Die Auferstehung Jesu aus der Sicht eines Historikers

“Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube eine Illusion…dann seid ihr noch in euren Sünden…dann laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.”

So schrieb Paulus an die Christen in Korinth (1.Korinther 15,14.17.32).

Ohne die Auferstehung Jesu gäbe es keinen christlichen Glauben. Ohne die Auferstehung Jesu gäbe es keine christliche Hoffnung, auch nicht auf die Vergebung unserer Sünden.

Was kann ein (Alt-)Historiker über diese Auferstehung sagen? Kann er überhaupt etwas dazu sagen? Sollte er überhaupt etwas dazu sagen?Schließlich ist das Ganze doch eine Glaubenssache – oder nicht? Beruht der christliche Glaube etwa auf (fragwürdigen?) historischen Behauptungen?

Den Schreibern des Neuen Testaments und den ersten Christen war die historische Frage wichtig, deshalb ist später der Name von Pontius Pilatus als einziger Name neben dem von Jesus Christus ins Glaubensbekenntnis aufgenommen worden. “Gekreuzigt unter Pontius Pilatus”, d.h. nicht irgendwann, irgendwo, irgendwie, sondern in der Zeit der Statthalterschaft von Pilatus in Judäa (26-36 n.Chr.).

Zunächst sollen einige grundlegende Vorüberlegungen und Vorfragen angesprochen werden: In jeder Wissenschaft richtet sich die Methode, mit der man arbeitet, nach dem Gegenstand, über den man die Wahrheit herausfinden will. Deshalb arbeiten Historiker z.B. anders als Naturwissenschaftler, denn Historiker können ja nicht einfach in einem wiederholbaren Experiment die historische Vergangenheit rekonstruieren. Historiker arbeiten eher wie Juristen. Sie rekonstruieren vergangene Ereignisse auf Grund von Quellen, Indizien, Zeugenaussagen; sie

führen also einen Indizienprozeß. Manchmal muß man auf Grund einer neuen Quellenlage, neuer Indizien einen Fall auch erneut aufrollen.

Ein besonderes Problem stellt die Frage dar: “Sind historische Überlieferung und Bewertung nicht subjektiv? Unsere Bewertungen bezüglich der Bedeutung von Ereignissen ändern sich doch immer wieder einmal.”
Das stimmt. Überlieferung und Bewertung von Ereignissen können subjektiv sein. Die Ereignisse aber sind es nicht; Ereignisse finden statt. Die Geschichte der Welt findet statt, die Geschichte meines Lebens findet statt. Und nicht immer findet das statt, was am wahrscheinlichsten ist. Das wissen wir aus der Geschichte unseres eigenen Lebens und aus der Geschichte der Welt. So war es z.B. Anfang Oktober 1989 noch extrem unwahrscheinlich, daß die Berliner Mauer jemals, oder jedenfalls in absehbarer Zeit, fallen würde. Aber sie ist Anfang November 1989 gefallen. In der Geschichte tritt nicht immer das ein, was am wahrscheinlichsten ist. Die entscheidende Frage bei allen Berichten, die wir über Ereignisse hören, sehen oder lesen, lautet deshalb: “Ist der Bericht wahr? Hat das wirklich stattgefunden?”

Historiker haben es also mit einem Indizienprozeß zu tun. Welche Indizien, Quellen oder Zeugnisse gibt es nun für die Auferstehung Jesu? Historisch ernst zu nehmen sind hier vor allem die Schriften des Neuen Testaments, d.h. die Evangelien, die Apostelgeschichte und auch die Briefe. Weiteres Material außerhalb des Neuen Testaments ist historisch nicht sehr ergiebig.
Eine interessante Ausnahme stellt hierbei eine Notiz des römischen Geschichtsschreibers Tacitus (ca. 55-110 n.Chr.) dar, der sich im Zusammenhang mit dem Brand Roms zur Zeit des Kaisers Nero auch über die Christen (sie wurden von Nero fälschlich als Brandstifter bezeichnet) äußert und schreibt, daß “…der Stifter dieser Sekte, Christus…unter der Regierung des

Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden” ist (Tacitus, Annalen XV,44), also eine präzise Übereinstimmung mit der gleichen Aussage im Neuen Testament.

Eine andere Vorfrage lautet: Wollen die Texte des Neuen Testaments überhaupt historisch verstanden werden? War das überhaupt ihr Selbstverständnis? Hatten die Autoren der Evangelien ein Interesse an historischen Fragen und falls ja, hatten die Menschen in der Antike nicht andere Vorstellungen von historischer Wahrheit als wir heute? Sehen wir uns daraufhin den Prolog von Lukas aus seinem Evangelium (Lukas 1,1-4) an:

“Da es nun schon viele unternommen haben, einen Bericht von den Ereignissen zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, vortrefflichster Theophilos, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.”

