Ein Physiker auf Drogen und auf der faszinierenden Suche nach dem Endgültigen.

Der Physiker Dr. rer. nat. Albrecht Kellner, ist technischer Berater für das Raumfahrt-Unternehmen Astrium ST und Autor des Buches «Expedition zum Ursprung – Ein Physiker sucht nach dem Sinn des Lebens». Hier eine kleine Leseprobe:

REISEN DURCH DIE PSYCHE
Da die rein rationalen Überlegungen der Wissenschaft und somit der
Verstand allein sich ein für alle Mal als unzureichendes Transportmittel
auf meiner Expedition zu den Urgründen des Seins erwiesen
hatten, stellte sich die Frage, welche anderen Möglichkeiten es gab,
diese Expedition fortzusetzen.
Zunächst wurde mir die Rolle des Verstandes immer klarer. Er
ist die ordnende Instanz und befähigt uns dazu, die Wahrnehmung
der Dinge in Kontext zueinander und mit unseren Bedürfnissen
abzugleichen, Schlussfolgerungen zu ziehen und uns auf diese Weise
sinnvoll in unserer Welt zu verhalten. Entscheidend schien mir
dabei die zunächst trivial anmutende Erkenntnis, dass diese Funktion
erst dann zum Einsatz kommen kann, wenn bereits Wahrnehmungen
vorhanden sind. Denken ist immer ein Nach-Denken, ein
Denken, nachdem Eindrücke aus der äußeren oder inneren Umwelt
zu uns gedrungen sind. Zuerst hatte man die Planeten und ihre
Bewegungsmuster beobachtet. Erst danach konnten die alten Griechen,
die Azteken, konnten Newton und Einstein ihre Überlegungen
dazu entwickeln. Und während die Beobachtung der Planetenbewegungen
durch die Jahrtausende gleich geblieben ist, wurden die
Ergebnisse des Nachdenkens über diese Phänomene ein ums andere
Mal relativiert.
Das Primäre, Unmittelbare, Unveränderliche ist die Wahrnehmung.
Die verstandesmäßige Verarbeitung ist nachgeordnet, sekundär
und relativ. Das hieß, für ein wie immer geartetes Vordringen
zum Ursprung allen Seins musste die direkte und unkommentierte
Wahrnehmung das geeignetere Transportmittel sein, da es einen
unmittelbarer und näher an das Eigentliche heranführen konnte.
Diese Feststellung sollte von nun an der Wegweiser für alle weiteren
Versuche werden. Es musste also etwas im Bereich meiner unmittelbaren Wahrnehmung
auftauchen, was sich bislang so noch nicht gezeigt hatte –
denn sonst hätte ich ja schon gefunden, was ich suchte. Es würde
sich dann hoffentlich als das Ziel meiner Expedition erweisen.
Nach eingehender Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass es
hierzu einer Art erweiterter Wahrnehmungsfähigkeit des Bewusstseins
bedurfte. Es lässt sich mühelos erraten, wohin mich nun meine
Suche führte.
Die Pforten der Wahrnehmung
Das Buch „Pforten der Wahrnehmung“ von Aldous Huxley, der mit
psychedelischen Drogen experimentiert hat, kannte ich damals zwar
noch nicht, aber es war der Beginn der Flower-Power-Ära: Selbst
in der damals noch recht verschlafenen Studentenstadt Göttingen
durchwehten die eine oder andere Teestube schon am frühen Nachmittag
die süßlichen Schwaden glimmenden Hanfs.
Bereits das erste persönliche Erlebnis mit diesen Schwaden ließ
in mir die Hoffnung aufkeimen, dass ich hierdurch in der Tat einen
Weg gefunden hatte, meinem Bewusstsein neue Möglichkeiten der
Wahrnehmung zu eröffnen, die mich näher an mein Ziel heranbringen
würden.
Diese Neuausrichtung meiner Expedition von einer Exploration
der Möglichkeiten des Verstandes zu den Huxleyschen Pforten der
Wahrnehmung verlief natürlich noch nicht in dieser klaren Konsequenz
und auch nicht im vollen Bewusstsein dessen, was sich da
in mir abspielte. Dass ich mich überhaupt auf dieser Reise zu einer
tieferen Erklärung meines Daseins befand, stand mir eigentlich nur
hin und wieder vor Augen, etwa während des einen oder anderen
alkoholgeschwängerten, weinerlich-philosophischen Abends mit
seelenverwandten Freunden und Freundinnen. Dann konnte es sein,
dass sich im Verlaufe der Gespräche die Nebel der alltäglichen Gewöhnung

