„…und sie legte ihn in eine Krippe.“ Lukas 2,7

Wenn die Weihnachtsgeschichte nur ein Märchen wäre, wäre sie doch schon bezaubernd schön durch den eigenartigen Gegensatz: Hier die schreckliche Armseligkeit im Stall – dort der unendliche Glanz auf dem Hirtenfeld.
Aber nun bekommt diese wundervolle Geschichte ihre größte Schönheit dadurch, dass sie eben kein Märchen, sondern ein wahrer Bericht ist über das, was Gott getan hat. Da muss man schon aufhorchen. Und bei diesem Aufhorchen entdeckt man die größte Seltsamkeit dieser Geschichte: Das wichtigste Ereignis ist nicht dort, wo der große Glanz ist, sondern dort, wo die große Niedrigkeit ist. „O seht in der Krippe, im nächtlichen Stall…“ heißt es im Kinderlied. So lasst uns heute unsere Aufmerksamkeit auf die Krippe richten!
1. Sie ist sehr unmodern
Der Sohn Gottes aber lag in einer Krippe. Sie steht im Mittelpunkt der Weihnachtsgeschichte, diese Krippe, die ein so ganz unmodernes Möbelstück ist.
Wird daran nicht deutlich, dass der Heiland in eine Welt kam, die gar nicht mehr unsere Welt ist? Ist diese unmoderne Krippe nicht typisch für die ganze Weihnachtsgeschichte? Wir kennen keine Hirten. Wir kennen Parkplatzwächter! Was sollen Engel in einer Welt, wo die Flugzeuge Überschallgeschwindigkeit haben? Ja, ich frage erschrocken: Ist der Heiland nicht in eine Welt geboren, die gar nicht mehr unsere Welt ist? Ich glaube, so denken die meisten Menschen. Und darum sind sie so ratlos dem Weihnachtsfest gegenüber. Der ganze komische Weihnachtsrummel von Weihnachtsmännern, Gratifikationen, Lichtergeflimmer und Kinderbeglückung ist im Grunde Ratlosigkeit.
Das ist die Frage: Kam der Heiland in eine Welt, die nicht mehr unsere Welt ist? Ja, das ist die Frage!
Und nun möchte ich ganz deutlich sagen: Die Welt hat sich gar nicht so sehr verändert. Das Wichtigste in der Welt ist zu allen Zeiten gleich: das arme, verzagte, stolze, böse, selbstsüchtige Menschenherz, das „unruhig ist in uns, bis es ruht in Gott“. Und für dieses Herz ist der Sohn Gottes gekommen. Wie viele Herzen sind in dieser verworrenen Zeit zertreten worden! Die kann Er aufrichten. Wir alle sind mit Schuld beladen. Uns alle kann und will Er waschen mit Seinem reinigenden Blut. Wie viele sind einsam und verloren in der grausamen Wüste eines ungestillten Trieblebens. Die will Er sättigen und heimführen und zu Gotteskindern machen. Ja, ich meine manchmal: Die Menschen vor 2000 Jahren haben den Heiland nicht so nötig gehabt wie wir heute.
2. Sie ist erschreckend arm
Als ich still und anbetend vor der Krippe stand, entdeckte ich: Die ganze Menschenwelt bewegt sich in einer mächtigen Strömung. In der Krippe aber offenbart sich die starke Gegenströmung: Der Mensch seit Adam will sein wie Gott. Gott aber will sein wie der Mensch. Er nimmt Fleisch und Blut an. Wir alle wollen groß werden. Gott aber will klein werden. – Wir alle wollen reich sein. Gott aber will arm sein: „Seht, Er liegt in Seiner Krippen…!
