Das lauernde Gespenst der Gewalt

von Dr. Ravi Zacharias

WKG-Bild

Die
Geschichte bringt uns dazu, die wesentlichsten Fragen des Lebens –
manchmal mit tödlicher Gewalt – zu konfrontieren. Die
Nachrichtenreporter geben täglich die Schrecken an uns weiter, während
sie neben Ruinen und Zerstörung stehen. Sobald sich die harte
Wirklichkeit zeigt, kommt die unbezähmbare Frage nach dem „Warum?“ im
Verstand des Betrachters zum Vorschein. Gelegentlich wird sogar das
Gewissen einer Nation so aufgerüttelt, dass die Menschen nach dem
„Warum?“ fragen.

Doch in Wirklichkeit ist die Frage des „Warum?“
bei einer Gewalttat, so schmerzhaft eine solche sinnlose Schreckenstat
auch sein mag, trotzdem bedeutungslos, es sei denn, wir stellen die
Frage nach dem Leben selbst – warum sind wir hier? Aber ach! Diese
Frage wird in einer akademischen, fortschrittlichen Kultur als nicht
mehr relevant angesehen.

Ist dies denn kein
selbstzerstörerischer Widerspruch für jemanden, der die Auf-fassung von
objektiver Moral entlarvt? Ein ganzes Heer von säkularen Denkern hat
die Notwendigkeit für einen Schöpfer schlagfertig wegerklärt. Und indem
sie ein sinnloses, zufällig entstandenes Universum postulieren,
behaupteten sie in Wirklichkeit, dass es keine Notwendigkeit gibt, die
Frage nach dem „Warum?“ des Urknalls zu stellen. Warum ist es dann
notwendig, die Frage nach dem „Warum?“ irgendeiner anderen Explosion zu
stellen? Es ist offensichtlich, dass diejenigen, die gegenüber dem
Absoluten eine solche Feindschaft an den Tag legen, niemals
berücksichtigen, dass sie dann das Recht verwirken, Fragen zu stellen,
die ein moralisches Bezugssystem voraussetzen. Jene Menschen, welche
die Welt bloß auf das Physische reduzieren, mogeln, wenn sie sich in
das Metaphysische verirren.

Im starken Unterschied dazu finden
wir hier einmal mehr, wie uns Gottes Wort mit seinen Appellen an eine
taube Welt zuwinkt. Zugegeben, die gestellte Frage kommt von zwei
Gruppen. Der tiefe und persönliche Schmerz jener Menschen, für die der
Verlust persönlich und verheerend ist, kann nicht auf simplifizierende
Weise behandelt werden. Für sie gibt es jemand, der von einem Kreuz
herab spricht. Aber es gibt eine andere Seite zu dieser Frage, und
diese liegt im Verständnis, wie und warum Hass und Mord überhaupt im
menschlichen Herz Fuß fassen und genährt werden. Auf diese Frage gibt
es eine Antwort – es gibt Antworten. „Wer Ohren hat, der höre.“

Interessanterweise
geschah der erste in der Bibel berichtete Mord nicht auf Grund von zwei
unvereinbaren politischen Theorien. Der Mord eines Mannes durch seinen
Bruder war eine Tat, die unmissverständlich aus ihren unterschiedlichen
Reaktionen gegenüber Gott geboren wurde. Vom Zeitlichen gefangen wurde
Kain vom Glauben irregeführt, dass er die geistliche Wirklichkeit mit
brutaler Gewalt besiegen könnte. Gott sah das unvermeidbare Resultat
der Eifersucht und des Hasses, die tief aus dem Herzen Kains kamen, und
er warnte ihn mit einer Herausforderung, die sein Schicksal bestimmen
würde, sich damit zu befassen: „Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist,
so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so
lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber
herrsche über sie“ (1Mo 4,7).

Es gibt nur zwei Optionen.
Entweder kommen wir zu Gott zu seinen Bedingungen und finden
vollkommenen Frieden in seiner Annahme von uns, oder wir „spielen
Gott“, indem wir unsere Moral selber definieren und morden – wir werden
zu ruhelosen Wanderern, die immer von der Stimme des Blutes unseres
Bruders, das von der Erde schreit, weglaufen. In seinem Kern ist das
Leben heilig und von unschätzbarem Wert, ob es das Leben eines
Lieblingskindes in der frischen Blüte der Kindheit, oder das Leben
eines älteren, schwachen und zerbrechlichen Einsiedlers ist. Beide
haben eines gemeinsam – sie sind nach dem Bilde Gottes geschaffen. Das
ist der Grund, warum Mord in der Heiligen Schrift auf diese Weise
beschrieben wird – als ein Angriff auf das Bild Gottes, eine Leugnung
unseres geistlichen Wesens. Es ist dieses Wesen, das uns Würde und Wert
verleiht. Es ist dieses Wesen, das unsere Herrlichkeit ist.

