Dreimal hatten sich die Bahnen von Jupiter und Saturn gekreuzt. Für die weisen Sterndeuter aus dem Morgenland eine eindeutige Botschaft: Die Geburt eines königlichen Retters

“Im Jahr 7 vor Christus, also zwei Jahre vor dem wahrscheinlichen Geburtsdatum von Jesus, nahmen die vermutlich parthischen Sterndeuter etwas Erstaunliches wahr: Dreimal hintereinander kreuzten sich die Bahnen der Planeten Jupiter und Saturn. Der Jupiter galt bei den Parthern wie auch bei den Römern als königlicher Planet. Der Saturn symbolisierte das erhoffte goldene Zeitalter. Genau davon hatte auch Vergil in seinem Hirtengedicht geschrieben, dessen Inhalt auch im Parther-Reich bekannt war. Die Botschaft der seltenen Dreifach-Konjunktion war aus Sicht der Astrologen somit eindeutig: Die Geburt eines königlichen Retters und der Beginn eines goldenen Zeitalters standen kurz bevor!

Die Sterne verrieten sogar den Ort des Ereignisses. Die letzte der drei Planeten-Konjunktionen fand im Zeichen des Fisches statt, der damals mit Israel in Verbindung gebracht wurde. Zwei Jahre später gab es ein weiteres Himmelsphänomen zu bestaunen: Ein Stern explodierte. Diese Supernova wurde von zeitgenössischen chinesischen und koreanischen Sterndeutern bemerkt und notiert. Theologisch gesehen würde eine Supernova, die bei der Explosion die Lebens-Grundsubstanz Kohlenstoff ins Weltall verströmt, zum Weihnachtsereignis passen: ein sterbender Stern, der die Elemente des Lebens produziert, als Symbol für ein neues Zeitalter.

Es ist also gut möglich, dass die Weisen die Supernova als Signal zum Aufbruch interpretierten. Sie machten sich auf den ungefähr tausend Kilometer weiten Weg gen Westen – auf der Suche nach dem messianischen Kind. Es waren sicher nicht nur drei Kamele, auf deren Rücken die babylonischen Würdenträger in Jerusalem einritten und dort für Aufsehen sorgten. Es handelte sich um eine Karawane inklusive Dienerschar und soldatischem Begleitschutz. Die Ankunft der parthischen Promis sorgte am Königshof für helle Aufregung. Herodes hatte mit den Parthern seit langem ein Hühnchen zu rupfen. Sie waren einige Jahrzehnte zuvor, kurz vor seiner Ernennung zum König, in Jerusalem eingefallen und hatten die Stadt geplündert. Außerdem galten sie als natürliche Gegner der Römer, auch wenn gerade Frieden herrschte. Was führten sie nun im Schilde?

Matthäus berichtet, dass die Besucher schnell zur Sache kamen: «Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir sind gekommen, um ihn anzubeten.» Herodes muss sich in seinen paranoiden Befürchtungen bestätigt gefühlt haben. Jetzt war es schon so weit gekommen, dass sogar die Parther vom Ende seiner Dynastie ausgingen und einen neuen Königsanwärter im Blick hatten. Doch die Weisen wussten genauso wenig wie er selbst, wo sie suchen mussten. Da hatten die theologischen Experten von Jerusalem einen Tipp. Der Prophet Micha hatte vorhergesagt, dass der Messias in Bethlehem zur Welt kommen würde. Vielleicht sollten die Weisen dort weiterforschen. Selbst machten der Hohepriester und die Bibelgelehrten keine Anstalten, nach Bethlehem aufzubrechen. Auch Herodes schlug nicht sofort zu. Noch gab es ja keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr tatsächlich von Bethlehem ausging. Er schickte womöglich einige seiner Spione hinter den Weisen her.

In Bethlehem erkundigten sich die Weisen nach einem Säugling, auf den die Beschreibung «Davidsohn» zutreffen konnte. Die Dorfbewohner erzählten von den zwei Neuankömmlingen, denen vor kurzem ein Sohn geboren wurde: Josef und seine Frau Maria.

Die Weisen besuchten die drei, huldigten dem Kind und beteten es sogar wie einen Gott an. Als Geschenke haben sie Gold, Weihrauch und Myrrhe dabei. Gold bekamen Könige geschenkt, Weihrauch wurde den Göttern geopfert. «Wer kommt herauf aus der Wüste, umgeben von Rauchsäulen aus Weihrauch und Myrrhe?», fragt der Autor des biblischen Hohelieds. Er beschreibt einen Hochzeitszug, mit dem sich der Bräutigam naht. Auf die Weihnachtsgeschichte bezogen ist Jesus der göttliche Bräutigam, der sich mit Israel, seiner Braut, vermählt. In der Myrrhe steckt auch ein Hinweis auf die Passion Christi. Am Kreuz wird er ein Getränk mit Myrrhe angeboten bekommen. Nach der Abnahme vom Holz wird sein Leib mit einer Myrrhen-Salbe eingerieben.

Die andächtige Stimmung hält nicht lange an. Noch bevor die Spione des Herodes ihn über den Aufenthaltsort des angegebenen Kindes informiert haben, verbringen die Weisen und auch Josef eine unangenehme Nacht. Beide träumen von einer tödlichen Bedrohung durch Herodes. Die einen reisen nach Osten zurück in die Heimat und umgehen dabei Jerusalem. Josef, Maria und das Kind fliehen in Richtung Mittelmeer und von dort die Küste entlang nach Ägypten. Wer sich übrigens darüber wundert, wie oft es in der Weihnachtsgeschichte zu Träumen kommt, dem ist zu empfehlen, andere zeitgenössische Geschichtswerke zu lesen. Auch dort werden Träume häufig als übernatürliche Orientierungshilfen interpretiert. Der jüdische Historiker Josephus etwa sah in Träumen, die zukünftige Ereignisse vorwegnehmen, einen «Beweis für die Unsterblichkeit der Seele und für das Walten der göttlichen Vorsehung».

Matthäus informiert uns, dass Herodes auf den plötzlichen Abzug der Weisen mit einer unglaublichen Brutalität reagiert. Er ordnet die Liquidierung der Kleinkinder in Bethlehem an, vermutlich nur der männlichen. Blutige Weihnachten. Anders als Matthäus erwähnt der Historiker Josephus nichts davon. Warum sollte er auch? Der Vorfall, der sich abseits von Jerusalem ereignet, fällt für ihn kaum ins Gewicht. Die letzten Tage des Tyrannen sind so randvoll mit Scheußlichkeiten, dass ein paar tote Dorfkinder dabei nicht der Rede wert sind.

Herodes verfällt allmählich dem kompletten Wahnsinn. Sein letzter Wunsch, Hunderte Mitglieder der jüdischen Oberschicht nach seinem Tod niederzumetzeln, bleibt unerfüllt. Seine eigene Schwester setzt sich darüber hinweg. Herodes stirbt qualvoll und unbeweint. «Gott züchtigte ihn offenbar für seine Freveltaten», mutmaßte Josephus. Nach damaligem Verständnis offenbarte die Art, in der ein Mensch starb, den wahren Charakter. Während Augustus ruhig und gefasst aus dem Leben schied, zeigte Herodes zuletzt seinen wahren teuflischen Kern.

«Er stößt die Gewaltigen vom Thron», hatte Maria gejubelt. Mit Herodes fiel der erste.

Auszug aus:
Markus Spieker. Jesus. Eine Weltgeschichte. Fontis Verlag, Hardcover, mit goldfarbenem Vor- und Nachsatzpapier und Lesebändchen, 1004 Seiten, 30,00 €.

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