Johann Gottfried HERDER war ein bedeutender Dichter und Philosoph. Aber war er auch ein Christ?

Johann Gottfried HERDER (1744-1803) war ein bedeutender Dichter und Philosoph.
Aber war er auch ein Christ?
Wilhelm Busch (1897-1966, Evangelist und u.a. Jugendpfarrer in Essen), schreibt in seinem sehr empfehlenswerten Buch „Plaudereien in meinem Studierzimmer“, dass Herder zwar ursprünglich dem Denken der Aufklärung anhing, sich jedoch schrittweise davon entfernt hat und sich der biblischen Botschaft immer mehr angenähert hat. (Busch ist durchaus qualifiziert, darüber zu schreiben, da er mal über Herder promovieren wollte, und auch einen guten Teil der 66 Bände von Herder durchgelesen hat).

Johann Wolfgang von Goethe war ja ein Bekannter von Herder, und zwischen beiden gab es „Spannungen“ bzw. gelegentlichen Streit. Busch schreibt: „Es ist unter den Gelehrten keine Einigkeit darüber, warum zwischen diesen beiden Männern, die sich doch so sehr anzogen, immer Spannungen herrschten. Die einen schrieben es Herders schwieriger Charakter-Anlage zu. Die anderen sind der Ansicht, dass Goethe dies Bild vom „schwierigen Herder“ erst geschaffen habe. Da heißt es in einer Literatur-Geschichte: „Hinter allem stand der unüberbrückbare Gegensatz des ‘Heiden’ Goethe zum ‘Christen’ Herder“. Mir scheint diese letztere Ansicht richtig zu sein. Denn Goethe trennte sich ja im Laufe der Zeit von seinen christlichen Freunden aus einem inneren Gegensatz.
Daß Goethe dabei von Herder doch immer wieder angezogen wurde, ist verständlich. Denn Herder hatte einen bedeutenden und umfassenden Geist.“

Weiter schreibt Busch:
„Herder war ursprünglich ein Mann der „Aufklärung“. Das war eine weltanschauliche Strömung, die mit ungeheurer Gewalt das ganze Abendland überflutete. Das Entscheidende war dies: Die vernunft wurde zur letzten Instanz ernannt. Man braucht das ja nur so auszusprechen, um zu erkennen, daß die „Aufklärung“ (auch „Rationalismus“ genannt) eine beständige Unterströmung der Kirche ist – genau wie der Pietismus. Und immer wieder bricht bald diese, bald jene Strömung in der Kirche durch.

Diese Vernunft-Religion ist der Todfeind des biblischen Evangeliums. Da wird aus der Bibel alles entfernt, was der Vernunft widerspricht: Gottessohnschaft Jesu, Wunder, Versöhnung durch das Kreuz Jesu, die Auferstehung, Dämonen ebenso wie der „Heilige Geist“ von Pfinsten.
Aus dieser Vernunft-Religion also kam Herder. Als er zum Generalsuperintendenten in Weimar ernannt wurde, haben orthodoxe Kreise sich wütend gegen ihn gewehrt.

Und nun ist es ergreifend zu beobachten, wie dieser bedeutende Geist sich der armseligen Aufklärung entwand.
An vier Punkten geriet er in den Gegensatz zur Aufklärung:

1. Die Aufklärung kannte nur allgemeine Ideen. Von der realen biblischen Botschaft blieben die Ideen „Gott“, „Tugend“, „Unsterblichkeit“. Eben nur als verwaschene Ideen! Herder aber hatte einen Blick für die Geschichte. Er erkannte: Der Sinn des Evangeliums ist der, daß der lebendige Gott in Jesus Christus in den Lauf der Weltgeschichte eingetreten ist. So verstand er, was der Apostel Petrus in seiner Pfingstpredigt „die großen Taten Gottes“ nennt. Kreuz und Auferstehung Jesu sind „Taten Gottes“ mitten im Lauf der Geschichte. Und solche Taten Gottes sind etwas andeeres als Ideen.

