Heute vor 110 Jahren starb der Schriftsteller Karl May.

Die religiöse Überzeugung seiner Pro­tago­­nisten spielt für Karl May fast immer eine Rolle. Gelegentlich gibt er auch die Bekehrung einer vorher ablehnenden oder gleichgültigen Person wieder. Im dritten Band seines Romans „Old Surehand“ beschreibt Karl May die letzten Stunden des hartherzigen und gottlosen Verräters Old Wabble (Fred Cutter). Obwohl er von ihm aus übelste beschimpft worden war, wendet sich Old Shatterhand dem hartgesottenen Rassisten und Indianerhasser zu, um ihm Gott nahe zu bringen und einen Weg zur Vergebung seiner Schuld aufzuzeigen.

Old Wabble: „[…] Giebt es einen Gott?“

Ich legte ihm die Hand auf die Stirn und antwortete:

„Ich schwöre nie; heut und hier schwöre ich bei meiner Seligkeit, dass es einen Gott giebt!“

„Und ein Jenseits, ein ewiges Leben?“

„So wahr es einen Gott giebt, so wahr auch ein Jenseits und ein ewiges Leben!“

„Und jede Sünde wird dort bestraft?“

„Jede Sünde, welche nicht vergeben worden ist.“

„Oh Gott, oh Allerbarmer! Wer wird mir meine vielen, vielen, schweren Sünden vergeben? Könnt Ihr es thun, Mr. Shatterhand; könnt Ihr?“

„Ich kann es nicht. Bittet Gott darum! Er allein kann es.“

„Er hört mich nicht; er mag von mir nichts wissen! Es ist zu spät, zu spät!“

„Für Gottes Liebe und Barmherzigkeit kommt keine Reue zu spät!“

„ […] Ich habe Gott geleugnet und über ihn gelacht; ich habe gesagt, dass ich keinen Gott brauche, im Leben nicht und im Sterben nicht. Ich Unglücklicher! Ich Wahnsinniger! Es giebt einen Gott; es giebt einen; ich fühle es jetzt! Und der Mensch braucht einen Gott; ja er braucht einen! Wie kann man leben und wie sterben ohne Gott! […] Hilfe – – – Gnade – – Gnade – – Gna – – -!“ […]

„Die Hüte ab, Mesch’schurs!“ bat ich. „Wir stehen vor einem hehren, heiligen Augenblick: Ein verlorener Sohn kehrt jetzt zurück ins Vaterhaus. Betet, betet, betet, dass der Inbegriff aller Liebe sich seiner erbarme, jetzt in dieser schweren, letzten Minute und jenseits in der Ewigkeit!“ […]

Da schlug Old Wabble die Augen auf und richtete sie auf mich. Sein Blick war klar und mild, und seine Stimme klang zwar leise doch deutlich […]

Da legte er die unverletzte Hand in diejenige des gebrochenen Armes, faltete beide und sagte:

„So will ich denn gern beten, zum ersten und zum letzten Mal in diesem meinem Leben! Herrgott, ich bin der böseste von allen Menschen gewesen, die es gegeben hat. Es giebt keine Zahl für die Menge meiner Sünden, doch ist mir bitter leid um sie, und meine Reue wächst höher auf als diese Berge hier. Sei gnädig und barmherzig mit mir, wie meine Mutter es im Traume mit mir war, und nimm mich, wie sie es that, in Deine Arme auf. Amen!“

[…] Was für ein sonderbares Geschöpf ist doch der Mensch! Welche Gefühle hatten wir noch vor wenigen Stunden für diesen nun Verstorbenen gehabt! Und jetzt stand ich so tief berührt vor seiner Leiche, als ob mir ein lieber, lieber Kamerad gestorben sei! Seine Bekehrung hatte alles Vergangene gut gemacht.“ (M. Kotsch/Bibelbund.de)

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