Ein Insider und Journalist über den moralaischen Niedergang der USA.

„Ich wohnte in New York und bangte mit Amerika, als seine Metropolen im Oktober 1962 während der Kubakrise in akuter Gefahr waren, atomar ausgelöscht zu werden. Ich war dabei, als die Amerikaner – vor allem auch die Weissen – mit Martin Luther King die vollen Bürgerrechte für Schwarze erstritten. Ich klagte mit ihnen, als Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 ermordet wurde und eilte sofort nach Dallas, um diese Tragödie für die Zeitungen des Axel-Springer-Verlages zu schildern.

Aber im selben Jahr 1963 erlebte ich eben auch den Beginn der Metamorphose dieser sympathischen, jugendlichen Weltmacht zu der kranken Nation, die jetzt auf gespenstische Weise die warnenden Worte ihres zweiten Präsidenten John Adams (1736-1826) zu bestätigen droht: „Eine Demokratie währt nie lange. Schnell beginnt sie zu siechen. Sie erschöpft sich und bringt sich um. Es hat noch nie eine Demokratie gegeben, die keinen Selbstmord beging.“ Wie sich dieser Wandel vollzog, werde ich weiter unten skizzieren. Dass Amerikas Demokratie siecht, ist jedoch unübersehbar. Davon zeugt unter anderem, dass selbst bibeltreue Christen dem pöbelnd an niedrigste Instinkte appellierenden Milliardär Donald Trump nachlaufen wie die Kinder von Hameln dem legendären Rattenfänger, der mit leeren Sprüchen den Bürgern der Stadt versprach, sie von Nagetieren zu befreien.

Der prominente Baptistenpastor Robert Jeffress aus Dallas steht zu Trump. Jerry Falwell junior, Kanzler der Liberty University in Virginia, unterstützt ihn; seine Hochschule ist die größte christliche Universität der Welt. Jetzt gesellte sich ihnen auch Trumps bisheriger Gegenkandidat Ben Carson hinzu, ein brillanter und honoriger Gehirnchirurg, über dessen adventistische Kirche Trump sich eben noch lustig gemacht hatte.

Prominente Evangelikale wie diese drei stören sich nicht daran, dass New Yorker Immobilientycoon noch bis vor kurzem für die brutalste Form der Abtreibung eingetreten war und nach wie vor seinen Zuhörern mitteilt, er habe Gott nie um Vergebung bitten müssen. Es ficht sie nicht an, wenn er vor Millionen Fernsehzuschauern mit der Größe seines Geschlechtsteils protzt, während zur gleichen Stunde europäische Bildschirme das gigantische Flüchtlingselend zeigen, das unter anderem die Folge der gedanken- und verantwortungslosen Nahostpolitik der jetzigen Regierung in Washington ist. Trump giftet gegen Mexiko, China, Japan und Indien, droht diesen Ländern mit einem Handelskrieg, und die Massen kreischen hysterisch, wie sie dies nun einmal bei „Bewegungen“ tun, und eine „Bewegung“ erleben wir hier gerade. Trump sagt es selbst. Einem Deutschen meiner Generation versetzt diese Vokabel eine Gänsehaut.

Angesichts der Demagogie Trumps bemerkte Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto: „So kam Mussolini an die Macht, so kam Hitler an die Macht.“ Trump hat angekündigt, dass er entlang der 3.000 Kilometer langen Grenze zu Mexiko auf dessen Kosten eine Mauer gegen illegale Einwanderer bauen werde. Mexiko, der Haupt-Buhmann der Polemik dieses milliardenschweren republikanischen Kandidaten aus New York, ist wohlgemerkt mit den USA und Kanada in der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA verbunden. Aber der Milliardär aus New York spricht über Mexiko in einem Ton wie einst die Nationalsozialisten über Polen, womit er sich US-Wähler lateinamerikanischer Provenienz zu Gegnern macht.

Ich behaupte gewiss nicht, dass er ein amerikanischer Hitler oder Mussolini wäre; ihm eine Nähe zu Kriegsverbrechern und Völkermördern zu rücken, wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverantwortlich und verleumderisch. Gleichwohl graut mir bei dem Gedanken, dass in unserer volatilen Zeit ein Rambo wie er als oberster Befehlshaber der US-Streitkräfte mit dem Finger am Atomknopf im Weißen Haus residieren könnte. Mehr noch treibt mich aber zunächst die Frage über dem Gemütszustand der Menschen in meiner Wahlheimat USA um: Diese Nation war auf dem Nährboden christlicher Werte gewachsen; wie konnte es geschehen, dass ihre Massen jetzt einem vermeintlichen Erlöser auf den Leim gehen, der ihnen nur leere Gemeinplätze zuruft wie: „Wir werden Amerika wieder gross machen“? Welche Exzesse an unverantwortlicher Wirtschaftspolitik, sinkendem Lebensstandard, und Hoffnungslosigkeit haben sie dazu getrieben – welch’ elender Snobismus sogenannter Eliten, welch’ institutionalisierte Perversion, welch’ seelentötende Macht der politisch-korrekten Ersatzreligion; welche Gewalt einer staatlich und juristisch verordnete Abkehr von seit vielen Generationen internalisierten Wahrheiten, die im Naturrecht verankert sind, welches Gott jedem Menschen ins Herz geschrieben hat?

Sie tun mir unendlich leid, diese braven, zumeist weißen Arbeiter, Angestellten und kleinen Beamten, diese im Grunde herzensguten Menschen, die sich jetzt dagegen aufbäumen, was sie als ein Quodlibet des Irrsinns wahrnehmen, der ihren einst friedlichen Alltag seit Jahrzehnten zur Vorhölle macht: die abstruse Allianz männerhassender Femifaschistinnen und erotisch Andersorientierter, verkorkster Gesellschaftsveränderer, ichsüchtiger Hassprediger, gieriger Kapitalzocker, linker Lehrer, geist-, rat- und tatenloser Parteibosse und Abgeordneter, die offensichtlich nur ihre eigenen Positionen im Kopf haben.

Ebenso verstehe ich den Zorn, der andererseits viele hunderttausend junge Menschen dem 74 Jahre alten Marxisten Bernie Sanders in die Arme treibt, der seine Flitterwochen in der Sowjetunion verbracht hat, aus der er, wie Senator Lindsey Graham lästerte, „nie wieder zurückgekehrt ist.“ Was wissen sie, die nach vier teuren und oft nutzlosen Collegejahren hunderttausend Dollar an Studiengebühren schulden und hernach keine angemessene Stelle finden, von der blutigen Geschichte kommunistischer Despoten? Was von Stalin und seinen Gulags? Was von Mao, der ungleich mehr Leben auf dem Gewissen hatte als Hitler? Was von Pol Pot, dessen Khmers Rouges ein Drittel des kambodschanischen Volkes erschlug, verhungern liess, zu Tode quälte und Krokodilen zum Fraß vorwarf? Sie haben’s nie gelernt. Ihre Lehrer waren grossenteils selbst Linke, und wer bei ihnen gute Zensuren erwerben wollte, musste so tun als wäre er selbst ein linientreuer Sozialist und glaubte nicht an Gott. Die Lehrkörper amerikanischer Hochschulen sind vielfach schon seit den Dreissigerjahren glaubensfeindlicher als in Europa bekannt.“ /www.linkedin.com/pulse/u…tes-land-uwe-siemon-netto

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