Ein Mathematikprofessor und Wissenschaftsphilosoph verteidigt die Weihnachtsbotschaft.

Einen so offensiven Streit zwischen Atheisten und Christen hat es seit
Jahrzehnten nicht mehr gegeben: Der britische Evolutionsbiologe Richard
Dawkins startete in diesem Jahr mit dem Buch „Der Gotteswahn“ zum
Kreuzzug gegen die Religion. Einer seiner engagiertesten Widersacher
ist Dawkins’ Landsmann, der Mathematikprofessor und
Wissenschaftsphilosoph John Lennox (Oxford).

In den USA hatte er ein weit beachtetes öffentliches Streitgespräch mit
dem Atheisten. Im Gespräch mit idea-Reporter Marcus Mockler erläutert
Lennox, warum die biblischen Wunder intellektuell kein Problem
darstellen und was aus christlicher Sicht von Dawkins’ Thesen zu halten
ist.

idea: Herr Prof. Lennox, fangen wir doch gleich mit einem großen
“Weihnachtsärgernis“ an: Die Bibel sagt, Jesus Christus sei von der
Jungfrau Maria – also ohne Beteiligung eines Mannes – geboren. Für
viele Intellektuelle ist diese Aussage eine Zumutung. Für Sie als
Naturwissenschaftler auch?

Lennox: Nein. Die Kritik daran stammt im Wesentlichen aus der Zeit
der Aufklärung. Die jungfräuliche Empfängnis widerspreche den
Naturgesetzen, hieß es. Das scheint mir aber ein Missverständnis zu
sein. Naturgesetze beschreiben, was geschieht, sind aber selbst keine
Ursachen.

Zum Vergleich: Die Bewegungsgesetze beschreiben, wie sich eine
Billardkugel über den Tisch bewegt, beantworten aber nicht die Frage,
wer die Kugel angestoßen hat. Bei Wundern greift also eine Macht von
außerhalb des Systems ein und stößt etwas an – zum Beispiel die
Entstehung des Kindes in Maria.

Intellektuell gesehen ist das kein Problem, wenn es einen Schöpfergott
gibt. Gott hat sich, informationstechnisch gesprochen, in Maria
einkodiert. Der Prozess selbst lief dann aber ganz nach den
Naturgesetzen ab, und nach neun Monaten wurde ein Kind geboren.

Zeugen für die Auferstehung

idea: Im Gesamtzeugnis des Neuen Testamentes spielt der Hinweis, dass
Maria als Jungfrau schwanger wurde, nur eine untergeordnete Rolle …

Lennox: … aber das liegt nicht daran, dass die Autoren nicht
daran geglaubt hätten, sondern weil das als Beleg für seine
Gottessohnschaft in der Verkündigung schwerer zugänglich ist. Die
Jünger und Apostel haben nicht überall erzählt, Jesus sei der Sohn
Gottes, weil er von einer Jungfrau geboren wurde. Sondern sie haben
verkündigt, er sei Gottes Sohn, weil er von den Toten auferstanden ist.
Für diese Auferstehung gab es viele Zeugen, damit ließ sich in der
Öffentlichkeit besser argumentieren.

idea: Es gibt kaum einen Theologieprofessor im
deutschsprachigen Europa, der die neutestamentlichen Berichte der
Jungfrauengeburt ernst nimmt. Kann man sie Ihrer Ansicht nach guten
Gewissens verteidigen?

Lennox: Das kann man, aber gerade die Weihnachtsgeschichte
zeigt uns, dass es manchmal ausgerechnet die Pfarrer und Theologen
sind, die nicht an Wunder glauben. Denken Sie an Zacharias, den Vater
Johannes des Täufers. Zacharias war kein Atheist, sondern er versah
gerade als Priester seinen Dienst, als ihm ein Engel die Geburt des
Kindes ankündigte.

Ungläubig sagte er, seine Frau und er wären dafür zu alt. An Engel glaubte er offensichtlich – aber an ein Wunder Gottes nicht.

Was kaum bewusst ist: Lukas war Naturwissenschaftler!

idea: Also ist nicht nur der Umstand von Jesu Empfängnis ein Wunder, sondern auch die von Johannes dem Täufer?

Lennox: Genau. Und das lesen wir ausgerechnet bei Lukas – dem einzigen
Naturwissenschaftler unter den neutestamentlichen Autoren. Lukas war
bekanntlich Arzt.

idea: Und was sagen Sie zur Vermutung, dass Maria eben doch durch einen Mann schwanger wurde?

Lennox: Lukas’ Indizien sprechen deutlich dagegen. Bei ihm lesen
wir, dass Maria für drei Monate zu Elisabeth reiste, die gerade mit
Johannes schwanger war. Irgendwann in dieser Zeit muss auch Maria
schwanger geworden sein, denn Elisabeth sagt zu ihr: „Gepriesen ist die
Frucht deines Leibes“.

