Geschichte des Atheismus: Ein Zeitalter der Umwälzungen

Unsere Geschichte des Atheismus verlässt die klassische Ära der Griechen und Römer und kommt in einer Welt an, die man das christliche Abendland nennt. Die christliche Kirche hält die Gesellschaft zusammen und obwohl verschiedene Strömungen aufkommen, vermitteln sie dem Volk den Glauben an Gott.


Das 18. Jahrhundert wird allgemein als eines der umwälzendsten und dynamischsten Perioden der Geschichte angesehen. Es war eine Zeit voller ungetrübtem Fortschrittsdenken. Revolution hing in der Luft. Zum ersten Mal, so dachte man, könne man es schaffen, die Fehler der Vergangenheit nicht mehr zu wiederholen. Vorne lag eine schöne neue Welt. Es gab unter den Revoluzzern wenig Zweifel darüber, was das Hindernis für den menschlichen Fortschritt war.


Die Kirche, die mit ihren Dogmen die Menschen unterdrückte hielt den Fortschritt auf. Noch dazu arbeitete sie mit den korrupten Monarchien zusammen, die das Volk verhungern ließen. Sie verlor immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung. Vor allem in Frankreich war das der Fall, wo sich der ganze Zorn in der berühmten Revolution entladen sollte. Die Kritik an der Macht der Kirche richtete sich schnell auch an den christlichen Glauben, auf dem die Kirche basierte. In Nordamerika wurden Kirche und Staat getrennt. Viele sehen darin den Grund, weshalb Amerika zum wichtigsten christlichen Land auf der Welt wurde. Denn wo keine korrupte Kirche zu kritisieren war, stellten sich auch atheistische Ideen als unfruchtbar heraus.Zunächst wollen wir jedoch nach Großbritannien schauen.


Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatten britische Intellektuelle die Nase voll von instituionalisierter Religion. Der englische Bürgerkrieg (1642-49) hatte zu einer Vorherrschaft von einem für England sehr untypischen religiösen Extremismus geführt, deren Moral den Meisten auf Dauer zu restriktiv war. Oliver Cromwell schwang sich an die Macht, ließ Weihnachten verbieten und sogar ‘plum pudding’, eine kulinarische Besonderheit auf der Insel, die nicht gerade als ein Paradies für Feinschmecker angesehen wird.


Denker schrieben sich die Finger wund um eine derartige Diktatur in Zukunft zu verhindern. Seit dieser kurzen Zeit ohne König haben sich die Engländer geschworen, nie wieder die Monarchie aufzugeben. Als ein König sich offen römisch-katholisch zeigte wurde er vertrieben und durch den toleranten protestantischen William III, Prince of Orange ersetzt. Der Philosoph John Locke schrieb als Antwort auf diese turbulente Zeit in England seine Letters Concerning Toleration, in denen er für Glaubens- und Gewissensfreiheit eintrat. Es sollte nicht mehr eine bestimmte Religion bevorzugt werden, das hatte er aus der Zeit des Fanatismus und der Intoleranz gelernt. Die Kritik in England war zwar schon gegen gewisse Aspekte des christlichen Glaubens gerichtet, aber noch nicht offen atheistisch. Man machte sich lustig über die Kirche aber kritisierte nicht den christlichen Glauben an sich. Das war zu einem großen Teil auch die Folge der relativ großen politischen Freiheit, welche die Engländer seit ihrer Glorious Revolution (1688) genossen.


Das wichtigste Bollwerk gegen die Ausbreitung atheistischer Gedanken war allerdings der sogenannte Pietismus, der im 18. Jahrhundert vor allem in England enormen Einfluss hatte. Diese Bewegung hatte seinen Ursprung in Deutschland. In den lutherischen deutschen Gebieten waren Viele von den langweiligen theologischen Diskussionen der Scholastiker enttäuscht. Schriftsteller wie Philip Jacob Spener betonten die persönliche Komponente des Glaubens. Auf den britischen Inseln kamen diese Gedanken in den 1730ern massiv durch die Predigten und Lieder von John und Charles Wesley in Umlauf. Die Entscheidung des Individuums geriet in den Mittelpunkt. Die Kirche war nicht mehr notwendig für das Seelenheil. Das menschliche Herz wird das Tor zum Himmel. Die Kirche ist wichtig für Lehre und Unterweisung, aber sie verwaltet nicht mehr die Rettung der Seelen. Die Kirche von England war erbost über die Freiluftprediger, die ihren Einfluss schmälerten.


Der Pietismus machte es möglich, die Kirche als Institution zu kritisieren und gleichzeitig den christlichen Glauben zu leben. Er schuf die Verbindung zwischen Glaube und dem individuellen subjektiven Bewusstsein. Ein Glaube, der lebendig ist und den man erfährt ist schwierig zu kritisieren. Leute kritisiern selten etwas, was ihnen etwas bedeutet.


Anders entwickelten sich die Dinge in Frankreich. Während der Pietismus den protestantischen Christen half, den Kopf mit dem Herzen zu verbinden, sah es in diesem römisch-katholischem Land ganz anders aus. Pietismus oder etwas ähnliches konnte dort keinen Fuß fassen. Ansätze wurden von den Jesuiten unterdrückt. Die Französische Revolution stieß die Vormacht der Kirche schließlich um. Radikale atheistische Ideen fanden im Frankreich des 18. Jahrhunderts den geeigneten Nährboden ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Die Folgen waren dramatisch und schufen ein goldenes Zeitalter für den Atheismus.



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