Es gibt eine große Zahl von Missionsberichten aus diesem Jahrhundert, die voll beeindruckender Geschehnisse sind. Wir fragen uns, wie es kommt, daß — obwohl es soviele gibt, die ihr Leben in China, Rußland, dem Kongo und wo auch immer ließen — die verflossenen Fußstapfen auf dem Streifen weißen Sandes entlang dem Curaray-Fluß uns noch immer nicht loslassen.
Es geschah östlich des wilden Gebirgszugs der Anden in Ecuador, in dem weit sich hinziehenden Regenwald, auf der anderen Seite. Dort fand — vor jetzt etwa vierzig Jahren — am 8. Januar 1956 das bekannteste an Missionaren verübte Blutbad dieses Jahrhunderts statt.
Nate Saint, ein Buschflieger, teilte an diesem Sonntag über Funk aus dem Flugzeug mit: »Wir hoffen auf Besucher um etwa 14.30 Uhr. Ich werde um 16.35 wieder von mir hören lassen.« Als sein übel zugerichteter Körper aus dem Fluß geborgen wurde, stand seine Armbanduhr auf 15.12 Uhr. Missionare ertrugen furchtbare Entbehrungen in diesem Regenwald. Bisweilen konnten sie sich nicht mit dem Flugzeug fortbewegen und mußten, um isolierte Gruppen erreichen zu können, zu Fuß über das Land gehen. Sie wagten sich mit dem Kanu auf unberechenbare Flüsse, um kaum auf Karten verzeichnete Gebiete zu erreichen, in denen von Angst getriebene Stämme lebten. Mit unserem Wissen überrascht es uns nicht, daß so viele gestorben sind, sondern daß so viele andere Missionare überlebt haben.
Schon 1944 wurden fünf Missionare, die für die »New Tribes Mission« arbeiteten, getötet, als sie die wilden Ayores zu erreichen versuchten. Die fünf waren wahrscheinlich schon Wochen bevor ein
Suchtrupp auszog, sie zu suchen, ermordet worden. Ihre Körper sind niemals gefunden worden und das ganze Geschehen fand wenig Beachtung in den Nachrichten dieser Welt. So gibt es wohl, wenn jemand die fünf unerschrockenen Märtyrer-Missionare aus der Wildnis von Südamerika erwähnt, wenige, welche die Namen von Cecil und Bob Dye, Dave Bacon, George Hosbach und Eldon Hunter im Gedächtnis hätten.
Menschlich gesprochen sehen wir verschiedene Gründe, warum der Tod von Jim Elliot, Fete Fleming, Ed McCully, Nate Saint und Roger Youderian eine solche Sensation waren. Das Mystische des Urwalds machte neugierig. Die Tagebücher der Missionare enthielten sorgfältige Aufzeichnungen. Die Öffentlichkeit wurde mit einer Enthüllung nach der anderen konfrontiert, als die Tatsachen des Blutbads an das Licht kamen. Die jungen Männer sahen wie Kerle aus, denen wir in unserer eigenen Umgebung begegnen könnten. Was machten sie da?
Geistlich gesprochen sehen wir auch Gründe, warum Gott auf eine so deutliche Weise durch das Geschehen des 8. Januar reden wollte. Es ist eine Geschichte, die uns, je mehr wir darüber wissen, umsomehr inspiriert. Alle der Missionare waren von ihrer Jugend an mit dem Evangelium aufgewachsen. Jeder von ihnen wurde als Vorbild betrachtet.
Jim Elliot kam aus Portland, Oregon. Auf dem Wheaton College war er der Vorsitzende der »Student Foreign Missions Fellowship«. Redefertig wie er war, schrieb er während seiner Collegezeit:
»0 Gott, bewahre mich vor einem Leben der Unfruchtbarkeit, vor einer Schablone von Gut und Böse, und gib anstelle dessen dafür eine lebendige Beziehung der Seele mit Deinem göttlichen Leben, damit Frucht hervorgebracht werde und das Leben – das überfließende Leben – sichtbar werde als der äußerste Beweis der Botschaft und des Werkes Christi.« (vgl. Jim Elliot, Im Schatten des Allmächtigen, S. 56)
Er heiratete Elisabeth Howard, die aus einer prominenten christlichen Verlegerfamilie aus Philadelphia kam. Zum Zeitpunkt des Mordes hatten die Elliots eine kleine Tochter.
„Er macht seine Diener zu einer Feuerflamme.< Bin ich unfähig zu brennen?« schrieb er. »Befreie mich, Herr, von den unentzündbaren weltlichen Schlacken. Durchtränke mein Wesen mit dem Öl des Heiligen Geistes, auf daß ich aufflammen kann. Aber eine Flamme ist vergänglich, oft von kurzer Lebensdauer. Kannst Du das ertragen, meine Seele — ein kurzes Leben? In mir wohnt der Geist jenes Großen, dessen Leben so kurz war und den der Eifer für das Haus des Herrn verzehrte.« (a.a.O., S. 63)
Pete Fleming kam aus Seattle, Washington. Er war 27 Jahre alt, ein Jahr jünger als Jim Elliot. Pete hatte gerade das Studium der Literaturwissenschaft abgeschlossen. Er war verheiratet mit der Freundin aus den Kinderjahren, Olive.
