Christliche Fundamentalisten – ein Blick in die Geschichte

Die christlichen Fundamentalisten – eine rückständige Erscheinung in unserem Zeitalter. Sind sie es doch, die die Moderne ablehnen und ein auf Reaktion und Opposition gerichteter Charakter im Verhältnis zur Aufklärung, Evolution oder zu essentiellen ethischen Fragen wie Abtreibung, Feminismus, sexuellen Selbstbestimmung, Pornographie, etc. haben. Sie sind irrational ultrareligiös, drohen mit einem kommenden Weltgericht und hoffen auf eine bessere Welt im Jenseits. Sie schrecken nicht davor für ihre Überzeugungen in den Tod zu gehen. Hin und wieder erschweren manche der fanatischeren Hardliner durch ihre medienträchtigen Aktionen diplomatische Bemühungen mit eher autoritären Staaten.

Es gibt mittlerweile etliche Journalisten, die sie mit Radikalen anderer Religionen gleichsetzen. Das scheint zunehmend auch die allgemeine Wahrnehmung in westlichen Staaten zu sein: alle Fundamentalisten haben ja einen vergleichbar intolleranten, da exklusivistischen Anspruch und gefährden somit die Ordnung freiheitsliebender und säkularer Nationen.

Die wichtige Frage, die sich dem aufmerksamen Beobachter stellt, ist nun, ob dieses Denken als sachlich oder als eher oberflächlich bezeichnet werden kann? Entspringen Behauptungen wie die oben erwähnten solider Recherche oder könnten sie als undifferenziert oder gar als demagogisch gelabelt werden? Wo kommen denn diese „Bibeltreuen“ her und wie sind sie im Laufe der Jahrhunderte in Erscheinung getreten? Einige konkrete Beispiele könnten an dieser Stelle helfen, die Bedeutung des christlichen Fundamentalismus greifbar zu machen. Christen, die sich auf die Bibel berufen haben, wurden schon öfters in der Geschichte als gefährliche Gruppierung gebrandmarkt. Im Folgenden soll dies an 3 Beispielen aus der alten und neuen Geschichte gezeigt werden. Das erste Beispiel stammt schon aus der Zeit der ersten Christen nach Jesus:

Schon während Neros Regentschaft (64–68 n.Chr.) galten Christen als gefährlich – weil sie den römischen Göttern nicht opferten, sondern nur einen Gott anbeten wollten. Sie trafen sich zunächst in Privathäusern, später auch in Katakomben, um ihre Gottesdienste abzuhalten. Deswegen entstanden die wildesten Spekulationen: die „Christiani“ würden Kinder töten, Zauberei treiben und den Umsturz des römischen Staates planen. Sie mussten für so Manches als Sündenböcke herhalten. “Wenn der Tiber bis an die Stadtmauern steigt”, schrieb der Kirchenvater Tertullian 197, “wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot, wenn es eine Seuche gibt, sogleich erhebt sich das Geschrei: ‘Die Christen vor den Löwen!’”. Man dachte, dass sie beseitigt werden müssten, um die offensichtlich zornigen Götter gnädig zu stimmen. Doch weder Götter noch Kaiser konnten die Ausbreitung des Christentums aufhalten. Menschen aus allen sozialen Schichten sind – trotz massivem Widerstand und Aberkennung ihrer Rechte – Christen geworden. Diejenigen, die ihren Glauben nicht abschwören wollten, wurden gefoltert, in Arenen Raubtieren zum Fraß vorgeworfen, auf Scheiterhaufen verbrannt, enthauptet, uvm. Unzählige „Märtyrer“ kamen gewaltsam in den ersten vier Jahrhunderten n.Chr. ums Leben.

Das zweite Beispiel spielte sich 1100 Jahre später ab:

Die Anfänge der „Waldenser“-Bewegung waren eher unspektakulär: der wohlhabende französische Kaufmann Pierre Waldes fing an, das Wort Gottes zu lesen und praktisch umzusetzen. Während der Hungersnot um 1177 organisierte er öffentliche Armenspeisungen in Lyon und predigte das Evangelium. Viele schlossen sich ihm an, lernten ganze Bibelteile auswendig und verkündigten die biblische Botschaft. Sie lebten ein extrem schlichtes Leben – ganz entgegengesetzt zum Prunk der kirchlichen Würdenträger. Der Zeitgenosse Walter Map beschrieb die Waldenser wie folgt: „Diese Leute haben keinen festen Wohnsitz, ziehen zu zweit durchs Land, barfuß, in Wollkleidern. Sie besitzen nichts eigenes, sondern haben alles gemeinsam nach dem Vorbild der Apostel, sie folgen nackt dem nackten Christus nach. Noch ist ihre Zahl klein… wenn wir sie gewähren lassen, werden sie uns verjagen.“ Als der Lyonner Bischof ihnen das Predigen verbietet, gingen Waldes und einige Gefährten nach Rom, um die päpstliche Erlaubnis dafür zu erbitten, die sie dann auch erhielten. Weil sie sich jedoch u.a. gegen die Papstgewalt, gegen die Heiligen- und Bilderverehrung aussprachen, wurden sie zunehmend bedrängt und exkommuniziert. Trotz allem breitete die Bewegung sich immer stärker in Frankreich, Oberitalien, Schweiz, Deutschland und den baltischen Staaten aus. Überall sind sie durch die praktische Umsetzung der Botschaft Jesu und vielerorts auch durch ihre hohe Arbeitsmoral aufgefallen. Um 1300 soll es allein in Wien und Salzburg an die 80.000 Waldenser, in Böhmen ca. 100.000 (15% der Bevölkerung) gegeben haben! Nach ungeheuerlichen Inquisitionsverfahren wurden Tausende und Abertausende grausam umgebracht und die gesamte waldenser Literatur inkl. ihrer teilweise in den Landessprachen übersetzten Bibeln verbrannt.

