Zeit der Verwirrung

Die Erfahrung, tatsächlich vor dem Abgrund der Sinnlosigkeit zu stehen, gebiert entweder die schwere Depression, die Höllenwut des Amoks, oder den Taumel einer rauschhaften Erfahrung im Massenevent. Es kann auch das geradezu verzweifelte Engagement für ein Ziel sein, dessen Hauptmerkmal seine Beliebigkeit ist. Der eine wird zum Kämpfer gegen das Passivrauchen, der andern verliert sich in esoterischen Gefühlswelten, der dritte kämpft in Berlin mit dem Heuerzeug in der Hand gegen Oberklasse-Limousinon oder in Stuttgart gegen den Umbau eines Bahnhofes, als hinge Wohl und Wehe des Abendlandes daran. Und der Staat? Er nutzt die postmoderne Verwirrung und erweitert seine Rolle als vormundschaftlicher Hüter der vermeintlich unmündigen Bürger.  Er regiert zunehmend in die Lebensführung des Einzelnen hinein. Ständig erweiterte Schutznormen, verhaltensreglementierende Vorgaben deklassieren den Bürger zum Unmündigen. Stück um Stück wird den Eltern das Grundrecht auf die Erziehung aus den Händen gewunden. Der britische Publizist Mick Hume schreibt, heute werde „der neuartige „therapeutische Staat“ sichtbar, der seine Aufgabe darin sieht, „einer unwissenden Öffentlichkeit den Weg zu neuer Rechtschaffenheit zu weisen“. Wo früher der christliche Glaube der sittliche Kompass war, ist jetzt staatlich definiertes Gesundheitsbewusstsein die Richtschnur, schreibt der Kolumnist Michael Miersch. Miersch bringt den Wandel auf den Punkt: «Einst ging man in die Kirche, jetzt zelebriert man den Körperkult.» Wer geistlich keinen Sinn mehr finden kann, muss den Körper vergötzen. In der postmodernen Gesellschaft kann es keine Sünde mehr geben. Es geschehen zwar allerorten Dinge, die offenbar nicht richtig sind. Aber sollte jemand schuld sein? Wo es keine Wahrheit gibt, kann es auch keine Schuld geben – allenfalls Verstösse gegen gesellschaftliche Normen. Die sind aber so relativ und beliebig wie alles andere. Der Medientheoretiker Peter Weihet kritisiert diese Entwicklung mit den Worten: „Im Sport, in der Finanzwirtschaft. in der Justiz werden Schulden, Schuld und Sühne abgeschafft. In Duisburg (Loveparade) hat niemand Schuld, an der Finanzkrise hat niemand Schuld. Das System schluckt die Schuld. Es ist der letzte Rest des Christentums, der damit von uns gehl. Thomas Lachenmaier   Der komplette Artikel ist in factum 8/2010
https://schwengeler.ch/wFactum_de/aktuelles_heft/aktuelles_heft.php

Kommentare

  1. eleu

    Zu Zeit der Verwirrung.

    Das die Leute auf der Loveparade meiner Meinung nach selbst Schuld(ig) sind, finde ich auch wahr.
    Es gibt Christen, die dafür gebetet haben, dass sie nicht mehr stattfinden soll…aber schon vor 2010…

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