Vor vier Jahren wurde der kleine Mirco getötet. Die unvorstellbare Reaktion seiner Eltern.

Vor zwei Jahren haben diese wunderbaren Menschen ein gewaltiges Glaubenszeugnis für alle leidgeprüften Menschen im Land abgegeben. Gott hat sich an diesem Ehepaar mächtig bewiesen:

„Da sitzen sie auf ihrer Terrasse, trinken Johannisbeersaft mit Sprudel und schauen in ihren sommerlichen Garten: auf ein großes Trampolin, ein buntes Schwimmbecken und den wuchernden Rasen dazwischen. „Ein richtiges Kinderparadies“, sagt Frau Schlitter und streicht mit der Hand über die ebenso bunte Tischdecke. Dann schweigen beide einen Augenblick. Leise hört man ein Flugzeug am Himmel brummen. Und langsam beginnen sie zu erzählen: von Mirco, ihrem Kind, das schon jetzt im Paradies sei, und von ihrem am Donnerstag erscheinenden Buch, in dem sie schildern, wie sie das größte denkbare Unglück aller Eltern überlebten.
Welt am Sonntag: Liebe Frau Schlitter, lieber Herr Schlitter, in Ihrem Buch schreiben Sie, Sie wollten anderen Menschen zeigen, dass man sogar „in solch einer Albtraumsituation Halt und Trost finden kann“. Welchen Trost gibt es, wenn das Leben des eigenen Kindes so früh und gewaltsam beendet wurde?
Reinhard Schlitter: Unser Trost ist Gott. Er half und hilft, wo wir aus eigener Kraft nicht mehr können.
Sandra Schlitter: Wir sehen die schrecklichen Ereignisse mit einer Art Himmelblick. Unsere Kinder sind ein Geschenk Gottes. Für eine gewisse Zeit sind sie uns anvertraut. Für wie lange, das kann niemand sagen. Aber Mirco hatte sozusagen seinen Lauf beendet. Er ist uns vorausgegangen zu Jesus. Das tröstet uns.
Welt am Sonntag: Vielen Zeitgenossen scheint gerade das Leid von Kindern zu beweisen, dass es keinen liebenden Gott gibt. Auch andere Eltern ermordeter Kinder sagten schon, nun könnten sie erst recht nicht an Gott glauben.
Reinhard: Ja, das ist die alte Frage, wie Gott das Leid zulassen kann. Aber diese Kritik an Gott kann ich nicht stehen lassen. Nicht er tut das Böse, sondern die Menschen. Moment mal.
Herr Schlitter springt vom Gartenstuhl auf, verschwindet hinter der Terrassentür und kommt mit einer kleinen, zerlesenen Taschenbibel zurück, in der er sogleich eifrig blättert.
Reinhard: Hier, Jakobus eins, Vers 13, das habe ich heute früh noch gelesen: „Wenn ein Mensch in Versuchung gerät, soll er nicht sagen: Gott hat mich in Versuchung geführt. So wie Gott nicht zum Bösen verführt werden kann, so verführt er auch niemanden dazu. Es ist die eigene Begehrlichkeit, die den Menschen ködert und einfängt.“ Das meine ich: Nicht Gott wollte Mircos Leid, sondern ein Mensch.
Welt am Sonntag: Aber Gott hat es nicht verhindert. Sie haben während der 145 Tage, in denen Mirco als vermisst galt, immer wieder gebetet, Gott möge Ihr Kind beschützen und zurückbringen. Hat Gott Sie nicht enttäuscht?
Sandra: Nein, er hat unseren Mirco zwar nicht zurückgebracht. Aber ich vertraue drauf, dass Gott bei ihm war, als er litt. Er stand Mirco in seinen letzten Minuten bei, Mirco konnte seine Nähe hoffentlich spüren. In gewisser Weise hat Gott unser Kind wohl aus der Situation herausgenommen und so beschützt.
Welt am Sonntag: Die Berichte mancher Vergewaltigungsopfer könnte man als Bestätigung Ihrer Hoffnung lesen. Viele Frauen erzählen, sie hätten den Schrecken gar nicht gespürt, wie unbeteiligte Beobachter hätten sie der Gewalttat zugeschaut.
