere als Prokunsul und Feldherr genossen hatte, schlussendlich vom Kaiser im Jahre 6 n. Chr. „als kaiserlicher Statthalter … nach Syrien“ beordert wurde, um dort „die Einziehung des Fürstentums Judäa und einen Zensus durchzuführen“ (S. 33–34). Glauben wir Josephus Flavius, so müsste der Amtsantritt im letzten Regierungsjahr des Herodes Archelaos (6 n.Chr.) erfolgt sein. Eine hilfreiche Liste der relevanten Quellen findet sich auf S.34–35. Fand gemäß den Aufzeichnungen des Matthäus (vgl. auch Lk 1, 5f) die Geburt Jesu während der Regierung des Herodes des Großen statt, so verbindet Lukas sie zeitlich mit der Volkszählung unter Quirinius, was von vielen Kritikern als anachronistisch verstanden worden ist. Auch wenn Gerst­acker als objektiver Historiker nicht gänzlich ausschließen darf, dass im Lukasevangelium eine falsche Datierung vorliegen könnte, hält er angesichts der sonstigen Genauigkeit des Evangelisten eine solche Schlussfolgerung für eher problematisch.”

B

das Buch ist nur erhältlich beim Büchershop des Instituts für Glaube und Wissenschaft: www.iguw.de

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