Mit Toten reden – mit Jesus reden

Vor drei Jahren, kurz nach der Jahrtausendwende sprach man schon wieder vom Jahrhundertsommer. Brütende Hitze über Monate hinweg.

Mitten im Hochsommer erlebte ich ein Wochenende, von dem ich dachte, dass es an Denkwürdigkeit nicht mehr zu überbieten sei. Eigentlich begann das Wochenende schon am Mittwoch und dauerte bis Montag. Es war vollgepackt mit Highlight-Aktivitäten. Mittwochs feierte ich mit Freunden eine Championsleague-Party vor dem Fernseher samt Kickerturnier, Donnerstags feierte ein Zivi-Kollege seinen Abschied, das Arbeiten am Freitag war ein einziger lustiger Spaziergang, weil auch mein Zivildienst kurz vor dem Ende stand. Mittags nach der Arbeit konnte ich endlich meinen nagelneuen Führerschein ausreizen und bin sofort nach Regensburg zu meinem Bruder geheizt, unter möglichst lauter Musik, was die Fiat Uno-Anlage eben hergab. Den Tag haben wir noch mit einer Streetskate-Session und Playstation spielen auf seinem Wasserbett rumgebracht, bevor wir am nächsten Tag bei einem Hobby-Fußballturnier mitspielten. Huiuiui, und in was für einer Form ich war. Die Torschützenkrone hab ich eingesackt und den Finalgegner haben wir glatt mit 5:0 weggeputzt. Ich strotzte vor Kraft. So kann das Leben weitergehen. Und obwohl ich nach so nem Turnier normalerweise etwa eine halbe Woche wegen Blessuren und Muskelkater außer Gefecht gesetzt bin, fuhr ich am Sonntag mit anderen Kumpels gleich zum nächsten Hobbyturnier nach Stuttgart. Irgendwie ging das…komisch.

Aber so stellte ich mir das Leben vor. Aktiv sein, erfolgreich sein, frei sein. Hoffentlich gehts jetzt so weiter. Am Montag schließlich konnte ich den Duft der großen Welt schnuppern. Vor mir lag ein neuer Lebensabschnitt und ich war auf der Infoveranstaltung in der Münchner Fachhochschule und habe danach gleich noch eine günstige Wohnung hinterhergeschmissen bekommen. Jetzt geht das Leben los. Freiheit. Endlich raus von daheim, auf in die Stadt, in die große weite Welt. Und München werde ich nur als Übergang, bzw. als Sprungbrett benutzen, bevor ich die Welt erobere, dachte ich. New York, Tokyo, HongKong, wer weiß, wo mich das Schicksal hinführen wird.

Erstmal führte es mich dann Montag abends wieder heim in mein Kaff. Als ich an der Tür klingelte, öffnete mir meine Mutter und gab mir die Todesanzeige eines meiner besten Freunde in die Hand.

Was für ein Schock.
Ich habe es im ersten Moment gar nicht kapiert, aber nach ein paar Minuten habe ich zu zittern angefangen. Es war der Zivi, der ein paar Tage zuvor seinen Abschied gefeiert hat. Seine letzten Worte waren: "Schön, euch alle mal kennengelernt zu haben". Er wollte erst mal ein paar Monate ausspannen und rumreisen, stürtze auf dem Heimweg von seiner Abschlussfeier aber vom Fahrrad, kam blöd auf und wurde tot gefunden.

Die nächsten Tage schien alles unwirklich. Ich kannte das Leben bis dahin immer als Konstante, obwohl auch schon ältere Verwandte aus meinem näheren Umfeld gestorben sind. Aber die waren alt. Es ging nicht in meinen Kopf, dass das Leben meines Freundes jetzt einfach weg ist. Er muss doch irgendwie weiterleben? Alle Bezugspunkte schienen losgelöst. Was ist das Leben? Was ist der Tod? Zuviel für meinen Kopf und deshalb verstand ich die Welt nicht mehr, alles war unwirklich und ich misstraute meinen Gewohnheiten, weil meine Weltsicht in Sachen Tod so schutzlos ausgeliefert war.