Reinhard: Auch da zeigt sich das Eingreifen Gottes in den Momenten, in denen niemand anders dem Opfer in seiner Einsamkeit helfen kann. In der Bibel gibt es auch so ein Beispiel von Stephanus …
Welt am Sonntag: … dem ersten christlichen Märtyrer.
Reinhard: Als er gesteinigt wird, ruft er im letzten Moment seines Lebens, er sehe „die Herrlichkeit Gottes“.
Sandra: Und so passiert oft parallel zu dem, was wir beobachten, noch etwas anderes. Von außen betrachtet sieht Mircos irdisches Ende nur nach Gewalt und Schrecken aus, aber seine eigene Wahrnehmung war hoffentlich schon ganz von der Nähe und Liebe Gottes geprägt.
Welt am Sonntag: Dort, bei Gott, ist er jetzt?
Sandra: Mirco ist in seinem himmlischen Zuhause, in vollkommener Freude. So, wie unser Pfarrer das bei der Beerdigung gesagt hat: Bei seiner Ankunft im Himmel hat Jesus Mirco „einen Kuss gegeben und ihn fest gedrückt“.
Reinhard: Wir freuen uns darauf, unser Kind dort einst wiederzusehen, wenn wir gestorben sind.
Sandra: Viele Menschen, auch Eltern verstorbener Kinder, sagten mir: „Dein Glaube, deine Kirche, die geben dir Kraft. Ich wünschte, ich könnte das auch so sehen.“ Aber es ist nicht mein Glaube und nicht meine Gemeinde, die mich trösten, sondern der lebendige Gott. Außenstehende vermuten natürlich, wir würden uns etwas einbilden. Die denken, wir haben einen Hau.
Welt am Sonntag: Später haben aber sowohl der Soko-Leiter als auch der Soko-Sprecher in höchsten Tönen gerühmt, wie stabil, sympathisch, vertrauenswürdig und sogar „inspirierend“ Sie beide seien.
Sandra und Reinhard Schlitter schweigen. Dabei sehen sie abwechselnd zufrieden und leicht peinlich berührt aus, als sei das zu viel des Lobes.
Welt am Sonntag: Sie sagten vorhin, Mirco sei Ihnen „vorausgegangen“. Verliert diese Welt an Bedeutung, weil Mirco jetzt in einer anderen lebt?
Reinhard: Ja, die Welt wird vorläufiger. Manches, was früher drängend schien, schrumpft zur Nebensache. Was ist schon diese kurze Zeitspanne verglichen mit der Ewigkeit?
Sandra: Manchmal komme ich mir vor wie ein Besucher auf Erden, der bald nach Hause geht. Diesen Himmelblick hatte ich aber schon früher. Im Jahr vor Mircos Tod wurde bei mir ein Tumor entdeckt, Gott sei Dank ein gutartiger. Auch damals habe ich schon gesagt: Herr Jesus, wenn das dein Wille ist, bin ich bereit, jetzt zu gehen.
Welt am Sonntag: Bleibt da fürs Diesseits noch genug Tatkraft?
Reinhard: Na klar, wir haben noch drei weitere Kinder, die haben ein Recht auf Eltern, die ihnen mit Liebe und Kraft zur Seite stehen.“ www.welt.de/vermischtes/w…nsbejahender-gemacht.html

Kommentare

  1. Ce Jäger

    beeindruckend. einfach nur beeindruckend.
    schön zu sehen dass es zum einen eben JESUS es ermöglichst derartige Grausamkeiten zu vergeben – und dass derartige Grausamkeiten eben nicht zu noch mehr Leid führt…
    (Blutrache, Groll, Drogen… ist nicht wirklich eine zufriedenstellende Antwort, wenngleich einfacher; keine Frage)

    Respekt auch an den Reporter. Gute Fragen ohne Allüren – dass ist leider selten geworden.

    Dass es immer irgendwelche Grantler gibt – das ist halt so, quasi erwartbar…

    gruß

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