Nun stellen Sie sich vor: Wenn Maria vor ihrer Reise zu Elisabeth etwas
mit einem Mann gehabt hätte – wäre sie dann für drei Monate verreist?
Hätte sie nicht spätestens nach Feststellung ihrer Schwangerschaft
alles getan, um schnell verheiratet zu werden, damit keine „Schande“
über sie kommt? Stattdessen verbringt sie ein Vierteljahr bei der sehr
frommen Frau Elisabeth. Das kann sie nur tun, weil sie sich keiner
Schuld bewusst ist. Das Kind ist von keinem Mann!

Persilschein für Atheismus?

idea: Kommen wir zu der Person, die derzeit weltweit am
offensivsten den Atheismus propagiert: Richard Dawkins,
Evolutionsbiologe und ein Landsmann von Ihnen. Manche sagen, er ist ein
ehrlicher Gotteszweifler, andere halten ihn für einen
fundamentalistischen Atheisten. Wie sehen Sie ihn?

Lennox: Meiner Ansicht nach ist er ein Fundamentalist, und zwar
in dem Sinn, dass er die Beobachtungen und Indizien, die seiner Sicht
der Dinge widersprechen, einfach nicht ernst zu nehmen scheint. Er
macht zum Beispiel die Religionen verantwortlich für die Kriege in
dieser Welt.

Das ist eine Halbwahrheit – einige Religionen sind verantwortlich.
Andererseits hat sich ein falsches Verständnis vom christlichen Glauben
hier ebenfalls schuldig gemacht. Denn Jesus hat das Schwert verboten.
Im gleichen Atemzug sagt Dawkins aber, der Atheismus habe noch nie
einen Krieg verursacht.

Stalin, Hitler, Mao, Pol Pot – deren Verbrechen haben angeblich nichts
mit dem Atheismus zu tun. Über diese Sicht von Dawkins habe ich neulich
in Polen gesprochen. Die Leute haben gelacht und gesagt, wenn er so
denkt, braucht man über ihn eigentlich nicht mehr zu diskutieren.

idea: Hat Dawkins denn in allem Unrecht?

Lennox: Nein. Gut finde ich beispielsweise, dass er an Wahrheit
glaubt. Gegen die relativistische Ansicht, es gebe keine Wahrheit, sagt
er, man könne die Wahrheit erkennen. Und ich halte es auch für
berechtigt, dass er Indizien für die Wahrheit verlangt und einen
blinden Glauben ablehnt.

Unseriöse Informationen

idea: Aber er lässt doch gar keine Indizien gelten, die für den Glauben sprechen …

Lennox: … und das ist sein großes Problem. Unlauter finde ich, wie er
mit dem Neuen Testament umgeht. Er bezieht seine Informationen
teilweise nicht von Experten. Beispielsweise behauptet er, Jesu
Botschaft ziele ausschließlich auf das jüdische Volk ab – was nicht
stimmt.

Aber diese Information hat Dawkins von einem Mediziner, keinem
Bibelexperten. Ich habe ihn deshalb in meiner Debatte mit ihm gefragt,
was er davon hielte, wenn ich mich zum Thema Evolutionsbiologie von
einem Bauingenieur informieren ließe. Es ist klar, dass er das
unangemessen fände. Also, er nimmt als Wissenschaftler die Bibel
einfach nicht ernst genug.

Intelligentes Design

idea: In den vergangenen Jahren ist weltweit verstärkt über
„Intelligentes Design“ diskutiert worden – dass also eine göttliche
Kraft die Entwicklung des Lebens gesteuert haben muss, weil das Leben
zu kompliziert ist, um sich alleine durch zufällige Mutationen und
natürliche Auslese so hoch entwickelt zu haben. Wie stehen Sie dazu?

Lennox: Der Begriff „Intelligentes Design“ ist aufgrund seiner
Bedeutungsveränderung fast sinnlos geworden. Ursprünglich verband sich
damit die berechtigte Frage: Kann man naturwissenschaftlich (!) Spuren
einer intelligenten Kraft im Weltall erkennen? Inzwischen wird
„Intelligentes Design“ oft als verkappter Kreationismus wahrgenommen.

Manche tun so, als würden alle Forscher des „Intelligenten Designs“ an
eine Sechs-Tage-Schöpfung glauben. Das ist zwar nicht so, aber der
Begriff ist wegen eventuellen Missverständnissen fast unbrauchbar
geworden.

Ein Ergebnis der Evolution?

idea: Was sagen Sie nun als Naturwissenschaftler: Kann man eine intelligente Kraft im All erkennen?