2. Herder war ein Mann von persönlicher, tiefer Frömmigkeit. So erkannt er, daß das Evangelium nicht nur den Intellekt anspricht. Er hat sehr ausführlich über die Bedeutung des „Gefühls“ geschrieben. Damit allerdings schlug er eine bedenkliche Bahn ein, auf der nach ihm der von ihm beeinflußte Theologe Schleiermacher in unbiblischer Weise weiterging. Doch nicht nur über das „Gefühl“, auch über die Bedeutung des „Gewissens“ für das Verstehen des Evangeliums hat Herder Wichtiges gesagt. All das hinderte Herder, dem trockenen Intellektualismus des Vernunftglaubens zu verfallen.

3. Herder drang immer tiefer ein in die überragende Bedeutung der Heiligen Schrift. Immer unerträglicher wurde es ihm zu hören, wie die „Aufklärer“ mit dem Worte Gottes umgingen. Er schreibt im Jahre 1782 in dem zweiten der „Briefe an Theophron:

„Kein Buch in der Welt liest sich gut ohne innere Lust und Freude. Wer den Homer nur kritisch, als Pedant oder Schulmeister liest, liest ihn gewiß schlecht und wird nicht, was er in sich hat, empfinden; geschweige wer ein Buch, das zur Kritik nicht geschrieben ist, wer Gottes Wort so lieset. Wie ein Kind die Stimme seines Vaters, wie der Geliebte die Stimme seiner Braug, so hören Sie Gottes Stimme in der Schrift und vernehmen den Laut der Ewigkeit, der in ihr tönet. Ich gebe Ihnen einige Ratschläge an die Hand, die ich bewährt gefunden habe, da ich auch an dieser Krankheit lag und mir das Wort Gottes, wie Sie sich stark und wahr ausdrücken, in der Hand der Kritik vorkam wie eine ausgedrückte Zitrone; Gottlob! E ist mir jetzt wieder eine Frucht, die auf ihrem Lebensbaum blühet.
Lesen Sie die Bibel nicht vermischt, sondern in einzelnen Büchern, in denen Sie einen Zeitlang, die besten Stunden des Tages, gleichsam ganz lesen. Wählen Sie dazu die heitersten, etwa die Morgenstunden, und trinken tief, so viel möglich jetzo ohne Kritik, den Geist des Autors.
Wenn ich da in gelehrten Kommentaren oder gar auf der Kanzel viel von Bildersprache sprechen höre, die man in unser gutes, reinverständliches, das ist metaphysisches, abstraktes und verständliches Deutsch übersetzen müsse: so weiß ich oft nicht, wo ich hin soll. Jene Sprache (der Bibel) versteht alle Welt, weil sie die Sprache des menschlichen Herzens ist; diese Sprache (der Kritiker) versteht niemand.“

4. Vor allem aber gewann Herder ein tieferes Verhältnis zu Jesus. Der „Aufklärung“ war Jesus nur ein Moralprediger. Herder erkannte, daß Jesus viel mehr sei. In „Von Religion, Lehrmeinungen und Gebräuchen“ lesen wir: „Glaubst du, daß Christus der Retter der Menschen, Heiland der Welt sei?, fragte man die Griechen, und so ward ‘Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter’, der Christen uralte Lösung… Hierzu kann selbst der Name (Jesu) nichts hinzutun; er heißt Heilbringer, Seligkeitsstifter.“

Und in den „Erläuterungen zum Neuen Testament“ sagt Herder: „Siehe, ein Tatwerk wie die Schöpfung! Die neue, höhere Schöpfung, die Schöpfung der Geister zu Bildern Gottes! Jesus war Heiland, wirklicher Erretter, Befreier, Arzt und Seligmacher der Welt.“
So hat Herder, obwohl noch befangen in der Aufklärung, mit mächtigem Geist sich ihr zu entringen versucht. Es ist ergreifend zu sehen, wie ein Mann, immer mehr angezogen von dem Licht der Wahrheit, sich vom Zeitgeist loslöst und der Wahrheit Gottes zustrebt.
(Quelle: clv-server.de/pdf/255969.pdf , S. 53-68)

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