Interview mit Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter: Was kennzeichnet postmodernes Denken?

Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter, Mitglied der Fortsetzungsgruppe des Netzwerkes Bibel und Bekenntnis, gab ein aufschlussreiches Interview darüber, was das postmoderne Denken ausmacht und es im Verhältnis zum christlichen Glauben steht. Sehr lesenswert:

pro: Was kennzeichnet postmodernes Denken?

Daniel von Wachter: Postmodernismus ist nicht eine Analyse des Denkens der Mehrheit der heutigen Menschen, sondern besteht aus bestimmten Behauptungen bestimmter Autoren.
Zum Beispiel: Es gibt keine objektive Wahrheit; es gibt keine Wirklichkeit, die von uns unabhängig ist; Vernunft und Wissenschaft sind nur Herrschaftsinstrumente; Texte haben keine zu entdeckende Bedeutung. Interessant ist, dass die vier Hauptautoren dieser Art von Rhetorik – Lyotard, Derrida, Rorty, Foucault – alle einen sozialistischen Hintergrund haben.

Wie denken Postmodernisten über den christlichen Glauben?

Die Postmodernisten greifen die bloße Tatsache an, dass das Christentum eine Lehre hat; eine Botschaft, die wahr sein soll. Sie greifen die christliche Lehre nicht so an, wie es redlich und sinnvoll wäre, indem sie ihr Argumente entgegenhalten und sagen: Das ist falsch aus den und den Gründen. Stattdessen behaupten sie, Wahrheit und Wirklichkeit gebe es gar nicht. Zweitens greifen die Postmodernisten die Lehre der Christen an, dass die Bibel Gottes Wort und verbindliche Quelle der Lehre sei. Wieder geben sie keine Argumente, sondern sie sagen: Ein Text hat gar keine zu entdeckende Bedeutung. Jeder schafft sich seine eigene Bedeutung..

Wenn es keine Wahrheit gäbe, wäre jede Meinung gleichermaßen richtig?

Es hat keinen Sinn, zu sagen: „Wenn jemand das anders sieht als ich, dann hat er ebenfalls recht.“ Das ist ein Widerspruch, es ist unvernünftig, so etwas zu sagen. Die Idee, dass man so  einen Widerspruch „aushalten soll“, wird oft als menschlich und liebevoll dargestellt. Es ist aber unlogisch, wenn ich etwas glaube und das Gegenteil auch für richtig halte. Das bringt  niemanden weiter. Wir wollen doch wissen, was richtig ist, und uns entsprechend entscheiden. Man darf die Wahrheit nicht gegen die Liebe ausspielen. Daher sollte man nicht sagen:  Damit ich mehr Liebe übe, darf ich niemandem mehr widersprechen. Es ist sogar liebevoller, wenn ich versuche, ihn zu überzeugen, weil ich ja will, dass der andere auch die Wahrheit,  also die richtige Auffassung erlangt. Manchmal ist es zum Beispiel in einer Gemeinde richtig zu sagen: „Wegen dieser Meinungsverschiedenheit trennen wir uns nicht“. Aber es ist  töricht zu sagen: „Ich meine X, aber ich will nicht sagen, dass Nicht-X falsch wäre.

Kann man postmodernen Menschen überhaupt noch mit der „Wahrheit“ der christlichen Botschaft  kommen?

Die meisten Menschen nehmen natürlich an, dass es Wahrheit gibt. Wenn jemand tatsächlich vom postmodernistischen Denken beeinflusst ist, dann müssen wir, um ihn mit  dem Evangelium erreichen zu können, ihn dahin führen, wieder Wahrheitsfragen zu stellen. Will sagen: Es wäre der ganz falsche Weg zu meinen, heute sollte man weniger  Wahrheit predigen, weil die Menschen heute postmodernistisch denken. Im Gegenteil, wir müssen um so mehr Fragen stellen wie: Gibt es einen Gott? Ist Jesus Gottes Sohn, und ist das Evangelium wahr? Wenn ein Mensch das nicht fragen und nicht untersuchen kann, ob das wahr ist, hat er keine Chance, Christ zu werden.

Kommen Christen mit ihrem  Wahrheitsanspruch nicht in Konflikt mit der Religionsfreiheit?

Christen glauben an die christliche Lehre und haben mehr oder weniger Argumente dafür. Diese Argumente teilen sie  ihren Mitmenschen mit und versuchen, sie davon zu überzeugen. Da ist kein Toleranzproblem. Ist das Toleranz, wenn ich sage: „Der hat eine andere Meinung und hat genauso recht“?  Nein. Toleranz entsteht, wenn ich sage: „Ich meine A, der andere meint Nicht-A, ich schlage ihm trotzdem nicht den Schädel ein, ich unterdrücke ihn nicht, ich lasse ihn seine Religion  frei ausüben.“ Christen müssen für Religionsfreiheit sein. Das ergibt sich klar aus dem Neuen Testament. Schon im 18. Jahrhundert findet sich bereits dieser Vorwurf gegen Christen,  sie seien intolerant, weil sie behaupten, dass die christliche Lehre wahr ist. Das ist eine Verdrehung. Man merkt daran, dass diejenigen, die den Intoleranzvorwurf pflegen, selber gar  nicht besonders tolerant sind. Die andere Person muss man achten und lieben, egal, was sie für eine Meinung hat. Man darf das aber nicht vermischen mit der Frage, ob etwas wahr ist oder nicht.“ /www.bibelundbekenntnis.d…o-mit-daniel-von-wachter/

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