Glücks-Inflation ist ausgebrochen

In den Medien ist eine Glücks-Inflation
ausgebrochen. Unmittelbar hintereinander erschienen nun: Ein
Fernsehmagazin mit dem Titelthema „Die neue Glücks-Formel“, ein
Nachrichtenmagazin mit dem Titelthema „Was Glück ist“, ein
Konkurrenzprodukt mit dem Titelthema „Glück, selbst gemacht“. Und von
Platz Eins der Sachbuchbestsellerliste lächelt glückstrunken der
Laienkabarettist Eckart von Hirschhausen mit der Gute-Laune-Fibel
„Glück kommt selten allein.“
Von welcher Art ist das
Glück, das öffentlich feilgeboten wird? Es ist eine Technik („Hacken,
säen und genießen“, Focus), ein gutes Gefühl nach getaner Arbeit
(Spiegel) oder gleich ein „Besser-drauf-sein“ nach ausreichend Schlaf,
Bewegung und mit genug Serotonin im Körper (Gong). Nicht das gelungene
oder gute Leben, dem nichts Wesentliches fehlt, wird hier angestrebt
(so der spätantike Philosoph Boetius), keine „Vollendung in Hinsicht
auf die Tugend“.
Wer nach seinem eigenen Glück strebt
und es vor allem im eigenen Körper vermutet, mag ruhig weiter danach
suchen. Wenn aber aus den Körpertechniken fürs Einzelwesen eine
Gruppenmoral zu werden droht, betrifft das die ganze Gesellschaft: Man
hätte eben rechtzeitig Vorsorge treffen müssen gegen seine Trauer,
hätte mehr Nüsse knabbern oder mehr schlafen müssen oder mehr von
Hirschhausen lesen.
Hermann Burger, der sein Leben
leider sehr unglücklich zu Ende brachte, hat gesagt: „Nirgendwo steht
verbrieft, der Mensch habe ein Anrecht auf ein Quäntchen Glück.“ Wer
das Gegenteil behauptet, treibt dem Unglück neue Knechte zu.
(Boetius
hat übrigens, wie ich gerade gelesen habe, das Glück schlicht mit Gott
identifiziert, weil es ein Moment des Unendlichen hat: „Dies ist aber
das Gute, nach dessen Erreichung niemand etwas Weiteres zu ersehnen
vermag – jedes menschliche Glück bleibt unvollkommen und behält daher
die Sehnsucht nach mehr) (gedanken von alexander kissler).

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