Heute vor 75 Jahren begann die zweitägige Urteilsverkündung im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess.

Am 20. November 1945 begann der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess. Die Nürnberger Prozesse gelten als Meilenstein in der Geschichte und der Gnade Gottes.

Letzte Begegnungen unter dem Galgen

“Vergebt denen, die euch Böses tun.” Aber was ist, wenn das Böse millionenfacher Mord ist?

Nürnberg 1946. Die Hauptkriegsverbrecher werden angeklagt und erwarten ihren Tod. Der Militärseelsorger Henry Gerecke führt mit vielen von ihnen Gespräche, darunter Hermann Göring, Albert Speer, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel und Rudolf Hess. Manche der Angeklagten reagieren mit Ablehnung auf die christliche Botschaft, andere gleichgültig, doch manche scheinen echte Reue zu zeigen. Das bringt Gerecke in ein Dilemma: Gilt Gottes Gnade auch den Menschen, die sich schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben? Oder verharmlost Vergebung ihre Sünden?

Unter Heranziehung bisher unveröffentlichter Dokumente zeichnet Tim Townsend ein lebendiges Bild, das neue Einblicke in die letzten Stunden der Nazi-Verbrecher erlaubt.

Buchauszug aus obigem Buch:

“Andrus hatte eigentlich gewollt, dass die Verurteilten den Weg von der Zelle zur Turnhalle ohne Handschellen zurückgelegten, doch das wurde nach Görings Selbstmord geändert. In der Turnhalle würde Andrus dem Gefangenen die Handschellen abnehmen und darauf den Raum verlassen, womit er symbolisch den Delinquenten in die Obhut der Leute von Leutnant Tilles übergab – der Männer des Kommandeurs der Militärpolizei der Dritten US-Armee.

Zwei Militärpolizisten würden den Verurteilten an den Armen nehmen und zum Galgen führen. Hinter ihnen würden zwei weitere Militärpolizisten gehen und hinter diesen Gerecke bzw. O’Connor und ein Dolmetscher. Man würde den Gefangenen zu einem Tisch in der Nähe des Galgens führen, an welchem Mitglieder des Tribunals saßen, und ihn auffordern, seinen Namen zu nennen.

Anschließend würden zwei der Militärpolizisten den Delinquenten die 13 Stufen zu der Plattform des Galgens hochführen, gefolgt von dem Geistlichen. Die beiden anderen Militärpolizisten würden sich hinter den schwarzen Vorhang begeben, der die Leiche des Gehenkten verdecken soll. Sobald die Ärzte den Tod des Gehenkten festgestellt hatten, würden sie die Leiche vom Seil abschneiden, auf eine Trage legen und sodann hinter einem zweiten schwarzen Vorhang bringen, wo ein schlichter Sarg aus Kiefernholz wartete.

Um 1:00 Uhr ging Andrus mit zwei deutschen Beamten, mehreren Wärtern und den beiden Geistlichen im Schlepptau von Zelle zu Zelle, um jedem der Verurteilten sein Los noch einmal offiziell mitzuteilen. „Tod durch den Strang!”, hallte die Stimme des Dolmetschers durch den Gang. Einer der Geistlichen blieb jeweils noch einen Augenblick in der Zelle und sprach kurz mit dem Verurteilten.

Eigentlich hätte Göring als Erster gehängt werden sollen; jetzt fiel diese fragwürdige Ehre Hitlers ehemaligem Außenminister zu. Speer hörte in seiner Zelle im ersten Stock, wie Andrus rief: „Ribbentrop!” Unten öffnete sich eine Zellentüre. Speer hörte gedämpfte Stimmen und das Scharren von Stiefeln auf dem Fußboden.

Gerecke ging in die Zelle hinein und betete mit Ribbentrop, während Andrus im Gang wartete. Ribbentrop sagte, dass er „all sein Vertrauen in das Blut des Lammes setzte, dass die Sünden der Welt wegträgt. Er bat Gott, sich seine Seele zu erbarmen”.

Als Ribbentrop bereit war, rief Andrus durch die Tür: „Folgen Sie mir!” Speer hörte das Hallen ihrer Schritte in dem Gang unten, das sich langsam entfernt. Er saß aufrecht auf seiner Pritsche, die Hände wie Eis, und konnte kaum atmen.

Andrus führte Ribbentrop hinaus und die 35 m über den Hof zur Tür der Turnhalle. Gerecke und O‘Connor folgten. O‘Connor trug sein Franziskaner Habit, eine braune Kette in der Form eines Kreuzes, um die Taille eine weiße Kordel gebunden, die in drei Knoten endete, die für die franziskanischen Gelübde standen.

„Es war ein langer Weg”, schrieb Andrus später. „Für uns alle!”

An der Tür zur Turnhalle angekommen, nahm Andrus seinen blank gewienerten Helm ab und verneigte sich. Ribbentrop verneigte sich ebenfalls.

Andrus‘ Klopfen ließ das drinnen schweigend wartende Hinrichtungsteam kurz zusammenfahren. Man öffnete die Tür. Ribbentrop ging hinein und hob die Hand vor die Augen, wegen der grellen Lichter. Es war jetzt 1:11 Uhr. Er blinzelte. Sein Blick streifte durch den staubigen, schmutzigen Raum.

Andrus nahm Ribbentrop die Handschellen ab und verließ die Turnhalle. Er hatte diese Gefangenen zu lange bewacht, um bei ihrem Tod zuzuschauen.

Die beiden Militärpolizisten nahmen Ribbentrops Arme. Jetzt sah er sie – die Mitglieder des Tribunals, die deutschen Offiziellen, den bayerischen Ministerpräsidenten Hoegner und den Generalstaatsanwalt Leistner, die US-Offiziere und Journalisten, die links von den Galgen an acht Klapptischen saßen.

Die Militärpolizisten führten Ribbentrop vor die Richter und forderten ihn auf, seinen Namen zu nennen. Er tat es, und sie führten ihn zum Galgen. Er blieb einen Augenblick stehen, dann stieg er die 13 Stufen hinauf, gefolgt von Gerecke.

Oben banden die Militärpolizisten Ribbentrop mit den Lederschnürsenkeln die Hände auf dem Rücken zusammen, dann fesselten sie mit einem Armeegürtel seine Beine.

Als er auf der Falltür stand, sprach er seine letzten Worte – einen Friedenswunsch für die Welt. Dann sah er Gerecke an und sagte: „Ich werde sie wiedersehen.”

Gerecke sprach ein kurzes Gebet und schloss nach einem stillen Moment mit „Amen”. Woods zog eine schwarze Kapuze über Ribbentrop Kopf, dann legt er ihm die Schlinge um den Hals. Er schaute zu dem Kommandeur der Militärpolizei hin, auf dessen Signal wartend.”

Kommentare

  1. Thomas B.

    Ich habe dieses Buch in den letzten Weihnachtsferien gelesen. Bewegend!
    Ich kann es nur jedem empfehlen.
    Und für uns kaum begreiflich, was Gott durch Henry Gerecke gewirkt hat.
    Gottes Gnade will es, dass wir dereinstiges mit Menschen am Tisch des Lammes sitzen, die in den Geschichtsbüchern dieser Welt als Top-Nazi-Verbrecher beschrieben sind.
    Alle Ehre IHM, der sein Leben gegeben hat, damit wir erlöst sind!

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