“Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit?”

Damit es zu organischem Leben kommen kann, müssen die fundamentalen Gesetzmäßigkeiten (Naturkonstanten) der Physik allesamt Werte haben, die innerhalb extrem enger Toleranzgrenzen liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die perfekte „Einstellung“ dieser Werte ein Produkt des Zufalls ist, ist so winzig, dass man sie statistisch vernachlässigen kann.

Wenn man sich das Universum aus der Perspektive des Wissenschaftlers anschaut, macht es den Eindruck, als ob es wusste, dass wir kommen würden. Es gibt 15 Konstanten – die Schwerkraftkonstante, diverse Konstanten der starken und schwachen nuklearen Kraft etc. …, die präzise Werte haben. Wenn auch nur eine dieser Konstanten auch nur um ein Millionstel (in manchen Fällen um ein Millionstel Millionstel) von diesem Wert abweichen würde, hätte das Universum nicht den Punkt erreicht, an dem wir heute stehen. Die Materie hätte sich nicht verdichten können, es gäbe keine Galaxien, Sterne, Planeten oder Menschen.

Manche Forscher sagen, dass es gerade so sei, als ob ein Ingenieur eine hoch komplizierte Maschine bei allen möglichen Messwerten auf extrem enge Toleranzen einstellen müsse. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dies durch Zufall geschehen sein kann. Stephen Hawking kommentiert: „Die Wetten gegen ein Universum wie das unsere, das aus etwas wie dem Urknall entsteht, stehen haushoch gegen uns. Ich denke, es gibt eindeutig religiöse Implikationen.“ Und an anderer Stelle schreibt er: „Es wäre schwierig zu erklären, warum das Universum gerade so begonnen haben sollte, wenn es nicht ein Akt eines Gottes gewesen wäre, der Geschöpfe wie uns schaffen wollte.“

Man hat dieses Argument, dass das Universum sozusagen planmäßig für das Auftreten von uns Menschen vorbereitet war, das „Fine-Tuning-Argument“ oder das „anthropische Prinzip“ genannt. Es scheint ein recht starkes Argument zu sein, denn es wird in der Literatur heftig angegriffen. Der häufigste Einwand, den auch Richard Dawkins in seinem Buch „Der Gotteswahn“ bringt, lautet, dass es doch Billionen von Universen geben kann. Gehen wir nun von dieser unvorstellbaren Anzahl von Universen und einer unvorstellbaren Menge von Zeit und Raum aus, dann ist es nahezu unausweichlich, dass sich hier und da eines findet, das genau die für das Entstehen von Leben notwendigen Bedingungen bietet; wir leben halt in einem solchen, und was soll daran Besonders sein?

Wieder gilt: Sieht man es als Gottesbeweis, ist das Fine-Tuning-Argument rational nicht zwingend. Es gibt zwar keinerlei Beweise dafür, dass es außer unserem Universum noch viele andere gibt, aber das Gegenteil lässt sich auch nicht beweisen. Aber als Fingerzeig auf Gott ist es ein starkes Indiz.

Alvin Plantinga gibt das folgende Beispiel: Er stellt sich vor, wie jemand in ein und derselben Partie Poker zwanzig Mal hintereinander zu Spielbeginn vier Asse auf der Hand hat. Als seine Mitspieler ihre Revolver ziehen wollen, sagt der Pokerspieler: „Langsam, Jungs! Ich weiß, das hier sieht verdächtig aus. Aber was wäre, wenn es eine unendliche Zahl von Universen gibt, und zwar so, dass jedes für eine mögliche Abfolge von Kartenblättern steht? Wir befinden uns halt in einer Welt, wo ich mir jedes Mal vier Asse austeile, ohne zu schummeln.“ Die Mitspieler werden nicht überzeugt sein. Rein theoretisch ist es zwar möglich, dass der Mann gerade zwanzig Mal hintereinander vier Asse gezogen hat. Wenn man ihm auch nicht nachweisen kann, dass er geschummelt hat – kein vernünftiger Mensch würde etwas anderes annehmen.

Der Philosoph John Leslie präsentiert ein ähnliches Beispiel. Er stellt sich einen Mann vor, der zum Tod durch Erschießen verurteilt worden ist. Das Exekutionskommando besteht aus 50 Scharfschützen, die ganze zwei Meter von dem Verurteilten entfernt stehen. Keiner trifft ihn. Unmöglich ist es nicht, dass selbst ein Scharfschütze aus dieser Entfernung danebenschießt, und wenn es bei einem möglich ist, ist es theoretisch bei allen möglich. Wieder lässt sich nicht schlüssig beweisen, dass sie die Absprache getroffen haben, danebenzuschießen, aber es wäre nicht vernünftig, nicht von einer solchen Absprache auszugehen.

Natürlich ist es theoretisch möglich, dass wir uns rein zufällig in dem Universum befinden, in dem sich organisches Leben durch Zufall entwickelt hat. Wir können nicht beweisen, dass das Fine-Tuning des Universums auf so etwas wie einen Plan schließen lässt, aber es ist nicht vernünftig, nicht davon auszugehen. Auch wenn das Leben rein theoretisch ohne einen Schöpfer hätte zustande kommen können – wie sinnvoll ist es, zu leben, als ob dieser schier unglaublich unwahrscheinliche Zufall wahr ist?

(Leseprobe aus dem Buch „Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit?“ von Timothy Keller, Gießen, Brunnen Verlag, 2010) www.lightwish.de

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