Hier die bewegende Übersetzung der Aussage:
Ist ein Leben als Mensch ohne eigene Identität möglich? Ich glaube nicht. Das natürlichste Rechts des Menschen ist das Recht auf eine Identität.
Meine Erfahrungen aus Mosul wünsche ich keinem Menschen auf der Welt. Sie drohten uns mit dem Tod. Sie zwangen uns, Kopfsteuer zu zahlen – wohl wissend, dass wir es nicht können. Seit Jahren leben wir am Rande der Armut. Sie nahem uns das Recht, uns frei zu bewegen. In unserer Not haben wir Christen überall Hilfe gesucht, doch wir wurden abgewiesen. Von den Lebensmittelrationen wurden wir ausgeschlossen. Der Grund war immer der Selbe: „Ihr seid Christen, ihr habt hier keine Rechte“.
Nun frage ich euch (Muslime in Mosul): Wieso tut ihr uns das an? Wieso lasst ihr uns im Stich? Wir waren doch Nachbarn, wir waren eine Gemeinschaft. Wir alle haben zusammengelebt und einander unterstützt, als Ärzte, Apotheker, einfach Arbeiter. Wieso fallt ihr uns in den Rücken? Ist dies der Lohn für alles, was wir in unserer Gemeinschaft geleistet haben?
Im Koran steht doch geschrieben, dass niemand ein fremdes Haus betreten darf, ohne eingelassen oder dazu aufgefordert zu werden. Wieso also habt ihr all unsere Häuser zerstört und all unseren Besitz an euch genommen? Euer Prophet sagt doch, dass schon ein freundliches Wort eine gute Tat sei. Wieso also will ein Händler, bei dem ich noch gestern eingekauft und mich unterhalten habe, heute nichts mehr mit mir zu tun haben?
Die Extremisten der ISIS hätten unsere schöne Stadt niemals an sich reißen können, wenn sie nicht von der Mehrheit hier begrüßt worden wären. Hätten meine Nachbarn zu mir gestanden, hätte die ISIS mich nicht vertreiben können. Das ist es, was mir nun am meisten wehtut – unsere Gemeinschaft hat uns verraten.
Das vierte Mal musste ich nun mein Zuhause für immer verlassen. Das vierte Mal wurde ich nun vertrieben. Das vierte Mal sagte man mir nun, ich müsse „weg von hier“. Doch wohin sollen wir gehen? Viele von uns haben ihre Ziele, Europa oder Amerika, niemals erreicht, denn sie starben noch auf dem Weg. Ich habe alles verloren: mein Haus, denn man hat es zerstört. Meine Arbeitsstelle, denn niemand würde mehr einen Christen einstellen. Meine Zukunft, denn von der irakischen Regierung ist keine Hilfe zu erwarten. Doch vor allem habe ich meine Erinnerungen an meine Vergangenheit verloren. Denn selbst, wenn wir eines Tages zurückkehren können, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.
Ich appelliere an die Weltgemeinschaft, an Kirchen, an Menschenrechtsorganisationen, an die UN – an alle, die an ein friedliches Zusammenleben glauben, uns zu helfen!
* Übersetzt aus dem Arabischen ins Deutsche vom Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)