an das Unfassbare lüfteten und eine ganz andere Sicht
der Dinge freigaben. Dann wurde uns etwa bewusst, dass die Erde in
Wirklichkeit ein Klumpen uralter, auf der Oberfläche erkalteter und
verkrusteter Sternenmasse ist, der mit immenser Geschwindigkeit in
der Leere des Weltalls unterwegs ist, auf einer Umlaufbahn um ein
atomares Urfeuer unvorstellbarer Gewalt, das seinerseits nur eines
von hundert Milliarden anderer, viel gewaltigerer derartiger kosmischer
Brände ist, den Sternen, die ihrerseits zu einer Galaxie, einem
riesigen, spiralförmigen, rotierenden Gebilde gehören, das wiederum
nur eine von etwa hundert Milliarden anderen Galaxien darstellt
in einem Weltall, das in einer gigantischen Respirationsbewegung
über Äonen hinweg expandiert und kontrahiert – ein Schauspiel,
dessen Dimensionen alle Vorstellungskraft übersteigen. Und auf seiner
rasenden Irrfahrt durch diese gespenstische Kulisse reißt dieser
Splitter aus Sternenstaub namens Erde Milliarden von wimmelnden
Wesen mit sich: Langusten, Würmer, Bazillen, Wale, Schnecken,
Skorpione, Affen, Nashörner, Tintenfische, Viren, Giraffen, Aale,
Nilpferde und Menschen. Es sind Gebilde unglaublicher Komplexität,
mit Skeletten oder Chitinpanzern als tragenden Strukturen, mit
Fleischwülsten, Bändern, Haut, Pumpen, Ventilen, unendlich fein
verästelten flexiblen Rohrleitungen, hochkomplexen neuronalen
Netzen, Übertragungsbahnen für elektro-chemische Impulse, Vorrichtungen
zur Erzeugung von Geräuschen, Systemen zum Empfang
dieser Geräusche, Linsen, Verschlusssystemen für diese Linsen,
Raffinerien zur chemischen Aufbereitung von zerkauten Pflanzen
oder ganzer lebender Wesen sowie zum Abbau und Entsorgen von
Resten, Vorrichtungen zum Laufen, Fliegen, Schwimmen, Greifen,
Fangen, Beißen, Zerkleinern, Zermahlen … Und alle diese Kreaturen
mit irgendwelchen Funktionen und Absichten und Zielsetzungen,
ständig in Bewegung, fressend, zeugend, spielend, lernend, lauernd,
kämpfend, leidend, sterbend – ein unaufhörlicher Strom ständig entstehender
und vergehender lebender Strukturen. Und inmitten dieser aberwitzigen Versammlung seltsamster Wesen,

