Christopher Hitchens hat gesoffen wie ein Loch, geraucht wie ein Schlot und wohl auch gehurt wie ein Berserker. Ein Jahr nach seinem Ableben erscheint posthum sein Buch “Sterblichkeit”.

„In dem Buch des Atheisten kommt ein Gläubiger vor
So weit, so voraussagbar. Niemand, der Christopher Hitchens auch nur ein wenig kannte, hätte von diesem Mann erwartet, dass er kurz vor Torschluss konvertiert. Interessant ist aber, dass in seinem Buch auch ein Gläubiger vorkommt, den Hitchens in jeder Hinsicht vorbildlich findet: der Humangenetiker Francis Collins. Er gehört zu den Wissenschaftlern, die das menschliche Genom „sequenziert“, entschlüsselt, haben; gleichzeitig ist er ein frommer Christ.
Collins hat ein Buch veröffentlicht („Die Sprache Gottes“), in dem er die Genetik beinahe als Gottesbeweis deutet. „Er hatte die Freundlichkeit, mich in seiner Freizeit zu besuchen, und er hat verschiedene neue Behandlungsmöglichkeiten mit mir durchdiskutiert, die bis vor kurzem unvorstellbar waren“, schreibt Hitchens. Francis Collins habe ihn mit Gebeten verschont, und Hitchens habe nicht an seinem Glauben gerüttelt.
Nun ist „Sterblichkeit“ nicht das erste Buch, in dem ein Todgeweihter seine letzte Reise protokolliert; beinahe kann man von einem eigenen Genre sprechen, dem „Krebsbuch“. Nicht das schlechteste Beispiel für dieses Genre ist ein Essay, den Richard John Neuhaus im Jahr 2000 veröffentlicht hat. Neuhaus war beinahe das Gegenteil von Hitchens: kein Linker, sondern ein Konservativer, ein entschiedener Abtreibungsgegner, der zuerst protestantischer Pfarrer war und später zum Katholizismus konvertierte.
Er gab eine sehr ernsthafte Zeitschrift heraus – „First Things“ – in der amerikanische Konservative sich über die theologische Fragen austauschten. 1993 brach Pater Neuhaus mit Darmkrebs in einem weit fortgeschrittenen Stadium zusammen. Er wurde in die Notaufnahme eingeliefert, es folgte eine schwere Operation, und lange Zeit war nicht klar, ob er leben oder sterben würde. Richard John Neuhaus erholte sich und lebte dann noch bis 2009.
Es gibt ein Land der Gesunden und eines der Kranken
Wenn man den Essay des gläubigen Katholiken neben das Buch des Atheisten legt, fallen aber seltsamerweise nicht die Differenzen, sondern vor allem die Gemeinsamkeiten ins Auge. Beide beschreiben die Erniedrigung, die es bedeutet, dass ihnen etwas geschieht: „Nicht ich bekämpfe den Krebs“, sagt Hitchens an einer Stelle, „der Krebs bekämpft mich.“ (Gewiss, die Unterschiede: Pater Neuhaus singt, als er zum ersten Mal wieder ohne Katheter pinkeln kann, ein lautstarkes „Te Deum“. Das hätte Hitchens selbstverständlich nie getan.)
Beide beschreiben die hilflose Freundlichkeit ihrer Umgebung. Beide erzählen, dass es sozusagen zwei Länder gibt – das Land der Gesunden und jenes der Kranken –, und dass, wer auf einer Krankenbahre von der einen Zone in die andere verfrachtet wurde, sich schon bald kein anderes Leben mehr vorstellen kann.
Lässt sich aus alldem etwas lernen? Gewiss doch. Nämlich dies: Das ganze Gerede vom „würdigen Tod“ ist so viel wert wie der Inhalt einer Bettpfanne. Aller Phrasen entkleidet, lautet die nackte Wahrheit: Mit der tödlichen Krankheit bleibt jeder allein, und am Ende krepiert der Mensch wie ein Tier. Wenn es keinen Gott und keine Auferstehung gibt, da hat Christopher Hitchens schon recht, dann gibt es keinen Trost.“ www.welt.de/kultur/articl…eine-Leiche-gekettet.html

Kein Gott ist anscheinend wirklich keine Lösung. „Es gibt auch krankmachende Religionslosigkeit und einen ‚evolutionären Humanismus’, der die Würde des Menschen nicht achtet und seine Freiheit und Verantwortlichkeit leugnet. Auch der Atheismus kann intolerant werden, vor allem, wenn er sich mit dem Mantel der Wissenschaftlichkeit umgibt.“ (Hempelmann)

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