Gegen den früheren ägyptischen Innenminister Habib el-Adly wird derzeit wegen des Verdachts auf Verstrickung in den Terroranschlag auf Kopten in der Neujahrsnacht in Alexandria ermittelt. Dies berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die damit eine Meldung des arabischen Nachrichtensenders al Arabiya aus Dubai aufgreift. Berichte britischer Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter sollen Zweifel an den offiziellen ägyptischen Versionen des Tatgeschehens nähren.
Bei dem Anschlag auf die Kathedrale waren 24 Kopten getötet und 170 Personen verletzt worden. Augenzeugen des Blutbades hatten sich gegenüber der GfbV verwundert darüber gezeigt, dass trotz Gewaltdrohungen bis auf vier Polizisten und einen Vorgesetzten alle Überwachungskräfte unmittelbar vor dem Anschlag von der mit 2.000 Gläubigen besetzten Kirche abgezogen worden waren.
„Sollte sich der ungeheuerlich klingende Verdacht erhärten, würde dies das Mubarak-Regime in ein noch düstereres Licht rücken“, kommentiert der Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, den Vorgang. Das ägyptische Innenministerium hatte mehrfach neue Versionen des Tatgeschehens präsentiert und unerwartet schnell ausländische Attentäter des Terrornetzwerks El Kaida für das Blutbad verantwortlich gemacht. Später musste die Regierung einräumen, dass der Anschlag von Ägyptern verübt wurde. Für die Planung des Anschlags machte Kairo die im Gaza-Streifen ansässige „Armee des Islam“ verantwortlich, die jedoch jede Beteiligung bestritt.
Der ägyptische Rechtsanwalts Ramzi Mamdouh berichtet, sich dabei auf britische Diplomaten berufend, dass der frühere ägyptische Innenminister in den vergangenen sechs Jahren ein Sonderkommando von 22 Mitarbeitern aufgebaut hat, zu denen auch radikale Islamisten zählten. Sie sollten Anschläge im Land verüben, damit das Mubarak-Regime sich als Retter vor Islamisten darstellen könne.
Britischen Geheimdiensten sollen zudem Informationen vorliegen, denen zufolge ein Mitarbeiter des Innenministeriums in Kairo, Major Fathi Abdelwahid, am 11. Dezember 2010 Ahmed Mohamed Khaled, der elf Jahre in ägyptischer Haft verbrachte, angewiesen habe, mit der radikalen Gruppe Jundullah Kontakt aufzunehmen. Sie sollten einen Anschlag auf die Kathedrale in Alexandria vorbereiten. Khaled soll gegenüber der Gruppe erklärt haben, er habe Waffen in Gaza beschafft, um „die Kopten zu disziplinieren“.
Ein Jundullah-Mitglied sollte das mit dem Sprengsatz beladene Auto vor die Kirche fahren. Entgegen der Absprache zündete der Major den Sprengsatz, obwohl der Attentäter es noch nicht verlassen hatte. Später soll Khaled mit Jundullah-Kämpfern in einer konspirativen Wohnung in Alexandria zusammengetroffen sein, um das Attentat auszuwerten. Einige Tage danach wurden die Jundullah-Aktivisten verhaftet und ins Innenministerium gebracht. Als die öffentliche Ordnung zusammenbrach, sollen sie am 28. Januar geflohen sein und in der britischen Botschaft Zuflucht gesucht haben.
„Die Vorwürfe klingen abenteuerlich, erinnern jedoch an ähnliche Kommandoaktionen des algerischen Geheimdienstes, der 1996 sieben französische Mönche entführte, die später getötet wurden“, sagte Delius. „Außerdem verübten Geheimdienstler zahlreiche Terroranschläge, für die Regierung in Algier fälschlicherweise radikale Islamisten verantwortlich machte.“(Michaela Koller ead.de)