Lennox: Ja. Alleine die Tatsache, dass wir Naturwissenschaft
betreiben können, setzt das voraus. Dass ein Astronom über das All
nachdenken und mathematische Berechnungen anstellen kann, mit denen er
Dinge voraussagt – dieser intellektuelle Prozess wäre ohne Wirken einer
intelligenten Kraft nicht denkbar. Wenn unsere Gedanken wirklich nur
das Produkt biochemischer Prozesse im Gehirn wären und unsere
Denkfähigkeit das Ergebnis eines blinden Evolutionsprozesses – warum
sollten wir den so erzeugten Theorien Glauben schenken?

idea: Sehen Sie noch ein weiteres Argument für das Wirken einer intelligenten Kraft?

Lennox: Ja, die Regelmäßigkeiten im All und in der Natur; die
„Herrlichkeit des Universums“ ist Wegweiser zu Gott – und zwar zu allen
Zeiten auf allen Kontinenten. Auch wenn wir Gott in einem
mathematischen Sinn nicht beweisen können, so ist doch die Schöpfung
ein Indiz für das Wirken des Schöpfers. Die Begründer der modernen
Naturwissenschaft – Galileo, Kepler, Newton – waren alle gläubige
Leute. Ihr Glaube war kein Hindernis, sondern Motor für ihre Forschung.

Der Ursprung des Lebens

idea: Manche kritisieren das „Intelligente Design“ mit dem Argument,
man suche ja nur einen Lückenbüßer für Dinge, die man noch nicht
erklären könne. Hat man erstmal eine Erklärung, braucht man auch Gott
nicht mehr. Was denken Sie?

Lennox: Wenn Gott ausschließlich als Lückenbüßer herhalten
müsste, wäre das natürlich falsch. Das Problem mancher
Naturwissenschaftler ist doch aber: Sie sagen, sie haben einen
Mechanismus gefunden, wie etwas funktioniert – also gibt es keinen
Gott. Das aber ist philosophisch gesehen ein Kategorienfehler. Denn die
Existenz eines Mechanismus kann nicht als Beleg dafür genommen werden,
dass es niemanden gibt, der den Mechanismus erfunden hat. Den Ursprung
des Lebens kann eine materialistische Evolutionstheorie bis heute nicht
befriedigend erklären.

idea: Haben Forscher wie der Genetiker Richard Lewontin (Harvard) nicht
recht, wenn sie sagen, dass sie als Wissenschaftler „keinen göttlichen
Fuß in der Tür“ gestatten können? Schließlich müssen sie doch
natürliche Ursachen suchen, anstatt die Forschung aufzugeben und zu
sagen: Für dieses unerklärliche Phänomen ist der große, unsichtbare,
intelligente „Designer“ – also Gott – zuständig.

Lennox: Wenn Naturwissenschaftler die Naturwissenschaft so definieren,
dass sie ausschließlich „natürliche“ Erklärungen finden, dann ist
folgender Hinweis erforderlich: Sie können nicht kategorisch
ausschließen, dass auch außerhalb dieser Mechanismen und Prinzipien
etwas wirkt, wovon sie Zeugen sind. Eine göttliche Kraft können sie
nicht ausschließen.

Warum an Christus glauben?

idea: Viele Naturwissenschaftler glauben ja auch an Gott – wie
die beiden diesjährigen deutschen Nobelpreisträger Gerhard Ertl
(Chemie) und Peter Grünberg (Physik). Aber damit muss man ja noch lange
nicht an Jesus Christus glauben. Warum überzeugt Sie der christliche
Glaube mehr als beispielsweise der muslimische?

Lennox: Als Naturwissenschaftler kann man Gottes Kraft und
Macht im Universum erkennen. Dass er der Vater von Jesus Christus ist,
können wir naturwissenschaftlich nicht ableiten. Wir brauchen hier
andere Belege – aus der Geschichte und aus der Erfahrung. Christ bin
ich einerseits, weil die Auferstehung von den Toten belegt, dass Jesus
Christus Gott ist. Und andererseits, weil er etwas anbietet, was ich
sonst nirgendwo bekomme: nämlich ein persönliches Verhältnis zu Gott
selbst.

Grundproblem der Menschen

Das Grundproblem der Menschheit – Schuld und Vergebung – löst Jesus
Christus am Kreuz. Das ist einzigartig. Wenn es einen Gott gibt, der
heilig ist – wie stehe ich zu ihm? Auf diese Frage geben die Religionen
sehr unterschiedliche Antworten, während sie auf ethischem Gebiet
teilweise große Gemeinsamkeiten haben. Wie man zu einem Verhältnis zu
Gott kommt, das bietet Jesus Christus einzigartig an, weil er schon
diesem Leben Vergebung der Sünden ermöglicht für diejenigen, die ihn
als Herrn bekennen. Deshalb bin ich Christ.idea.de

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