Durch
intellektuelle Doppelzüngigkeit mögen wir versuchen, die Einrichtung
des Lebens neu zu arrangieren und sie nur in materiellen Begriffen zu
definieren, aber jedes Mal, wenn wir uns zurücklehnen, und von der
menschlichen Erfahrung in Dafur, oder Virginia, Bosnien oder Ruanda
lesen, schalten wir um und wenden uns mit Ekel ab, weil wir erkennen,
dass es im weltlichen „Dekor“ keine Harmonie gibt, denn der Schrei in
unserem Herzen nach dem Heiligen kann nicht unterdrückt werden. Das ist
der Grund, warum wir das „Warum?“ herausschreien, wenn wir die
Schlagzeilen lesen: Wir können die stille, sanfte Stimme im Herzen, die
von der intrinsischen Heiligkeit des Lebens spricht, und dass sie nicht
missachtet werden sollte, nicht zum Schweigen bringen.

Wir mögen
versuchen wie wir wollen – wir können der logischen Auswirkung eines
geleugneten Absoluten nicht entkommen. Gott sagte es damals zu Kain und
er sagt es heute zu uns. „Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde
vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über
sie.“ Kain wurde ein Mörder, weil er vorsätzlich die Anbetung des
wahren Gottes verweigerte und durch Gewalt entschied, sich selber auf
den Thron zu setzen.

Dies ist ein Aspekt der modernen
Gesellschaft, den wir in grober Weise unterschätzt haben, und in diesem
Prozess haben wir uns sogar des gesunden Menschenver-standes beraubt.
Gott ist nicht nur der Schöpfer, der uns philosophisch definiert, aber
er ist auch der Versorger, der uns existentiell in unserer größten Not
begegnet und uns die Zuversicht und den Trost gibt, dass wir geliebt
und in dieser Welt keine Waisen sind. Der Apostel Paulus bringt diese
größte aller Befriedigungen gegenüber der ganzen Schöpfung zum
Ausdruck, indem er sagt, dass wir zur Verherrlichung des himmlischen
Vaters geschaffen wurden – zu seinem Lobpreis. Das ist der Grund, warum
wir hier sind. Welch ein Augenblick wird es sein, wenn Sie und ich vor
ihm stehen, und er zu uns sagt: „Recht so, gut gemacht!“ Gottes
geschaffene Ordnung und Gottes fürsorgliche Anteilnahme an unserem
Leben sind für die Lösung der Gewalt unerlässlich.

Wenn wir
jemals eine Antwort auf das quälende Problem der Gewalt finden wollen,
wird es einen radikalen Wandel in unserem Verständnis geben müssen,
indem wir nicht nur das Sichtbare, sondern auch die Realität des
Unsichtbaren anerkennen, denn das Letztere geht dem Ersteren voraus.
Wir täten gut daran, Notiz davon zu nehmen, dass lange bevor
Schlagzeilen in unserem Verstand wie Sprengstoff einschlagen, eine
sogar noch größere Explosion im Herz und Verstand derjenigen, die diese
Nachrichten in Bewegung gesetzt haben, stattgefunden hat. Menschliche
Regierungen können mit dieser inneren Verwüstung nicht fertig werden,
aber Gott kann es. Dieses „Unsichtbare“ ist ein geistlicher Kampf – die
Wahl, sich entweder an Gott zu wenden oder Gott zu spielen. Für diesen
Triumph ist nur Christus groß genug, und je früher wir unsere
Notwendigkeit für ihn erkennen und anerkennen, desto eher werden wir
uns von den Symptomen und dem Gegenstandslosen hin zur Heilung bewegen.

Mit freundlicher Genehmigung von Ravi Zacharias International Ministries, www.rzim.org, © 2007

Den Originalartikel finden Sie im Internet unter https://www.rzim.org/slice/slicetran.php?sliceid=1415

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Ich stimme zu

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.