Tausende erweisen dem Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt in Hamburg die letzte Ehre.

Um diesem Anlass Gewicht zu verleihen, richtete der Staat eine aufwendige Feier mit seinen höchsten Repräsentanten, Hinterbliebenen, Weggefährten und anderen geladenen Gästen aus. Zum festlichen Rahmen gehörten die Nationalhymne und eine Traueransprache des Staatsoberhaupts oder eines Vertreters. Gemäß einer Anordnung von 1966 werden Staatsakte durch den Bundespräsidenten angeordnet. Helmut Schmidt hatte jedoch seine Trauerfeier schon im Voraus geplant.
Die Predigt von Hauptpastor Alexander Röder ging auf Psalm 90 zurück:
„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon. Wer glaubt aber, daß du so sehr zürnest, und wer fürchtet sich vor dir in deinem Grimm? Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden.“
Auf Wunsch vom verstorbenen Altkanzler erklang Musik des von Schmidt verehrten Genies Johann Sebastian Bach.
Der Chor St. Michaelis sang unter Leitung von Christoph Schoener die Motette „Der Geist hilft unser Schwachheit auf“.

„Der Geist hilft unser Schwachheit auf“ – Bach hat die Worte des Apostels Paulus aus dem Römerbrief auf seine Weise interpretiert und in eine Weite geführt, die Räume öffnet für eigenes Empfinden, für Nachdenken und Weiterdenken und auch für Stützung und Halt und Trost in Stunden der Bedrängnis, von Gefahr oder großer Not. Helmut Schmidt hat solche Stunden durchlebt in seiner politischen Verantwortung als Bundeskanzler, als schon damals terroristische Verbrechen abgewehrt werden mussten und dafür schwere Entscheidungen zu treffen waren – nicht ohne Leid und nicht ohne das Empfinden, an die Grenze der eigenen Fähigkeiten gelangt zu sein.  

Haltepunkte: Auch das Vaterunser war ihm ein solcher und das Abendlied von Matthias Claudius. Er selbst hat sie sich gewünscht für seinen Abschied hier im Michel.

Matthias Claudius, der fromme Aufklärer und der „begnadete Naive“, wie Helmut Schmidt ihn genannt hat, hat in der letzten Strophe seines Abendliedes  zusammengefasst, was er für die Nacht erbittet, was er für die Welt erbittet:

„So legt euch denn, ihr Brüder/in Gottes Namen nieder/kalt ist der Abendhauch./Verschon uns, Gott, mit Strafen,/Und lass uns ruhig schlafen!/ Und unsern kranken Nachbarn auch.“ „Hier ist die Liebe“ hat Helmut Schmidt diese Worte interpretiert. Hier ist der Blick, der den Schwachen und Bedürftigen nicht übersieht und die eigene Angewiesenheit nicht leugnet. (Handelsblatt.de)

„Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden. Wenn man Gott mit seiner Musik nicht ehrt, ist die Musik nur ein teuflischer Lärm und Krach.“ (Johann Sebastian Bach)

„Wenn man bedenkt, dass so viele Philosophen und Theologen Tage und Nächte damit verloren haben, nach Gottesbeweisen zu suchen, und den eigentlichen verloren haben. Nach einem Oratorium, einer Kantate oder einer Passion muss er existieren. Sonst wäre das ganze Werk des Kantors nur eine herzzerreißende Illusion.“ (Émile Michel Cioran)

„In dieser Woche habe ich dreimal die Matthäuspassion des göttlichen Bach gehört, jedes Mal mit dem Gefühl der unermesslichen Verwunderung. Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium.“ (Friedrich Nietzsche)

„Endlich soll auch die Endursache aller Musik und also auch des Generalbasses seyn nichts anderes als nur Gottes Ehre und Recreation des Gemüths; wo dies nicht in Acht genommen ist, das ist keine recht eigentliche Musik.“ (Johann Sebastian Bach)

„Die Schönheit des Andante aus dem Violinkonzert von Johann Sebastian Bach ist so groß, das man ernstlich nicht mehr weiß. wo man sich hinsetzen soll, um des Anhörens würdig zu sein. Sie bleibt einem lange im Sinn, und man wundert sich beim Hinaustreten auf die Straße, dass der Himmel nicht blauer ist und der Pantheon nicht aus der Erde emporwächst. Doch das wilde Hupen der Autobusse rückt die Dinge schnell wieder an ihren Platz.“ (Claude Debussy)

Ludwig van Beethoven soll gesagt haben, eigentlich müsse der Barockkomponist „Meer heißen, und nicht Bach“, so weit und strömend sei seine Musik.

Als Bach seinen baldigen Tod ahnt, diktiert er seinem Schwiegersohn eine Orgel-Variation des Chorals „Vor deinen Thron tret ich hiermit“. Helmut Schmidt steht jetzt ebenfalls vor dem Thron des Allerhöchsten. Der wird ihn gerecht richten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Ich stimme zu

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.