Moderne Menschen und die Geschichte der Schildbürger.

Gute Beispiele für Dummheit oder Torheit, wie das Gegenteil von Weisheit eigentlich heißt – gute Beispiele für Torheit liefern die Geschichten von den Schildbürgern. Sie kennen sie ja sicherlich. Und diese Geschichten haben durchaus Tiefgang. Es beginnt schon einmal damit, warum die Schildbürger so dumm sind. Das hat genau mit dem zu tun, wovon ich gesprochen habe: Damit, dass Weisheit unbequem ist. Denn in Wahrheit waren die Leute der deutschen Stadt Schilda sehr, sehr gescheit. Aber das war unbequem. Von überall her kamen Ratsuchende, um die Bewohner um Hilfe zu bitten. In aller Herren Länder gingen die Männer aus Schilda, um ihren Dienst zu versehen. Einer war Baumeister in Pisa, der andere Gärtner bei Hofe in England und noch vieles mehr. Die Frauen in Schilda entbehrten ihre Männer und mussten doppelt so viel arbeiten. Die Kinder wurden ungezogener, weil keiner Zeit für sie hatte.
Da trafen die Leute von Schilda einen Entschluss: Wenn es so viele Nachteile bringt, klug zu sein, dann wollen wir doch lieber dumm sein. Wir sind so klug, dass wir uns sicher auch erfolgreich dumm stellen können. Dann will niemand mehr etwas von uns, wir können zu Hause bleiben und haben unsere Ruhe.

Nur der Lehrer hatte Bedenken. „Wer klug tut, wird davon noch lange nicht klug.“, sagte er. „Aber wer sich lange dumm stellt, wird vielleicht eines Tages wirklich dumm“. Die anderen lachten ihn aus. „Seht, es fängt schon an“, sagte er. „Was?“, meinte der Schmied neugierig. „Eure Dummheit“, rief der Lehrer. Da lachten sie ihn alle aus.

Hier sind wir ganz aktuell. Wir stellen uns dumm, damit wir unsere Ruhe haben. Wir ziehen uns zurück, damit uns die Nachbarn nicht nerven. Wir sagen, wir können das nicht, um nicht helfen zu müssen. Oder – heute das Hauptargument –: „Ich habe keine Zeit“, um das nicht zu müssen, was andere sich von mir wünschen würden. Wir machen in der Arbeit nur mehr Dienst nach Vorschrift, weil der Chef so nervt.

Ist nicht viel anders als sich dumm stellen, wenn wir uns ahnungslos, überarbeitet, gestresst stellen. Das alles gab es damals wie heute. Der Lehrer hat damals eine gute Frage gestellt: Kann man sich auf Dauer dumm stellen ohne dabei dumm zu werden? Kann man sich auf Dauer zurückziehen ohne verschroben zu werden? Kann man sich auf Dauer Blödsinn im Fernsehen ansehen, ohne selber davon angesteckt zu werden? Kann man auf Dauer nichts tun ohne vom geistigen Nichts ergriffen zu werden?

Nun ja: So sind die Leute von Schilda also freiwillig zu Toren geworden und haben das gleich zu Beginn beim Bau ihres neuen Rathauses bewiesen. Ein Rathaus wurde gebaut und eröffnet. Alle Einwohner gingen in das neue Gebäude hinein. Aber da stürzten sie wild durcheinander. Sie blickten einander ratlos an und riefen: „In unserm Rathaus ist es dunkel!“

Da stimmten alle zu. Aber woran lag es? Lange wussten sie keine Antwort. Dann bemerkten sie es. Es lag an den Fenstern. Auf die hatten sie vergessen.

Am Abend trafen sie sich im Wirtshaus. Sie besprachen, wie man Licht ins Rathaus hineinschaffen konnte. Erst nach dem fünften Glas Bier sagte der Hufschmied nachdenklich: „Wir sollten das Licht wie Wasser hineintragen!“ „Hurra!“, riefen alle begeistert.

Am nächsten Tag schaufelten die Schildbürger den Sonnenschein in Eimer und Töpfe. Andre hielten Kartoffelsäcke ins Sonnenlicht, banden dann die Säcke schnell zu und schleppten sie ins Rathaus. Dort banden sie die Säcke auf und schütteten das Licht ins Dunkel. So machten sie es bis zum Sonnenuntergang. Aber im Rathaus war es noch dunkel wie am Tag zuvor. Da liefen alle traurig wieder ins Freie.

Das ist dumm, natürlich. Aber nichts, was nicht auch heute ständig geschieht. Wir wollen Dinge einfangen, die sich nicht einfangen lassen. Wir wollen das Glück einfangen, in Säcke stecken und mit uns herumtragen. Dazu kaufen wir teure Autos, machen aufwendige Urlaube, dazu gehen wir dorthin, wo man uns sagt, dass es toll und schön und cool ist und dass dort die Party abgeht. Wir wollen das Glück portionsweise auf unserem Teller. Nur: Dass ist genauso dumm, wie das Licht einfangen zu wollen. Ich kann Zufriedenheit, Glückseligkeit nicht erkaufen oder erzwingen. Auch in der Religion, übrigens, ist es so. Wir wollen Gott bei uns, verfügbar, angreifbar. Nicht irgendwo fern. Wir tragen Ketterln, die uns Glück bringen sollen. Wir hängen Rosenkränze und Kreuze auf den Autospiegel und hoffen, dass dadurch Unfälle vermieden werden. Wir bauen Kirchen und Heilige Orte, als ob nicht Gott überall sein kann, vor allem in uns. Aber das ist unheimlich, dass wir ihn nicht verfügbar haben. Wir wollen auch Gott portionsweise auf unserem Teller. Das ist nicht weise, aber angenehm. Ich mache eine Wanderung auf dem Jakobsweg, dafür sind meine Sünden vergeben. Ganz klar, ohne Unsicherheit. So wollen wir Gott. Die Torheit macht es uns leicht. Die Weisheit entlarvt solche Tricks.

Sonnenlicht in Eimer packen, das sind auch Drogen. Da kaufe ich mir ein Stück Glück, ein Stück Vergessen, ein Stück heile Welt – jetzt sofort auf meinem Teller. Es muss verfliegen und eine noch größere Finsternis hinterlassen. (von einer Predigt)

Ein drastischer Vergleich für dein Leben: Ein Auto ohne Benzin. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Schieben oder Benzin beschaffen. Nur mit Treibstoff erfüllt das Auto seinen Zweck. So sieht das Benzin des Herrn aus:

„Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ ( Johannes 10,10)

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