Dieser Einleitung kann man mindestens fünf wichtige Aussagen entnehmen:

1) Lukas ist nicht der erste, der ein Evangelium
schreibt; er kann auf andere Berichte zurückgreifen.
2) Es gibt Augenzeugen.
3) Er ist der Sache genau – “akribisch” -nachgegangen, hat also auch eigene Recherchen angestellt.
4) Er hat es der Reihe nach aufgeschrieben, das kann thematisch oder chronologisch gemeint sein.
5)Das Evangelium ist schließlich für einen gewissen “Theophilos” abgefaßt, der schon Kenntnisse über den christlichen Glauben hatte, und der nun die historische Grundlage der erfahrenen Lehre besser kennenlernen soll.
Diese Darstellung von Lukas über seine Arbeitsweise ist für uns deshalb so wichtig, weil Lukas auch der Verfasser der Apostelgeschichte ist. Oder sehen wir

uns Lukas 3,1 an:

“Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Vierfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa…”

Also nicht irgendwann, irgendwo, irgendwie, sondern in einer ganz bestimmten Zeit lebte Jesus Christus. Tiberius regierte von 14-37. Das fünfzehnte Jahr seiner Regierung war 28/29. Man kann nicht sagen, Lukas habe kein Interesse an konkreten historischen Aussagen gehabt. Die Göttinger Professorin für Alte Geschichte, Helga Botermann, schreibt über ihn:

“Wie ging er vor? Wie jeder Historiker hatte Lukas sein Quellenmaterial zu organisieren, eine Auswahl zu treffen und das geschichtliche Bild, das er überliefern wollte, durch die Erzählung zu strukturieren. Selbstverständlich muß man auch bei ihm davon ausgehen, daß sein Werk aus einer für ihn individuell maßgeblichen Sichtweise konzipiert wurde… Die Informanten des Lukas waren zugleich seine Kritiker. Das macht die Annahme von vornherein unwahrscheinlich, er hätte willkürlich seine Vorurteile und Intentionen der Geschichtserzählung aufpfropfen können.”

Sie faßt ihre Überlegungen folgendermaßen zusammen:

“Lukas will einen wahrheitsgemäßen Bericht geben. Seine Darstellung schöpft weitgehend aus Augenzeugenberichten. Teilweise sind [bei der Abfassung der Apostelgeschichte,Anm. des Verfassers] eigene Erinnerungen verwendet. Er schrieb für eine zeitgenössische Leserschaft, die aus Erzählungen oder aus eigener Kenntnis ein Urteil von den Dingen besaß. Es besteht also keine Veranlassung, seiner Geschichtserzählung von vornherein mit einem pauschalen Skeptizismus zu begegnen und Lukas die Beweislast zuzuschieben.”

Wie groß war der zeitliche Abstand der Quellen von den Ereignissen, über die sie berichteten? Die neutestamentliche Forschung in Deutschland geht im Moment davon aus, daß die Evangelien zwischen 60 und

90 n.Chr. entstanden sind. Möglicherweise lag die Abfassungszeit sogar noch näher bei den überlieferten Ereignissen. Die Kreuzigung fand im April 33 statt, wir haben es also mit einem zeitlichen Abstand von 30 bis 60 Jahren zwischen Ereignis und Bericht zu tun. Dieser zeitliche Abstand ist geringer, als etwa der zeitliche Abstand der Berichte von Tacitus zu den Ereignissen, über die er schrieb.

Welche Indizien gibt es nun für die Auferstehung Jesu?

I. Das leere Grab


In allen Evangelien wird es überliefert: Am dritten Tage war das Grab leer. Drei Gruppen von Zeugen werden genannt:

Soldaten, die das Grab bewachen sollten, Frauen, die gekommen waren, um den Leichnam einzubalsamieren und die Jünger, die von den Frauen gerufen wurden, als diese das Grab leer vorfanden. In der Antike ist die Tatsache des leeren Grabes nicht bestritten worden. Es gab auch keine Grabverehrung. Prof Lüdemann aus Göttingen hat in letzter Zeit für Aufmerksamkeit gesorgt, als er behauptete: “Das Grab war nicht leer”. Er argumentiert: Paulus wußte nichts vom leeren Grab, sondern das leere Grab findet sich nur in den Berichten der (nach Meinung vieler Theologen später als die Briefe des Paulus verfaßten) Evangelien wieder.

Dazu ist zu sagen:

Wenn Paulus nichts über das leere Grab schreibt, dann heißt das nicht, daß er nichts davon wußte. Das ist ein logischer Fehlschluß. Vielleicht war die Tatsache des leeren Grabes ja zu seiner Zeit so bekannt, daß er nichts darüber schreiben mußte. In seinen Briefen äußert sich Paulus an keiner Stelle über die historischen Fragen der Auferstehung, wie es etwa die Evangelien tun. Die wichtigste Stelle, die wir trotzdem zu dieser Thematik in seinen Briefen finden, (1. Korinther 15,1-10) geht der Frage nach, wie ist das mit der Auferstehung der Toten? Und in diesem Zusammenhang schreibt Paulus: Wie kann es Leute

geben, die sagen, es gäbe keine Auferstehung der Toten, wo doch Gott Jesus von den Toten auferweckt hat? In diesem Zusammenhang nennt er auch Zeugen für die Auferstehung Jesu.
In der Apostelgeschichte, Kapitel 13 äußert sich Paulus zum Grab Jesu und stellt es in einen Gegensatz zum Grab Davids (das tat vor ihm auch schon Petrus, Apostelgeschichte 2,29-31):
“David entschlief … und wurde zu seinen Vätern
versammelt und sah die Verwesung. Der aber, den Gott auferweckt hat, sah die Verwesung nicht.”
(13,36f)

Paulus wußte also durchaus etwas vom leeren Grab. Auch die Formulierung in 1. Korinther 15,4 “begraben…auferweckt” setzt doch wohl die Überzeugung eines leeren Grabes voraus.