Pete schrieb:
»[Der Herrl hat meine Überlegungen auf die zwingenden Worte von Christus hinsichtlich Jüngerschaft gerichtet, besonders auf die Unterweisung an seine Jünger bevor er sie aussandte: >Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten.< Immer wieder wurde ich zu diesem Text und gleichartigen Bibelstellen geführt. Ich will diese Wahrheiten gerne bis zum Äußersten auf die Probe stellen. Es scheint, als wenn Gott in vielen Fällen ein Gefallen daran hat, Menschen in Situationen zu stellen, die ihre Schwächen zeigen — einfach, weil er Freude daran findet, seine Kraft an denen zu offenbaren, die das beobachten.«
Ed McCully aus Milwaukee, Wisconsin, war der Präside seiner Klasse in Wheaton. Er gewann 1949 den »National Hearst Oratorical Contest« in San Francisco und ging danach zur »Marquette University Law School«. Er und seine Frau hatten zwei Söhne und erwarteten ein drittes Kind.
»Ich habe jetzt noch ein Verlangen, ein Leben einer auf nichts Rücksicht nehmenden Hingabe an den Herrn zu führen und all meine Kraft und Energie da hinein zu stecken…«
schrieb Ed in einem Brief an Jim Elliot am 22. September 1950, direkt nach seinem Studium der Rechte.
Roger Youderian kam von einer Landwirtschaft aus Montana. Er war als Pilot der Luftstreitkräfte an der Ardennenoffensive beteiligt und ging später zur »Northwestern School« in Minneapolis, wo er seiner Barbara begegnete. Sie gingen beide zur Gospel Missionary Union und evangelisierten unter den kopfjägerischen Jivaros, bis die Elliots, Flemings und McCullys ankamen.
Nate Saint flog seit 1948 für die Missionary Aviation Fellowship Missionare in und aus dem Urwald Ecuadors. Als Bauunternehmer, Erfinder und tüchtiger Pilot hatte Nate ein ingeniöses System für die Treibstoffreserve bei einmotorigen Flugzeugen erdacht. Nate war verheiratet mit einer Krankenschwester, Marj, der er während seines Dienstes begegnet war. Sie hatten drei Kinder.
Während einer Radiosendung von HCJB in Quito sagte Nate:
»Im letzten Krieg wurden wir gelehrt einzusehen, daß wir, um unser Ziel zu erreichen, bereit sein müßten, uns — wenn nötig — zu opfern. Wenn jedoch der Herr Jesus uns bittet, den Preis für Weltevangelisation zu bezahlen, antworten wir oft: >Das ist zu teuer.< […I >Gott hat seinen einzigartigen Sohn nicht geschont.< […]«
Die fünf Ehepaare kamen nicht mit dem Plan nach Ecuador, den Waorani-Stamm zu erreichen. Aber in Ecuador hörten sie, wie über diese Indianer als über >Aucas< gesprochen wurde, was >Wilde< heißt. Sie waren nie Soldaten unterworfen gewesen oder durch Missionare gewonnen worden. Die Missionare beteten oft um Ideen und entwarfen Pläne, wie dieser gefürchtete Stamm erreicht werden könnte. Während sie einige Möglichkeiten durchgingen, um Wege zu öffnen, wurden die fünf darin einig, die Waoranis zu erreichen. Wir müssen darin wohl mit Nate Saint einig sein, daß >es die Zeit vom Herrn war<.
Alle boten sich freiwillig an. Sie machten sorgfältig Pläne. Und alle waren sich der Gefahr bewußt. So wie Jim Elliot zu seiner Betty sagte: »Wenn Gott es will, Liebste, bin ich bereit, für die Aucas zu sterben.« (a.a.O., S. 272)
Eine Reihe von Kontakten erfolgte —wenn auch in langen Zeitabständen — und als nächstes sollte ein Landeplatz in der Nähe des Waoranidorfes gefunden werden. Entlang dem Curaray-Fluß fanden sie einen Landeplatz auf einem Sandstreifen. Sie nannten ihn >Palm-Beach<. Am Dienstag, dem 3. Januar, wurde eine letzte Gebetszusammenkunft in Arajuno angehalten. Danach sangen die unerschrockenen Paare das Lied von Edith Gilling Cherry nach der Weise von Finlandia:
Ich trau auf Dich, mein Schild und Erlöser, Du führst den Streit, der Ruhm ist Dir geweiht.
Zur letzten Stund’ werd ich siegreich geh’n in Ruhe mit Dir, der mich hat geführt.