In meinem Kopf und in meinem Herz jedenfalls lebte er weiter. Ich wollte nicht wahrhaben, dass er tot war und stellte mir einfach vor, dass er noch weiterlebt. Zwangsläufig, denn dass Leben einfach weg ist ging nicht in meinen Kopf. Die Zeit danach sah ich ihn oft mitten in der Stadt: gegenüber an der Ampel oder im Supermarkt vor mir in der Schlange. Jedesmal klopfte mein Herz, aber als ich dann hinging war es nur jemand mit seinem Klamottenstil, der ihm ähnlich sah. Aber schau mal aus dem Fenster, der Typ der da läuft, das ist er. Das ist genau sein Gang. Ich bin manchmal Leuten unauffällig hinterhergefahren, aber die warens alle nicht.

Wie gesagt, in meinem Kopf lebte er weiter und ich ging oft an sein Grab, um mit ihm zu reden. Und dort schien es tatsächlich so, als ob er noch da wäre. Ich konnte ihm alles erzählen, was mir so passiert ist, was so los ist. Und es war wie früher. Da habe ich ihm das ja genauso erzählt, da hat es mir genauso Spaß gemacht. Es machte mir Spaß, am Grab zu sitzen und ihm etwas zu erzählen. Es war, als ob er daneben sitzt und interessiert zuhört. Das hat tatsächlich funktioniert. Ich habe mir gewünscht bzw. vorgestellt, dass er da ist und dann schien er das auch zu sein. Ich konnte erst einmal wieder ähnlich viel Kraft und Freude aus der Beziehung ziehen wie vor seinem Tod. Das hat gut funktioniert.

Aber mit der Zeit habe ich eine für den denkenden Menschen vielleicht wenig überraschende, aber im Zusammenhang gesehen dann doch bemerkenswerte Entwicklung an mir festgestellt:
Mit jedem mal, wo ich das Grab besucht habe, ist die Beziehung zu ihm etwas geschrumpft. Die Freundschaft, das Beisammensein, die Vertrautheit, die Lebendigkeit, eben alles, was eine Beziehung ausmacht. Erst nahm es ganz schleichend ab, dann immer mehr und irgendwann war es nur noch Routine, ans Grab zu gehen. Es hat nicht mehr funktioniert, mir nur zu wünschen, dass er da ist. Ganz einfach, weil zu einer Beziehung immer zwei gehören. Aber ich war der einzige aktive Teil unserer Beziehung, es kam nichts zurück und er starb auch in meinem Kopf. Mir nur vorzustellen, dass er lebt, hat nicht gereicht. Er war tatsächlich tot. Er konnte nichts Lebendiges mehr zurückgeben und deshalb nahm unsere Beziehung in meinem Kopf ab und starb schließlich.

Bemerkenswert ist diese Beobachtung aus folgendem Grund: Bis heute gab es in meinem Leben nur ein Wochenende, das das oben beschriebene an Denkwürdigkeit noch überboten hat. Ich habe mich nämlich zu Jesus Christus bekehrt. Und bei Jesus und mir gibt es eine ähnliche Situation. Ich kann ihn auch nicht sehen, aber ich habe trotzdem eine Beziehung zu ihm. Mit dem entscheidenden Unterschied: Seit Jesus in mein Leben kam, ist diese Beziehung immer stärker geworden. Statt abzunehmen, weil nichts zurückkommt, hat die Beziehung zu Jesus zugenommen. Das heißt er lebt, sonst hätte das nicht passieren können. Er schweigt nicht auf eine Frage von mir, sondern antwortet. Tote können nicht antworten. Einbildung auch nicht. Ein toter Stein auch nicht, auch wenn man sich noch so sehr wünscht, dass er lebt. Mit diesem 1 zu 1 – Vergleich hat mir Gott gezeigt, dass nicht etwa Nietzsche mit "Gott ist tot!" recht hat, sondern die Bibel, die sagt: "Er ist auferstanden, wie er gesagt hat" (Matthäus 28,6). Jesus hat in meinem Leben sein Versprechen wahr gemacht: "Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." (Matthäus 28,20).

Ich kann nur sagen: Lade Jesus in dein Leben ein!

Kommentare

  1. Kristin Scott

    Wow! Ich mag diese Artikel

    Hallo!

    Ich habe diese Artikel gelesen und finde sie ausgezeichnet! Die Verbindung zwischen seinen Freund, der tot ist, und seine Erziehung zu Jesus ist eine Gedanke, dass ich nicht vor kurzem darueber gedacht habe. Die Tote kann nicht sprechen. Jesus ist getoetet, aber jetzt LEBT er und er kann sprechen, weil er der Sohn des Gottes ist und durch Gott ist alles Moeglich! Ich werde diese Geschichte mit andere teilen!

    Vielen Dank!

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