Dieser Mann predigt das Wort Gottes auf den Straßen des Landes.

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Alan Haufe (34) geht, einen Trolley hinter sich her ziehend, durch die Annastraße. Vor der Annakirche bleibt er stehen und stellt den Rollwagen mitten in der Fußgängerzone ab. Auf dem Gestell steht eine kleine Holzkiste, darin ein paar Bücher. Es sind vor allem Bibeln. Während es sich dabei nur um Neue Testamente handelt, hat er eine vollständige Bibel, eingebunden in schwarzes Kunstleder, in der Hand.

Er blättert ein wenig darin, blickt zu Boden, legt sich Worte und Aussagen zurecht, versucht, sich zu konzentrieren. Dann beginnt er plötzlich, laut zu sprechen: „Darf ich Sie etwas fragen? Haben Sie sich schon mal über etwas geärgert?“ Er ist bis zur Sparkassenfiliale, vielleicht sogar bis Karstadt zu hören; er redet zu allen Passanten um ihn herum.

Es ist früher Samstagnachmittag, die Fußgängerzone voll von Menschen jeden Alters, Einkäufern, Schaufensterbummlern, Leuten, die ins Café wollen oder gerade vom Mittagessen kommen. Haufe fährt ungerührt fort: Ob sie sich vielleicht gerade über ihn ärgern, weil er auf der Straße Lärm macht?
Und er beginnt, von seinem Leben zu erzählen und von einem Bibeltext, der ihn vor etlichen Jahren angesprochen hat, einem Abschnitt aus dem alttestamentlichen Buch Kohelet: „Ich sah all die Taten, die unter der Sonne getan werden, und siehe, alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.“ Laut dem Schreiber, so Haufe, ist das Leben sinnlos, aber nicht das Leben an sich, sondern nur ein Leben ohne Gott.

Haufe erlebt die unterschiedlichsten Reaktionen

Die Passanten reagieren höchst unterschiedlich. Manche gehen vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Andere drehen sich neugierig nach ihm um. Manche bleiben sogar stehen, allerdings in gehöriger Entfernung. Am Brunnen steht eine Gruppe Jugendlicher. Jemand öffnet eine Seitentür der Sparkassenfiliale, um mitzubekommen, was da für eine Rede gehalten wird. Ein Obdachloser stellt sich eine Zeit lang direkt neben Haufe hin und hört angestrengt zu. Dann beginnt er zu schimpfen und geht weiter. Was ihn wütend gemacht hat, weiß Haufe nicht. Ein Mann sagt nur: „Die Bibel ist ein Märchenbuch!“

Etwa fünf Minuten lang redet Haufe, dann nimmt er ein paar Taschenbibeln aus der Kiste und versucht, sie an Vorübergehende zu verteilen. Auch hier reagieren die Leute unterschiedlich: Viele wehren ab; es gibt aber auch solche, die vorbeigegangen sind und noch mal umkehren, um sich eine geben zu lassen. Im Gespräch mit unserer Redaktion gibt Alan Haufe ausführlicher Auskunft über seine Person. Er ist ein in Dortmund aufgewachsener Deutscher mit peruanischen Wurzeln. Als Jugendlicher war er nach eigenen Worten ein kleinkrimineller Vandalist: Teil der Rap-Szene, Sprayer, Drogendealer – selbstverständlich Atheist.

Dann aber änderte er unter dem Einfluss der Bibel sein Leben und wurde bewusster Christ. Er machte eine Ausbildung zum Erzieher und trat 2010 in München seine erste Arbeitsstelle an. Hier erlebte er in der Nähe des Stachus zum ersten Mal einen Straßenprediger. Er war gepackt und machte bald erste eigene Versuche. 2012 zog er mit seiner Frau nach Augsburg um. Seit Juni 2013 ist er nun beinahe an jedem Wochenende im Dreieck Kö-Moritzplatz-Annastraße beim Predigen anzutreffen.

 In letzter Zeit nicht mehr zu festen Uhrzeiten, weil er nun eine einjährige Tochter hat. Er hat inzwischen auch Kontakt zu der Straßenprediger-Szene in ganz Deutschland und organisiert sogar Konferenzen. Seine Motivation: „Ich weiß, dass viele ein falsches Bild von Gott haben. Ich will ihnen ermöglichen, das Wort Gottes kennenzulernen.“ Haufe sagt, er achte darauf, niemandem etwas aufzudrängen. Dass er predigt, ist nach seiner Aussage von der Meinungsfreiheit gedeckt; er brauche dafür keine behördliche Erlaubnis. Nur Bücherstände müsse die Stadt genehmigen, und das tue sie inzwischen nur noch sechs Mal pro Quartal, was er nicht gut findet.

Gelegentlich wollen ihn Passanten auch provozieren

Es kommt vor, dass Passanten ihn provozieren wollen. Wenn er aber anfangen würde, sich mit Leuten zu streiten, widerspreche das seiner Botschaft, sagt Haufe. Er habe gelernt, schlagfertig zu sein, aber auch freundlich und nachsichtig. Werde er angegriffen, dann könne das seiner Absicht auch entgegenkommen: „Denn dann werden noch mehr Menschen auf mich aufmerksam.“

Im Übrigen bemüht er sich, keine Vorstellung zu geben, sondern „echt“ zu bleiben. „Sicher halten mich viele für einen Spinner“, sagt er, „aber andere merken, dass ich verständlich rede und keinen Unsinn sage. Ich habe von einigen Leuten gehört, dass die Begegnung mit mir für sie ein Schritt auf dem Weg zum Glauben war. Ich bekomme viele Rückmeldungen per Telefon oder Mail.“ https://www.augsburger-allgemeine.de/

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