Weihnachten ist das einzige christliche Fest, das gleichzeitig ein großer säkularer Feiertag ist – möglicherweise der wichtigste in unserer Kultur.

Weihnachten ist das einzige christliche Fest, das gleichzeitig ein großer säkularer Feiertag ist – möglicherweise der wichtigste in unserer Kultur. Das Ergebnis sind zwei ganz unterschiedliche Feste, die von jeweils Millionen Menschen zur gleichen Zeit begangen werden, was auf beiden Seiten zu Irritationen führt. Viele Christen müssen feststellen, dass auf immer mehr öffentlichen Weihnachtsveranstaltungen jeder Bezug auf den christlichen Ursprung des Festes geflissentlich vermieden wird. In Kaufhäusern und Einkaufszentren wird man zunehmend nicht mehr mit „Stille Nacht“ beschallt, sondern mit „Jingle Bells“. „Das Fest“ wird als Zeit für die Familie, als Anlass für Geschenke und als Werbung für den Frieden in der Welt vermarktet. Wie ein begeisterter User der beliebten Website „Gawker“ schrieb: „Weihnachten ist ein wunderbarer säkularer Feiertag.“
Auf der anderen Seite müssen viele nicht religiöse Menschen feststellen, dass die ursprüngliche Bedeutung von Weihnachten immer wieder wie ein ungeladener Gast anklopft, zum Beispiel durch die Melodien und Texte der alten Weihnachtslieder. Es kann peinlich sein, wenn man von seinem Kind bei der zweiten Strophe von „Stille Nacht“ gefragt wird: „Papa, was heißt das: ‚Da uns schlägt die rettende Stund …?‘“
Als Christ lasse ich die Gesellschaft, zu der ich gehöre, gerne an der Bedeutung dieses Festes teilhaben. Das säkulare Weihnachten ist ein Fest der Lichter, ein Fest der Familie und ein Tag, wo man sein Portemonnaie öffnet, sowohl für seine engsten Verwandten als auch für die Menschen, die besonders in Not sind. Diese Gebräuche machen uns alle reicher und passen sehr gut zu den christlichen Wurzeln dieses Feiertags.
Das „säkulare“ Weihnachten wird uns erhalten bleiben; es ist einfach zu wichtig für den Handel und seine Umsätze. Doch meine Befürchtung ist, dass in Zukunft immer weniger Menschen um seine eigentlichen Wurzeln wissen werden. Weihnachten als Fest der Lichter – das kommt ja von dem Glauben der Christen, dass es ein Licht für die Welt gibt – eine Hoffnung, die von außerhalb der Welt kommt. Das Schenken ist eine nahe liegende Reaktion auf die unerhörte Tatsache, dass Jesus sich selber den Menschen geschenkt hat, als er seine Herrlichkeit ablegte und als Mensch geboren wurde. Und die Spenden und Weihnachtsfeiern für die Armen und Bedürftigen erinnern uns daran, dass der Sohn Gottes nicht in eine aristokratische Familie hineingeboren wurde, sondern in eine arme; der Herr des Universums identifizierte sich mit den Niedrigen und Geringen und Verachteten.
Dies sind starke Themen – und alle sind sie zweischneidige Schwerter. Jesus kam als das Licht in die Welt, weil wir geistlich zu blind sind, um selber unseren Weg zu finden. Jesus wurde ein Mensch und starb, weil unser moralischer Bankrott so total ist, dass wir nur auf diese Art Vergebung erlangen konnten. Und weil Jesus sich so für uns hingegeben hat, müssen wir uns mit Haut und Haaren ihm hingeben; Christen gehören nicht mehr sich selbst (vgl. 1. Korinther 6,19). Weih- nachten ist – genau wie Gott selber – sowohl wunderbarer als auch gefährlicher und bedrohlicher, als wir uns das vorstellen.
Mit jedem Jahr wird unsere zunehmend säkulare westliche Gesellschaft blinder für ihre eigenen historischen Wurzeln, von denen viele mit den Grundlagen des christlichen Glaubens zu tun haben. Aber einmal im Jahr, zu Weihnachten, werden diese Grundwahrheiten einem enorm großen Publikum ein kleines bisschen zugänglicher. Auf zahllosen Konzerten, Feiern und anderen Veranstaltungen kommen plötzlich unversehens Grundaussagen des christlichen Glaubens zur Sprache, selbst wenn die meisten der Teilnehmer mit Religion nichts am Hut haben. Nehmen wir als Beispiel das wohl bekannteste Weihnachtslied, „Stille Nacht, heilige Nacht“, das man in der Vorweihnachtszeit in Einkaufszentren, Supermärkten und an Straßenecken hören kann: Wer ist Jesus? – „Gottes Sohn, o wie lacht“, er ist Gott „in Menschengestalt“. Wozu kam er auf die Erde? – Um zu retten: „Christ der Retter ist da“. Wie tat er das? – In seinem Kommen auf die Erde zeigt sich die „Lieb aus göttlichem Mund“. Wie können wir dieses neue Leben bekommen? – Indem „uns schlägt die rettende Stund“, das heißt, indem wir diese Liebe und Rettung auch persönlich annehmen. Ursprünglich war das Lied sogar noch inhaltsreicher – von den eigentlich sechs Strophen sind heute nur noch drei allgemein bekannt.
Nicht alle der bekannteren Weihnachtslieder und Bibelabschnitte sind so inhaltsreich, aber Tatsache ist: An ein paar Tagen im Jahr kommen Hunderte Millionen Menschen auf Tuchfühlung mit dieser Botschaft; sie bräuchten sich nur die Mühe zu machen, die gleichen Fragen an diese Texte zu stellen, die wir gerade an „Stille Nacht“ gestellt haben. Wer Weihnachten verstanden hat, der hat die Botschaft von Jesus Christus verstanden. T. Keller

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