Am Freitag erhielten sie Besuch von drei Waoranis. Am Sonntag flog Nate mit seinem Flugzeug über das Gebiet. Er wurde auf eine Gruppe Männer aufmerksam, die zum Strand liefen. Er rief Marj an: »Es kommt eine Kommission von zehn Männern an. Bete für uns. Dies ist der Tag!« Der nächste Bericht war für 16.30 Uhr geplant. Er sollte niemals kommen.
Als in den Zeitungen zu lesen war: »Fünf Missionare in Ecuador vermißt«, war ein Rettungsteam auf dem Landweg unterwegs. Missionspilot Johnny Keenan flog über Palm Beach und sah einen Körper. Als er noch einmal vorbeiflog, bemerkte er einen zweiten im Fluß.
Am Donnerstag flogen zwei amerikanische Marinepiloten mit einem Helikopter in das Gebiet. Sie fanden vier Körper in dem Fluß, durchstochen und mit Hackmessern verwundet. Jim, Nate, Pete und Roger wurden identifiziert. Man vermutete, daß der erste Körper, der aus der Luft wahrgenommen wurde, der von Ed McCully war und daß dieser durch den Fluß mitgenommen wurde.
Am 23. Januar brachte die Zeitschrift Newsweek die Nachricht. Aber es war eigentlich der Fotograf Cornell Capa von Life, der mit dem Helikopter auf Palm Beach war, als der letzte Körper ins Grab gelegt wurde. Seine empfindsame Art der Fotografie und der Bericht über das Drama, der in Life veröffentlicht wurde, machte dies zur Missionsgeschichte des Jahrhunderts. Reader’s Digest veröffentlichte es ebenfalls 1956. Am Freitag, dem 31. Januar, flog die Luftwaffe die Witwen über das Gemeinschaftsgrab. AIs Olive Fleming nach unten schaute, um den Streifen weißen Sandes zu sehen, kam ihr 2Kor 5,1 in den Sinn: »Denn wir wissen, daß, wenn unser irdisches Zelthaus zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein nicht mit Händen gemachtes, ewiges Haus in den Himmeln.«
Einige Kirchenführer reagierten auf das Blutbad so, wie Judas es tat, als das Salböl über den Herrn Jesus ausgegossen wurde, indem er sagte: »Wozu diese Verschwendung?« Ihnen können wir nur sagen, daß Gottes Wege nicht unsere Wege sind. Die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen. In den folgenden Monaten wurden Missionskommissionen mit Angeboten überschwemmt, den Platz der fünf Märtyrer einzunehmen. Die Zeitschrift Eternity zählte sechshundert Missionare, die durch dieses Märtyrertum angetrieben wurden, in dieses Gebiet zu gehen. Die Arbeit unter den Waoranis hatte ja gerade erst begonnen. Das Mädchen Dayuma — ein Flüchtling aus dem Waoranigebiet, die Rachel Saint beim Erlernen der Sprache der Waorani half — hatte sein Leben dem Herrn Jesus übergeben. Zum Erstaunen ihrer Stammesgenossen kam sie sicher wieder in ihrem Dorf an. Man hatte dort geglaubt, daß sie durch die Fremden aufgegessen worden wäre. Sie klärte darüber auf, daß die Missionare mit Frieden kamen. Auch wollte sie sie verstehen lehren, wie das Lamm Gottes dazu bereitet wurde, als ein Opfer für die Sünde geschlachtet zu werden. »So wie ihr die Fremden auf dem Strand getötet habt, so wurde Jesus für euch geopfert.«
Im Herbst 1958 hängten Rachel Saint und Betty Elliot mit ihrem kleinen Kind Valerie ihre Hängematte beim Waorani Stamm auf. Während Valerie mit den Kindern der Mörder ihres Vaters spielte, machten Rachel und Betty mit den Mördern selbst Bekanntschaft: Gikita, Kimo, Nimonga, Dyuwi, Minkayi und Tona. Neun Jahre später wurden die ersten Exemplare des Markus-Evangeliums in Waorani in >Gottes sprechendem Haus< angeboten.
Kimo betete:
»Gott, der Vater, du lebst. Dies ist dein Tag und wir sind alle gekommen, um dich zu preisen. Sie haben uns Exemplare deines Buches gebracht, genügend für alle. Wir nehmen das an. Dies ist die Wahrheit. Wir wollen alles.«
Sicher bleiben wir durch dieses Ereignis ebenso gefesselt wie durch das Leben der Überlebenden unter den Märtyrern wie durch die fünf Männer, die ihr Leben gaben. Wir kennen die fünf Männer nicht nur durch ihre Tagebücher und alten Fotos. Wir kennen sie durch das Leben der Missionarswitwen, ihrer Kinder, das Leben der bekehrten Waoranis und durch die Missionare, die damit fortfuhren, ihnen zu dienen. Dies ist mehr als ein Andenken. An ihren Früchten erkennen wir Ed, Jim, Nate, Pete und Roger. www.fest-und-treu.de/index.php?id=2&a=631