II. Berichte über die Begegnungen mit dem Auferstandenen
werden in allen Evangelien, zu Beginn der Apostelgeschichte, aber auch in der schon zitierten Passage in 1. Korinther 15 überliefert. Kann man das erfinden? Der jüdische Neutestamentler Pinchas Lapide hält das für undenkbar: “Wenn die geschlagene und zermürbte Jüngerschar sich über Nacht in eine siegreiche Glaubensbewegung verwandeln konnte, lediglich auf Grund von Autosuggestion oder Selbstbetrug – ohne ein durchschlagendes Glaubenserlebnis -, so wäre das im Grunde ein weit größeres Wunder als die Auferstehung selbst.” Für Lapide bedeutet es ein starkes Indiz der Auferstehung, daß Frauen als erste Zeugen genannt werden. Denn damals galt das Zeugnis von Frauen nicht wenig, sondern gar nichts. Was machte es dann also für einen Sinn, Frauen als Zeugen für ein nicht geschehenes Ereignis zu erfinden? Der Vorgang der Auferstehung selbst wird nicht beschrieben. Niemand war Zeuge dieses Handelns Gottes. Die Autoren des Neuen Testaments lassen allerdings keinen Zweifel an der
Leiblichkeit des Auferstandenen: “…ein Geist hat
nicht Fleisch und Bein wie ihr seht, daß ich habe.”
(Lukas 24,39) oder: “…sie umfaßten seine Füße.”(Matthäus 28,9).

Durch die Himmelfahrt Jesu kommen die Begegnungen mit dem Auferstandenen zu einem sichtbaren Abschluß.


III. Die Wirkungsgeschichte

Die Jünger blieben trotz Spott, Verfolgung und Tod bei ihrer Verkündigung: “Gott hat den Jesus Christus, den ihr gekreuzigt habt, auferweckt”. Sie verkündigten diese Botschaft mitten in Jerusalem wenige Wochen nach der Kreuzigung (Apostelgeschichte 2). Von ihrer jüdischen Erziehung her waren die Jünger nicht darauf vorbereitet, daß der Messias sterben und daß Gott ihn auferwecken würde. Für sie waren mit dem Tod von Jesus am Kreuz ihre Hoffnungen begraben worden. Einen Widerhall dieser tiefen Enttäuschung findet man in der Geschichte von den Emmausjüngern. (Lukas 24) . Das leere Grab allein hatte bei den Jüngern keinen (Oster-)Jubel ausgelöst.
Die Auferweckung Jesu dagegen wurde von den Jüngern als Bestätigung seines Anspruchs angesehen. (Apostelgeschichte 17,31).

Waren die Menschen in der Antike leichtgläubiger als wir, die wir von der Aufklärung geprägt sind? In Athen sprach Paulus über die Auferstehung Jesu (Apostelgeschichte 17).
Anschließend gab es drei Gruppen von Hörern: die Spötter, die sich auf Grund ihrer philosophischen Vorurteile (es gibt keinen Gott bzw. Gott will/kann nicht in die Geschichte eingreifen) so etwas überhaupt nicht vorstellen konnten; die Vertager, die meinten, man solle später auf die Sache noch einmal zurückkommen, und die Hörer, die zum Glauben anden auferstandenen Jesus kamen. Eine besondere Leichtgläubigkeit ist hier nicht erkennbar.

Was kann ein (Alt-)Historiker über die Auferstehung Jesu sagen? Nach der historischen Überlieferung ist die Auferstehung Jesu sehr gut bezeugt: Das leere Grab, die Begegnungen mit dem Auferstandenen, die Reaktion der Jünger. Die drei Hörergruppen von Athen wird es auch heute – nach der Aufklärung – geben, wenn über die Auferstehung Jesu gesprochen wird.


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Autor: Dr. Jürgen Spieß
© 2001 Institut für Glaube und Wissenschaft
www.iguw.de

Kommentare

  1. Albrecht

    Sie sandten mir per “Schneckenpost” eine Karte mit Angebot: “Bibelkurse für München”.
    Dazu zwei Fragen:
    (1) Wer sind Sie bzw. welche Konfession (und davon bin ich überzeugt), steckt dahinter?

    (2) Wie läuft der Bibelkurs, und welche Themen enthält er?

    M. f. G.

    Albrecht

    PS: Danke für “ehrliche” Antwort.

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