Hier das dritte Beispiel aus der neueren Zeit, kurz bevor die Aufklärung Europa erfasste:

Im Jahr 1729 drohte der Salzburger Erzbischof Leopold von Firmian die Besitzer „lutherischer“ Bücher hohe Geldbußen und Gefängnis an. Nur zwei Jahre später erliess Leopold ein Emigrationspatent, das viel Unverständnis und viel Not hervorrufen sollte. Es ging um die Vertreibung von ca. 20.000 Bergbauern und den Bergleuten – ein Sechstel der Salzburger Bevölkerung – die sich schriftlich zum evangelischen Glauben bekannt hatten und nicht zur „Mutter-Kirche“ zurückkehren wollten. In den von den salzburgischen Behörden ausgestellten Pässen hatte man sie als Rebellen gebrandmarkt und eine 3-monatige Ausreisefrist auferlegt. Viele mussten ihre Kinder in die Obhut anderer Familien übergeben, damit sie katholisch erzogen würden. Evangelische Fürsten, aber auch der Kaiser in Wien und der Papst hatten Firmian zuvor gewarnt, die Vereinbarungen des „Westfälischen Friedens“ nicht zu verletzen. Nichtsdestotrotz hielt der Erzbischof an den Ausweisungsbeschluß fest: “Die Emigrationspatente müssen vollzogen werden, es gehe wie es wolle, leide daran, wer leiden kann; keine Gnade, keine Milde, ein anderes ist nicht zu hoffen, es koste Leben, Blut, Geld und was immer sein wolle. Und wird man alsobald mit den Ungehorsamen, anderen zum Abscheu, ein Exempel machen, auch wider die Widerspenstigen Gewalt brauchen…” Und so harrten Ende November 1731, bei einsetzendem Winter, Tausende von Exulanten (Verbannte) an der bayerischen Grenze aus. Das Elend wurde groß, denn Bayern wollte diese „Aufrührer“ nicht einreisen lassen. Erst im Jahr 1732 erklärte sich der preußische „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. bereit, die Salzburger Protestanten aufzunehmen.

Im letzten Jahrhundert wurden Millionen von Menschen Opfer des Kommunismus. Unzählige davon erlitten schlimmste Misshandlungen, lange Gefängnisstrafen oder einen gewaltsamen Tod – einzig und allein weil sie Nachfolger Jesu waren. Als „Reliquien“ dieses untergegangenen Politsystems sind China, Nordkorea, Kuba und Weißrussland übriggeblieben, die teilweise brutal gegen Christen vorgehen.

Auch in vielen anderen mehrheitlich moslemischen, hinduistischen, oder buddhistischen Staaten werden Christen als Bürger zweiter Klasse betrachtet, angefeindet, entrechtet, diskriminiert. Eine „friedliche Koexistenz“ wird – falls überhaupt möglich – meistens teuer erkauft. Statistisch gesehen werden täglich ca. 300 Menschen hingerichtet, weil sie ihrem „Gott und Herrn“ Jesus treu bleiben wollen.

Die oben erwähnten Gruppierungen haben in den 2000 Jahren Kirchengeschichte verschiedenen Denominationen angehört, oftmals wenig übereinander gewusst und auf verschiedene Weisen auf sich aufmerksam gemacht. Eines jedoch hatten sie alle gemeinsam: ihr Fundament, die Bibel (Sola Scriptura). Sie offenbart den Gott, der uns allen in Jesus Christus nahegeworden ist. Ihre Umkehr zu Gott hat meistens Auswirkungen auf ihr Leben und Umfeld: viele engagieren sich in ihren Kirchengemeinden und in zahlreichen sozialen Initiativen. Sie haben auch keineswegs in die Opferrolle schlüpfen wollen. Mit meist gewaltfreiem Widerstand haben sie deutlich Stellung zu unzähligen politischen Unrechtssystemen bezogen. Es ist ihnen wichtig gewesen mehr auf Gott, die höchste Instanz, als auf Menschen zu hören, selbst wenn dies gewaltige Nachteile – bis hin zur Kapitalstrafe – mit sich gebracht hat.

Es gibt zwar bedauerlicherweise immer wieder einige wenige Extremisten, die militant vorgehen, diese bewegen sich aber ausserhalb der Lehre Jesu, der seine Feinde liebte bis in den Tod und dasselbe von seinen Nachfolgern verlangt hat (er heilte einem Soldaten das Ohr, das Petrus abgeschlagen hatte in der Stunde seiner Festnahme).

Obgleich sie sich in Deutschland kaum politisch engagieren, sind sie doch uneingeschränkte Befürworter der demokratischen Grundordnung sowie des Grundgesetztes – das übrigens auf christlichen Prinzipien basiert.

Was den Begriff „Fundamentalismus“ angeht, so wurde dieser nicht etwa von pfiffigen Journalisten, sondern von Christen unterschiedlicher Konfessionen zum Anfang des 20sten Jahrhunderts verwendet, die ihre Überzeugungen – z.B. die Irrtumsfreiheit der Bibel, oder die Historizität der Wunder Jesu, etc. – als unverhandelbare Grundsätze ihres Glaubens erneut bekräftigen wollten. Obwohl dieser Terminus oftmals abwertend verwendet wird und fälschlicherweise auch mit Extremisten anderer Religionen in Verbindung gebracht wird, haben Christen sich schon immer als proaktive Mitgestalter ihrer Gesellschaften verstanden – und diese teilweise entscheidend geprägt.

von: Emma

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