Wo ist Gott in dieser leidenden Welt?

Wer Jesus Christus nicht nachfolgt, fragt sich, wo Gott in dieser leidenden Welt wohl sein mag. Warum scheint er so weit weg zu sein? Wir denken oft, dass jemand, der Christus nicht kennt, die Bedeutung des Kreuzes nicht erfassen kann. Und in einem gewissen Sinn stimmt das auch. Aber ich möchte eine Behauptung wagen, und das bringt mich zu meiner zweiten Schlussfolgerung. Obwohl das Kreuz den Skeptikern und dem normalen Denken der Menschen so fremd ist, bestätigen sie unbewusst doch irgendwo tief in ihrem Herzen seine Botschaft, dass Gott selbst in den grausamsten Ausprägungen des Lebens irgendwo erreichbar sein muss. Zwei Zitate werden das verdeutlichen und uns zu einem wesentlichen Punkt der Entscheidung führen.

Eli Wiesel, Literaturnobelpreisträger und jüdischer Überlebender des Holocaust, berichtet davon, wie er im Konzentrationslager mit einigen anderen gezwungen war mit anzusehen, wie zwei jüdische Männer und ein jüdischer Junge aufgehängt wurden. Die beiden Männer starben sofort, aber der Tod des Jungen zog sich aus irgendeinem Grund hinaus, sodass sein Todeskampf am Galgen eine halbe Stunde dauerte.
Wiesel hörte jemanden hinter sich murmeln: „Wo ist Gott? Wo ist er?” Dann ertönte die Stimme noch einmal voller Qual: „Wo ist er?”
Auch Wiesel konnte die Frage nicht länger unterdrücken: „Wo ist Gott? Wo ist er?” Dann hörte er eine leise Stimme in seinem Innern sagen: „Er hängt dort am Galgen.” Der Autor Dennis Ngien fügte dieser Geschichte in seinem Artikel „The God Who Suffers” (Der leidende Gott) eine Fußnote hinzu. Er zitierte den Theologen Jürgen Moltmann mit den Worten, jede andere Antwort wäre Blasphemie.
Ich dagegen stelle die Frage: Kann irgendein anderer Glaube als das Christentum diese Frage grundlegend beantworten? Wenn wir diese gefühllosen Gräueltaten betrachten, fragen wir uns: Wo ist Gott? Und die Antwort kommt: Er ist mittendrin – er ist es, der unsere Gräueltaten erleidet.
Jene unverzeihlichen und erbärmlichen Taten, Gebäude in die Luft zu jagen und Männer, Frauen und Kinder darin umzubringen oder ein neugeborenes Baby zu ersticken, richten sich letztlich gegen Gott. Wir fügen anderen Menschen Schmerzen zu, weil wir vorher Gott abgewiesen haben. Ich finde diese Antwort von Wiesel absolut erstaunlich. Wo ist Gott? Genau dort in jenem Gebäude, genau dort in jener Plastiktüte. Das Kreuz ist somit die einzig mögliche Erklärung, wo Gott inmitten des ganzen Leids ist. Gott selbst hängt am Galgen, damit wir ihm nahe kommen können. Jede andere Antwort wäre Blasphemie.
Aus dieser Wahrheit folgt eine bedeutsame persönliche Herausforderung. Wenn wir vor dem Kreuz stehen, müssen wir eine Entscheidung treffen: Entweder erfassen wir die Bedeutung des Kreuzes und bringen unser ganzes Sein mit all unseren Leidenschaften dar, um mit Christus gekreuzigt zu werden, sodass wir in Hörweite seiner Stimme leben und sein Herz fühlen können. Oder aber wir wenden uns von dem Kreuz ab und leben zukünftig mit dem Gefühl, von Gott entfremdet zu sein.
Aus dem Buch Sehnsucht des Herzens: Gottes Nähe wieder spüren. Author, Ravi Zacharias. Publisher, Brunnen-Verl., 2003. ISBN, 3765512753, 9783765512759 … Seite 84/85 (bibelkreis-muenchen.de/)

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