Der Lehrer Josias Niholonge wird aufgrund seines christlichen Glaubens erschossen. Die blutverschmierte Bibel des Opfers führt einen der Täter zum Glauben an Gott.

Wunderbare Bewahrung durch eine Bibel: Es sind ganz verschiedene Geschichten, die zu diesem Thema überliefert werden und die durchs Internet kursieren. Der Kern ist oft derselbe: Jemand geriet in einen Schusswechsel, doch eine Bibel in der Jackentasche hielt die Kugeln ab und er kam mit dem Leben davon. Sind die Berichte glaubhaft, dann passiert das immer wieder. Aus dem Ersten Weltkrieg gibt es verschiedene Storys dieser Art. Neuere Berichte erzählen im Jahr 2014 von einem Busfahrer aus Ohio und im Jahr 2019 von einem bolivianischen Polizisten. Oft stecken die Geschosse noch in der Bibel, und diese wird zu einem Zeugnis göttlicher Bewahrung. In der Ausgabe 1/2016 von Faszination Bibel haben wir ein solches Exemplar – aus der Schlacht von Verdun – im Foto dokumentiert. Doch nicht immer geht es so glücklich aus. Es gibt Bibeln, die eine andere Geschichte erzählen. Und auch so eine Bibel kann ein Zeugnis von Gottes Macht sein. Namibia, in den 1980er-Jahren. Josias Niholonge ist Lehrer in diesem Land. Er gehört zur Volksgruppe der Ovambo und spricht den Dialekt Kwanyama. Das Land wird seit den 1960er-Jahren von Südafrika kontrolliert. Die Bodenschätze machen es zu wertvoll, als dass man seine Eigenständigkeit akzeptieren möchte. Der Konflikt wird bald auch militärisch ausgetragen. Seit den 1970er-Jahren tobt der Unabhängigkeitskampf, maßgeblich getragen von Angehörigen der Ovambo. Südafrikanische Truppen greifen immer wieder Ziele auf namibischem Gebiet an. Hinzu kommen weitere Spannungen: Verschiedene Teile der namibischen Bevölkerung sollen gegeneinander ausgespielt werden. Südafrika fördert gemäßigte Kräfte im Land, um den Einfluss der Befreiungsbewegungen zu schwächen, die vom Exil aus operieren. Daraus resultieren innere Konflikte, so zum Beispiel zwischen Ovambo und anderen Volksgruppen, und es fließt Blut. Der christliche Einfluss im Land ist besonders auch im Kwanyama-Dialekt greifbar. Seit 1903 ist das Neue Testament in diese Sprache übersetzt, seit 1920 die ganze Bibel. Auch Josias Niholonge besitzt eine solche Bibel. Er ist Christ, verheiratet und hat Kinder. Auf den ersten Seiten seiner Bibel hat er den Namen seiner Frau, das Hochzeitsdatum und auch die Namen und Geburtsdaten seiner Kinder eingetragen. Josias Niholonge lebt in einem umkämpften Land, inmitten von Spannungsfeldern, und eines Tages wird daraus ganz buchstäblich ein Schussfeld, in das er gerät. Plötzlich steht er einer Gruppe von Bewaffneten gegenüber. Sie haben ihn als Christen identifiziert und sehen seinen Glauben als Verrat an ihrer Sache. Die Mündungen ihrer Waffen sind auf ihn gerichtet und Niholonge erkennt, dass er nicht lebend aus dieser Begegnung herauskommen wird. Er bittet darum, noch ein paar Worte an die Soldaten richten zu dürfen. Dann schlägt er seine Bibel auf und beginnt, die Worte aus Römer 8,31-39 zu lesen: „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und für uns eintritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: ‚Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.‘ Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ Zweifellos weiß Niholonge, auf welche Verheißung dieser Abschnitt aus dem Römerbrief zuläuft: dass keine Macht und auch der Tod nicht von Gottes Liebe trennen kann. Doch er kommt nicht dazu, bis zu Ende vorzulesen, was er auf den Seiten seiner Bibel vor sich sieht. Noch während er die Worte der Heiligen Schrift ausspricht, eröffneten die Soldaten das Feuer und Josias Niholonge ist tot. Jetzt trägt seine Bibel nicht nur die Namen seiner Familie handschriftlich auf den ersten Seiten, sondern auch die Spritzer seines eigenen Blutes auf den Seiten des Römerbriefs. Die Leiche des Lehrers ist für die Soldaten nur noch dazu gut, geplündert zu werden. Sie stehlen seine Wertsachen und verschwinden. Einer der Kämpfer jedoch kehrt noch einmal kurz um – und nimmt Niholonges Bibel an sich. Dieser Soldat hat schon lange den Wunsch nach einer eigenen Bibel. Als Kind hat er eine Missionsschule besucht und dort wurde sein Interesse am Buch der Bücher geweckt. Nun besitzt er eine. Aus Angst versteckt er sie jedoch – immerhin hat der vorherige Besitzer mit dem Leben für den Glauben bezahlt, für den dieses Buch steht. Abhalten vom Bibellesen lässt sich der Freiheitskrieger jedoch nicht. Es wird berichtet, dass die Worte der Heiligen Schrift ihn treffen. Sein Gewissen ist geweckt. Die Bibel des toten Lehrers spricht. Einmal wühlen ihre Worte den Soldaten so auf, dass er sie ins Feuer wirft – um sie kurz danach wieder herauszuholen. Nun ist sie nicht nur von Blut gezeichnet, sondern auch von Brandspuren. Ob es allein die Bibel ist, die den Kämpfer zur Flucht bewegt, oder ob andere Gründe mitspielten, wissen wir nicht. Jedenfalls setzt er sich eines Nachts von seiner Truppe ab und flieht über die Grenze. Er trifft auf einen christlichen Missionar und vertraut sich ihm an. So erfährt er von der Möglichkeit, durch das Kreuz von Christus Vergebung zu empfangen. Nach ihr streckt er sich aus. Der Bericht bleibt ein wenig in der Schwebe, ob der Soldat den Schritt, den Glauben anzunehmen, wirklich tut oder ob es bei der Suche nach Vergebung bleibt. Immerhin muss der Austausch mit dem Missionar so tiefgehend gewesen sein, dass seine Geschichte bis heute überliefert ist. Eins jedenfalls tut der Prediger: Er schenkt dem Soldaten eine neue, unversehrte Bibel im Tausch für die beschädigte. Und damit geht Josias Niholonges Bibel auf die letzte Etappe ihrer Reise. Es ist eine Ausgabe auf Kwanyama, herausgegeben von der Südafrikanischen Bibelgesellschaft , und dieser Bibelgesellschaft wird sie übergeben. Sie findet ihren Platz im Bibelhaus von Kapstadt. Und dort spricht sie weiter: Nachdem Josias Niholonge Gottes Wort aus ihr empfangen hat, nachdem sie zu seinem Mörder geredet hat, erzählt sie ihre Geschichte jedem, der sie in Kapstadt betrachtet – und allen, die seitdem davon lesen, was mit diesem Buch passiert ist.

