Der mutige Streckenwärter. Eine atemberaubende Geschichte.

Die Eisenbahnlinie Narvik – Stockholm durchfährt eine auf weite Strecken einsamste und völlig unbewohnte Teile des Landes. Dort lebte vierzig Kilometer weit vom nächsten Dorf entfernt, der Streckenwärter Larsen mit seiner jungen Frau. Vor dem Tag, an welchem sich ein eigenartiger Zwischenfall abspielte, hatte es in der Gegend wochenlang geschüttet und zwar so heftig, dass von fast allen Orten Überschwemmungen gemeldet wurden.

Doch die Entfesslung der Elemente berührte Larsen weit weniger als die Tatsache, dass seine geliebte Frau einem freudigen Ereignis entgegensah. Nun wollte aber ein unglücklicher Zufall, dass ihre Wehen verfrüht einsetzten. Da aber kilometerweit im Umkreis keine ärztliche Hilfe zu finden war und der Wärter seinen Posten ausserdem nicht verlassen durfte, schien eine Katastrophe über das kleine Blockhaus hereinzubrechen. Larsen hörte Marias Schmerzensschreie, rote Ringe flimmerten vor seinen Augen. Er sah auf seine Uhr. In drei Minuten musste der Expresszug kommen. Da kam ihm plötzlich ein verzweifelter Gedanke. Er stürzte noch einmal in Marias Zimmer und schrie:”Gott wird uns helfen,”lief dann in den Dienstraum und gab, am ganzen Leib zitternd, dem Luxuszug das Haltesignal. Sobald die Lokomotive am Horizont sichtbar wurde, bedeckte Leichenblässe sein verstörtes Antlitz und wie im Traum vernahm er das tosende stoppende Zischen der gleissenden Maschine. Krebsrot im Gesicht sprang der Zugführer aus dem ersten Wagen. “Was ist los!”; schrie er Larsen an. Seine Augen vergrösserten sich .” Wie? Was? Du suchst einen Arzt? Deine Frau ist krank…Ja ,bist du denn wahnsinnig, du Narr! Deshalb wagst du den den Express auf offener Strecke zu stoppen ? Oh, man wird dich von deinem Posten jagen, wenn ich Meldung erstatte. Larsen erhob beschwörend seine Hände :” Tun Sie ,was Sie wollen,”stotterte er flehend, nur lassen Sie mich durch die Waggons laufen und nach einem Arzt suchen!” Seine Züge drückten einen Schmerz aus, wie er grösser nicht mehr sein konnte. Selbst der zornige Zugführer verspürte eine menschliche Regung und zuckte gleichsam einwilligend die Achseln. “Versuch´s,”, brummte er, aber ich muss Meldung erstatten.” Bebend und keuchend wankte Larsen durch die Waggons. Er hatte kaum Atem um in jedes Abteil hinein zu fragen : “Verzeihen Sie bitte ist hier vielleicht ein Arzt?” Er sah nur neugierige, befremdete Gesichter. Endlich erhob sich im letzten Waggon ein junger Mann und rief. “Jawohl, ich bin Arzt, was ist denn los?” Oh ,Herr, “stöhnte Larsen mit tränenüberstömten Gesicht und fiel vor dem Fremden beinahe in die Knie, “drüben im Blockhaus, da stirbt meine Frau, an ihrem ersten Kind, wenn Sie nicht gleich mitkommen und ihr helfen!” Der junge Schweizer Arzt Heinz Martin hatte in seiner Praxis zwar schon viel Ungewöhnliches erlebt aber dass man ihn auf offener Strecke in einem fremden Land aus dem Expresszug holen würde, um ihn in einem verlassenen Blockhaus Hebamme spielen zu lassen, das hätte er sich nicht träumen lassen. “Weinen Sie nicht, “beruhigte er den furchtbar erregten Mann, vielleicht ist noch nicht alles verloren.” Und er folgte Larsen ins Blockhaus. Und eine halbe Stunde später waren Frau Maria und das Kind gerettet. Aber das war nicht alles. Als nämlich Larsen gerade dabei war, den jungen Arzt mit Dank zu überschütten, da klingelte das Diensttelefon, und ins Ohr gellte die Stimme des Stationschefs von Lula: “Úm Himmels willen, ist der Express schon bei ihnen vorbei ? “Wie? Sie haben ihn angehalten? Welch ein Glück! Zehn Kilometer von ihnen ist der Bahndamm durch die fortwährenden Regengüsse unterspült worden. Es bestand Gefahr einer Katastrophe. Welch ein Glück, Larsen, welch ein Glück!” Niemand ausser dem Arzt und dem Zugpersonal erfuhr, in welch entsetzlicher Gefahr der Express geschwebt hatte. P. H

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