Judas-Evangelium und Apokryphen – was ist wirklich dran?

Warum welche Schriften ins Neue Testament aufgenommen wurden, ist schon lange Gegenstand heißer Diskussionen – bringt das neu veröffentlichte “Judas-Evangelium” hier etwa neue Erkenntnisse?


Quasi im Kielwasser von “Sakrileg” beglückte die National Geographic Society zu Ostern ihre Leser mit einem Leitartikel über diese Schrift, die Teil eines koptischen Manuskripts aus dem 3. oder 4. Jahrhundert ist. Judas, der Verräter Jesu, schwarzes Schaf unter den Jüngern, sprichwörtlich für alle Art von Verrat und abschreckendes Beispiel für Unglauben – gewinnen wir jetzt neue Erkenntnisse über die Umstände des Verrates Jesu? War alles vielleicht doch ganz anders?


Tatsächlich präsentiert das Judas-Evangelium ein ganz anderes Szenario. Jesus soll Judas besonders eingeweiht und bevorzugt haben, ja sogar zum Verrat aufgefordert haben. Ist nun die Bibel doch manipuliert? Hat man das Judas-Evangelium bewusst ausgeschlossen, um mit willkürlichen Dogmen die Menschen zu knechten?


Die Experten sind sich einig, dass dieses Apokryphon keine neuen Erkenntnisse enthält. “Der Text vermittelt uns keine neuen historischen Einsichten über den Apostel Judas oder den Kreuzestod Jesu” sagt Thomas Söding, Professor für Biblische Theologie in Wuppertal. Auch enthalte der Text keine bislang unbekannten Worte Jesu, die als authentisch eingestuft werden können. Laut dem Papyrusexperten James M. Robinson gebe er auch keine neuen Erkenntnisse über die Karwoche, in der Jesus verraten wurde. Robinson hält gar die Überschrift für das Aufregendste am Text.


Aber was hat es dann mit dieser Umdeutung des Jesusbildes auf sich?


Die dem Judas-Evangelium zugrundeliegende Philosophie ist eindeutig die des Gnostizismus. Gnostiker glaubten, dass die materielle Welt Produkt eines bösen Gottes (Demiurg) ist, während der wahre, gute Gott rein geistig ist und mit Materie nichts am Hut hat. Ziel des Menschen, dessen geistige Seele in einem minderwertigen materiellen Körper gefangen ist, ist es, in geistigen Übungen dieser Welt zu entfliehen und das Göttliche in sich zu befreien. Kein Wunder also, dass Jesus in diesem Pamphlet gerne seinen Körper durch Tod verlässt.


Außerdem sind im Gnostizismus auffälligerweise die personae non gratae der Bibel am angesehensten: Kain, die Sodomiter, Judas…sie seien Abgesandte des guten Gottes und hätten höhere Erkenntnisse gehabt, wären freier und erleuchteter gewesen als die tumben Anhänger des “engen” und “dogmatischen” Christentums, die für Gnostiker nichts anderes als Anbeter des Demiurgen waren.


Es ist offensichtlich, dass solche Schriften (zu denen auch das Thomas-Evangelium zählt) nicht in den neutestamentlichen Kanon aufgenommen werden konnten. Die Bibel kennt – weder im AT noch im NT – eine Teilung in guten Geist- und bösen Materiegott. Der Gott der Bibel ist “…der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist” (Apostelgeschichte 17,24), aber auch Geist (Johannes 4,24). Taten wie die des Judas können niemals als gut angesehen werden, weil das höchste Ziel im Christentum nicht das Befreitwerden vom materiellen Leib ist, sondern die Beziehung zum Schöpfergott – und den, fleischgeworden in Jesus Christus, hat Judas verachtet.


Die biblische Offenbarung hat einen roten Faden von der Genesis bis zur Offenbarung – ein klarer Beweis dafür, dass sie aus der selben Quelle stammt. Sie stellt uns einen Gott vor, der uns aus Liebe als Gegenüber erschafft, sowie Sein beständiges Suchen nach uns in unserer Rebellion und Flucht vor Ihm, gipfelnd im Tod Jesu Christi am Kreuz. Scharlatane, die den Menschen billige Selbstfindungs- und Erleuchtungskulte im christlichen Rahmen, ohne Erkenntnis des ewigen Schöpfergottes, verkaufen, gab und gibt es zuhauf.


Das Judas-Evangelium rüttelt nichts an der Zuverlässigkeit der Bibel.


Weiterführender Artikel auf jesus.ch
Englische Übersetzung des Judas-Evangeliums

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