Ich hasse Handys!

Ich hasse Handys!

In der guten alten Zeit, also noch vor der Mobilmachung des Telefons, als selbiges noch „Apparat“ hieß und man sich am Apparat mit „am Apparat“ meldete – damals stand der Apparat noch im Arbeitszimmer auf dem Schreibtisch des Hausherrn. Seit seiner Abnabelung bzw. Entschnürung ist das Schnurlose überall dabei und geht mir inzwischen mächtig auf den Senkel. Da sitze ich mit meinen Mitarbeitern am Frühstückstisch lieber Gastgeber. Mit Missfallen registriere ich, dass an Herrchens Futterplatz neben dem Messer ein schlankes Schnurloses deponiert wird, als ob das zum Frühstücksbesteck dazugehören würde wie der Eierlöffel und das Herrnhuter Losungsbuch. Das Tischgebet haben wir gerade noch geschafft, dann geht’s los mit der Piepserei. Der Hausherr vertauscht Honigsemmel mit Handy, und statt sich zu erheben und den Kreis der Frühstückenden diskret zu verlassen, um irgendwo in der weiträumigen Wohnung ambulant zu telefonieren, bleibt der Mensch sitzen und redet mit einem anderen. Wir anderen, die wir um den Frühstückstisch sitzen, verstummen. Mitten im Gespräch klinkt sich einer aus bzw. klinkt sich einer ein, der mit einem von uns ein Gespräch anfängt, von dem wir anderen ausgeschlossen sind. Mir ist es prinzipiell peinlich, anderen beim Telefonieren zuhören zu müssen, und noch peinlicher, wenn mir jemand zuhört. Der Höhepunkt der Peinlichkeit ist erreicht, wenn Herrchen am Ende des Gesprächs, wo unsereins schon am Aufatmen war, an Frauchen übergibt: „Inge, Gerda möchte dich nochmal sprechen.“ Und dann spricht Gerda mit Inge, während sich Herrchen in den Kreis der stumm Kauenden einreiht. Mit Winken und Zeichensprache wird Margarine und Marmelade angefordert, und der Schwung, mit dem ich meinem Frühstücksei den Kopf abschneide, hätte gereicht, um ein Telefonkabel durchzuschneiden. Aber das haben diese blöden Dinger ja gerade nicht, diese schnurlosen Kommunikationsapparate, die in Sekunden die Kommunikation einer fröhlichen Frühstücksrunde erwachsener Menschen zerstören können. Ich hasse Handys.

Pfr. Dr. Theo Lehmann, Chemnitz

Kommentar

  1. Martin Koch

    Ja, das ist wirklich so! Da werden neben dem Essen gleich auch noch virtuelle Sachen (TiK-ToK, Insta, etc…) in groben Versatzstücken mitgekaut. Und dann ruft auch noch der Bruder an, der früher als einer selbst aufsteht… Und, und… Fazit: Handys weg vom Esstisch und auch den Fernseher aus. Bis jeder fertig hat. Zweites Fazit: Ab jetzt essen alle schneller, damit sie sich „nachher“ weiter in der elektronisch- virtuellen Welt verlieren können, die ja sovieles mehr und Lustigeres bietet als der schnöde Alltag… Also Router aus, bis jeder fertig hat, und 20 min. drüber….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Ich stimme zu

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..