Kein Projektil steckt in ihren Seiten. Sie hat niemanden vor dem Tod bewahrt, wie es die eingangs erwähnten Bibeln taten. Doch ihre Blutspritzer erzählen von der Glaubenstreue ihres Besitzers. Sie sprechen davon, dass ein namibischer Christ im Angesicht des Todes nichts Besseres zu tun wusste als Worte über Gottes Liebe aus ihr vorzulesen. Und ihre Brandspuren erzählen davon, dass Gottes Wort ins Herz zu treffen vermag. Die Bibel, die ins Feuer geworfen wurde, wurde selbst zum Feuer und hat so Gottes Verheißung eingelöst: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“ (Jeremia 23,29). Oder hat diese Bibel doch Menschen vor dem Sterben bewahrt? Mit dieser Frage endet der Bericht der Südafrikanischen Bibelgesellschaft über Josias Niholonges Bibel. Denn wenn es tatsächlich Gottes Wort war, das den Soldaten dazu bewegte, die Waffen abzulegen – wer weiß, wie viele Menschen seitdem nicht durch seine Kugeln starben, weil er mit dem Schießen aufgehört hat? Wenige Verse vor den Worten, die der Lehrer las, als er starb, findet sich diese Verheißung: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten dient, ihnen, die nach seiner freien Entscheidung berufen sind“ (Römer 8,28). Die blutbespritzte Bibel gibt dazu ihren eigenen Kommentar: Mag sein, dass für Josias Niholonge selbst nicht „alles zum Guten diente“ – zumindest nicht in irdischer Perspektive. Er fand den Tod. Doch daraus konnte Gutes entstehen. Davon redet seine Bibel bis heute.- Werbung –

Dr. Ulrich Wendel ist Chefredakteur von Faszination Bibel

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