Ja, diese Krippe ist das Zeichen, dass Gott in Jesus arm geworden ist. Ich glaube, dass wir uns keine rechte Vorstellung machen können von der Armut des Sohnes Gottes nicht nur als Kind, sondern erst als Mann. Wir haben es ja nicht mehr nur mit dem Kind Jesus zu tun. So arm wie der Sohn Gottes war nie jemand in der Welt. Stellt euch einmal einen ganz armen Flüchtling vor. Wohl, sein Beutel – wenn er einen hat – ist leer. Aber er hat doch seine Hoffnungen, seine Sorgen, seinen Zorn auf Ämter. All das füllt ihn aus. Der Sohn Gottes – so müssen wir seine Armut verstehen – hat auch das alles nicht mehr. Er ist ganz ausgeleert, ganz arm. Er ist der einzige, der ganz leere Hände hat. Ja, leere Hände. Und das ist es: Nun ist Er ganz frei für uns. Nun darf ich alle meine Unruhe, meine Einsamkeit, meine Sünde, ja mich selbst in diese Hände legen. Die Krippe predigt: Er ward arm um unsertwillen.
Ich will das noch deutlicher machen. Erlaubt mir, dass ich es ganz einfältig tue! In der Bibel steht: Der Sohn Gottes, der Gott gleich war, entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an“ (Philipper 2,7). Als ich noch ein Kind war, stellte ich mir das so vor, dass der Sohn Gottes all Seine herrlichen, göttlichen Königsgewänder auszog und sie – verzeiht den Ausdruck, aber so denken Kinder – in den himmlischen Kleiderschrank hängte. Und dann zog er die armseligen Lumpen der irdischen Vergänglichkeit an.
Aber als ich mich zum Herrn Jesus bekehrt hatte und das Evangelium verstehen lernte, da begriff ich. Er hat Seine schönen, göttlichen Kleider nicht in den Schrank gehängt. Er hat sie – mir gegeben; mich hat Er damit bekleidet; mit dem Königsgewand der Gotteskindschaft und mit dem weißen Gewand fleckenloser Gerechtigkeit. Das ist es: „Er wurde arm um unsretwillen, damit wir durch Seine Armut reich würden“ (2Kor 8,9). Wer das im Glauben gefasst und angenommen hat, dem wird diese Armut der Krippe anbetungswürdig sein. Der findet, dass aller Glanz und alle Pracht der Welt armselige Dinge sind gegen die Herrlichkeit der Krippe in Bethlehems Stall.
3. Sie ist gewaltig stark
Die Krippe wollen wir ansehen. Dass wir sie doch recht begreifen könnten! Vor Jahren sah ich ein Bild von einem französischen Stützpunkt in Vietnam. Der war wie eine starke, kleine Festung, gespickt mit Maschinengewehren und Kanonen.
Nun – so seltsam es klingt – die Krippe dort in Bethlehem ist auch ein Stützpunkt in einer Welt, in der der Teufel sagen konnte: „Dies alles ist mir übergeben. Und ich gebe es, wem ich will.“ In dieser schrecklichen, abgefallenen Welt ist die Krippe mit dem Kind dort Gottes Stützpunkt. Über eine solche Festung werden alle Generäle lächeln. Lasst sie lächeln. Den Gewaltigen in dieser Welt ist nie etwas Anderes eingefallen als Waffen, Mordwerkzeuge und Gewalt.
Unser Gott aber tut etwas Neues. Vielleicht hätte auch der Kaiser Augustus gelächelt, wenn er von diesem armen Stützpunkt Gottes gehört hätte. Und doch ist an diesem Kinde sein gewaltiges Römisches Reich zerbrochen. An Ihm ist auch mein Herz zerbrochen. Ich habe erfahren, wie groß die Gewalt dieses Kindes ist.
Schaut nur die Krippe gut an: Hier findet ihr die stärkste Großmacht. Es gefällt Gott, die Weisheit der Welt an der Nase herumzuführen. Diese Krippe birgt den, an dessen Tod sogar der Tod und die Hölle zerbrechen müssen. Und darum singe ich so gern:
„Tod, Teufel, Sünd und Hölle, die hat den Sieg verlorn.
Das Kindlein tut sie fällen, nicht viel gilt jetzt ihr Zorn.
Wir fürchten nicht ihr Pochen, ihre Macht ist abgetan.
Das Kindlein hat sie zerbrochen, da ist kein Zweifel dran.“
 von Wilhelm Busch

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