Ben Becker liest die Bibel

„Wer von euch nicht nur eine große Schnauze hat, sondern wirklich ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ Klaus Kinski predigt sein Evangelium. Skandalträchtig. Der jähzornige und psychopatische Messias ist in aller Munde. Doch was in den Siebzigerjahren noch nackte Worte schaffen, braucht in unserer Zeit eine tragendere Stilistik. Heute sorgen
Hightechbeschallungen und Videoperformances für eine krasse Bühnenshow und überfluten unser Nervenkostüm mit durchdesignten Reizen. Auch die moralische Hemmschwelle ist weiter gesunken. Aber jetzt rettet ein blonder Schauspieler die Aufmerksamkeit vor dem Untergang und präsentiert den Nipplegate der Literaturlesungen. Ben Becker, unser deutsches Schauspieler-Enfant-terrible, tourt mit dem heiligen Buch durchs ganze Land und liest uns Bibelverse!! Vorhang auf und Spot an……

„Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Ben Becker steht einfach da. Er trägt einen schwarzen wehenden Mantel und mimt den Engel der Finsternis. Im Mephistolook, und nicht wie vielleicht erwartet in Jesuslatschen. Seine Stimme dröhnt weit über die Menge der Zuschauer und raunt uns voller Pathos die göttlichen Worte zu. Es ist beeindruckend, wenn er die wuchtigen Zeilen der Erderschaffung rezitiert und auf der riesigen Videoleinwand unser blauer Planet langsam aus der Dunkelheit des Weltraums auftaucht, akustisch unterlegt mit dem sphärischen Klangteppichs eines ganzen Orchesters. Doch andere bekannte Bibelszenen werden regelrecht wie ein Actionfilm synchronisiert und verleihen dem Buch der Bücher den Charakter eines aufgetunten Geschichtskrimis. Die Illusion ist alles. Noahs Arche treibt im Märchenstil über die Bühne. Adam und Eva sind nur noch der Realität beraubt. Und Sodom und Gomorra müssen wir dank Ben Becker wohl auch nur noch als einen Politthriller verstehen. Las Vegas ist nichts dagegen. Show must go on?

Bevor wir Ben Becker mit faulen Eiern steinigen, nehmen wir mal das Wort Gottes zur Hand. Schließlich dient es uns Menschen als Maßstab und Richtschnur. Und da stolpern wir auch schon über den Gebrauch der Bibel in Beckers großer Show, denn das heilige Buch soll uns ein tägliches Lebensmittel sein und nicht zu einer wirtschaftlichen Unterhaltungseinlage umkommen. "Es steht geschrieben: ‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt." (Matthäus 4, 4)

Jetzt mal Butter bei die Fische. Ob Ben Becker wohl an Gott glaubt? Schwimmt unser Bibelvorleser mit seiner fetten Vorstellung eigentlich gegen den weltlichen Strom? Sein pompöser Auftritt taucht ihn ja nicht gerade in Demut, sondern mächtig viel Geld wird bei dem dicken Geschäft abgesahnt. Bekannte Buchhandlungen und Fernsehsender bekommen auch ein Stück vom Kuchen. Und das Babelsberger Filmorchester, ein Gospelchor und die aufwendige Bühnenperformance zeugen ebenfalls nicht von biblischer Bescheidenheit. Stattdessen lässt Becker die Kirche im Dorf, bringt seine eigene Kapelle mit und singt uns alte Songs wie „Hurt“ von Johnny Cash, Elvis’ „In the ghetto” und „He is alive” von Dolly Parton. Allesamt in Popversion. Natürlich nur, um die Figur Jesus ins Rampenlicht zu rücken und Bibelszenen für das Publikum greifbarer zu machen, und nicht um selbst Applaus zu erhaschen oder das Portemonnaie zu mästen. In der Bibel lesen wir übrigens, wie es der Missionar Paulus mit dem Verdienst gehalten hat: „Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich bei meiner Verkündigung das Evangelium von Christus kostenfrei darbiete, so dass ich von meinem Anspruch am Evangelium keinen Gebrauch mache.“ (1. Korinther 9, 18)

Werfen wir mal einen ganz privaten Blick hinter die Kulissen von Ben Becker. Letzen Sommer musste der Künstler wegen übermäßigen Alkoholkonsums reanimiert werden. Sogar Heroinspritzen soll man bei ihm gefunden haben. Besonders oft erfüllt sich der Schauspieler wohl nicht am Wort Gottes, denn was sagt die Bibel zu innerer Leere, Einsamkeit, Stress, Haltlosigkeit und Betäubung? „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder Durst bekommen. Dieses Wasser wird ihm zu einer Quelle, die bis ins Ewige Leben hineinfließt.“ (Johannes 4,14)

Was also sollen wir letztendlich von der synchronisierten Bibelfassung halten? Nun, selbst wenn Ben Becker mit seiner Vorstellung eine Oper quatscht, ist es doch ein Trost, dass er Jesus damit bekannt macht: „Der war ja kein Weichei-Hippie, kein Blumenkind. Der hat knallhart gesagt, was Sache ist. Wenn der heute sagen würde, was in dieser Gesellschaft hier alles nicht läuft, der würde heute wieder gekreuzigt.“ Diese Worte sind ein Grund zur Freude. Sogar eine ganz und gar biblische…. „Einige verkündigen zwar Christus auch aus Neid und Streitsucht, andere aber aus guter Gesinnung; diese verkündigen Christus aus Selbstsucht, nicht lauter, indem sie beabsichtigen, meinen Fesseln noch Bedrängnis hinzuzufügen; jene aber aus Liebe, weil sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums bestimmt bin. Was tut es? Jedenfalls wird auf alle Weise, sei es zum Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch weiterhin freuen!“ (Philipper 1, 16 – 18)

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