durch unerklärliche Kräfte festgehalten auf diesem rotierenden, durch die Schwärze
des Alls rasenden Gesteinsbrocken, gibt es eine Kreatur mit einer
Befindlichkeit, deren Rätselhaftigkeit allen bisherigen Erklärungsversuchen
kategorisch getrotzt hat: mich.
Wer bin ich?
Die Wirkung setzte immer urplötzlich ein, fast wie ein Schlag
ins Gesicht, dessen Muskeln sich in Sekundenbruchteilen entspannten.
In dieser tiefen Entspannung, die sich im ganzen Nervensystem
ausbreitete, schien es, als ob sich die Zeit verlangsamte. Es war,
als ob der Fluss der Zeit grobkörniger wurde. Die einzelnen Ereignisse
wurden deutlicher, individueller. Man nahm nichts wahr, was
man nicht auch sonst wahrgenommen hätte, aber alles erschien um
ein Vielfaches intensiver und detaillierter. Anderseits schien man
nur auf einen bestimmten Ausschnitt des Umfeldes konzentriert
zu sein. Offenbar kam es zu einer Fokussierung auf einen eingeengten
Bereich, sodass dieser mit umso größerer Deutlichkeit und
Auflösung der Details ins Bewusstsein gelangen konnte. Insofern
handelte es sich eher um eine Bewusstseinsverengung als um eine
Bewusstseinserweiterung. So konnte ich beispielsweise eine Blume
minutenlang in sprachlosem Staunen ob solch eines Wunderwerks
anstarren. Witze führten mitunter zu stundenlangen Lachkrämpfen.
Die Aufnahme von flüssiger oder fester Nahrung wurde zum
Erlebnis einer unglaublichen Vielfalt feinster Geschmacksnuancen.
Die Musik etwa eines Streichorchesters erschien als ein vollkommen
transparentes Nebeneinander der einzelnen Instrumente. Es
war mühelos möglich, die Polyphonie in ihre einzelnen Bestandteile
zu zerlegen und den separaten Melodien und Rhythmen zu folgen.
Durch bewusste Konzentrationsübungen konnte man diese Auflösung
in einzelne Stimmen noch so weit steigern, dass es schien, als
ob die Zeit sich verlangsamte, bis hin zu dem aus der Zeit der Grammofone
bekannten Effekt, der entsteht, wenn man die Platte mit zu
geringer Geschwindigkeit laufen lässt. Auch schien die Musik aus
einem Bereich außerhalb und oberhalb des Kopfes zu kommen, und noch heute ist mir die felsenfeste Gewissheit in Erinnerung, mit der
mir klar wurde, dass alle Musik eigentlich schon immer im Bewusstsein
vorhanden war und die Instrumente lediglich die Wahrnehmung
zu diesen Klängen öffneten, sie aber niemals selber hervorriefen.
Am meisten überraschte mich jedoch das Phänomen der sprachlosen
Kommunikation. Ich erlebte zum Beispiel, dass der Redefluss
einer Unterhaltung allmählich abebbte, obwohl das Gespräch mit
unverminderter Intensität andauerte. Nach einiger Zeit des äußerlichen
Schweigens wurde meinem Gesprächspartner und mir die
Seltsamkeit dieses Zustandes plötzlich und gleichzeitig bewusst,
und ohne Worte verabredeten wir uns, für einen Moment wieder
die Sprache einzuschalten, um zu überprüfen, ob wir uns tatsächlich
noch über das Gleiche unterhielten. Und in der Tat: Das anschließende
Gespräch war eine direkte Fortsetzung der rein gedanklichen
Unterhaltung! Wieweit dieses Erlebnis auf Gedankenübertragung
beruhte oder auf dem mit höchster Aufmerksamkeit beobachteten
Mienenspiel des Gegenübers, entzieht sich meiner Kenntnis. Diese
Erfahrung hinterließ jedoch bei mir einen nachhaltigen Eindruck.
Und dies umso mehr, als diesem Ereignis kurz darauf in der gleichen
Runde ein weiteres folgte.
Ich hatte mich entschlossen zu gehen, und dabei fiel mir ein, dass
ich meine Brille abgesetzt hatte, um insbesondere bei den weiblichen
Anwesenden einen, wie ich meinte, besseren Eindruck zu
machen. Als ich mich also mit dem Gedanken trug, die Brille aus
meiner Tasche hervorzukramen, fiel mein Blick auf just solch eine
weibliche Person, und was sah ich da: Sie hatte ihre Brille verkehrt
herum auf der Nase! Mir schien es, dass sie meine Gedanken gelesen
und meine Absicht erkannt hatte und mir dies auf diese Weise
mitteilen wollte! An das sich anschließende Gespräch kann ich
mich nicht mehr genau erinnern, aber der Grundtenor ist mir noch
im Gedächtnis: Es drehte sich um Angst, möglicherweise vor ihrer
Fähigkeit, meine Gedanken zu lesen. Ich sagte, dass ich vor nichts jetzt mit dir mit und zeige dir etwas, wovor du Angst hast.“ Ich ließ
mich darauf ein, und wir verließen die Wohnung. Sie führte mich
kreuz und quer durch die Stadt, bis wir schließlich vor dem Eingang
eines großen Kaufhauses anhielten. Es war an einem Sonntag und
die Tür war verschlossen. Ihre Außenseite bestand aus einem einzigen,
riesigen Spiegel.
Ich stand mir selbst lebensgroß gegenüber.
„Das ist, wovor du Angst hast“, sagte eine Stimme leise hinter
mir.
In dieser Zeit lebte ich in zwei Welten. Einerseits bereitete ich
mich auf die Diplomprüfung vor. Die Physik hatte ich keineswegs
an den Nagel gehängt, denn dazu war sie zu faszinierend – und ich
musste ja auch einen Beruf erlernen. Anderseits verstrickte ich mich
immer mehr in diese Welt der vermeintlichen Bewusstseinserweiterung,
weil ich zu spüren glaubte, dass die erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit
mich näher an das Ziel meiner Expedition heranführte. Im
Gegensatz zu meinen Freunden, die den bewusstseinserweiternden
Kick mehr zum Spaß bei geselligen Anlässen suchten, schloss ich
mich immer öfter in meine winzige Studentenbude mit dem mehr
oder weniger expliziten Vorhaben ein, mich näher und näher an
mein Ziel der direkten Wahrnehmung des Endgültigen herantragen
zu lassen.
Aber es gelang nicht.
Eines Abends geriet mir eine Bibel in die Hände, und ich schlug
sie aufs Geratewohl auf. Ich landete im 7. Kapitel der Offenbarung
und las die Verse 4 bis 8. Während man gerade diesen Abschnitt
normalerweise eher flüchtig lesen oder gar überspringen würde,
erschütterte mich damals, der ich voll unter dem Einfluss der
bewusstseinserweiternden Mittel stand, die mächtige Eindringlichkeit
der Aussagen zutiefst:
„Und ich hörte die Zahl derer, die versiegelt wurden: hundertvierundvierzigtausend,
die versiegelt waren aus allen Stämmen
Israels:

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