Der Kinder- und Jugendpsychiater Paul Plener, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Wiener AKH berichtete von einer großen Zahl an Essstörungen, aber auch Symptome „großer Erschöpfung, Müdigkeit und Stimmungsverschlechterung, Suizidgedanken oder Suizidversuche in jüngster Vergangenheit“, wie beispielsweise auf vienna.at zu lesen ist. Dazu noch eine Geschichte aus alter Zeit, die uns das Problem des sozialen Isolation drastisch klar machen kann:
„Staufenkaiser Friedrich II. lebte um 1250 in Palermo. Er wollte die Ur-Sprache der Menschen herausfinden. In einem Waisenhaus ließ er Findelkinder unterbringen und von Kinderpflegerinnen versorgen. Sie sollten die Säuglinge mit Nahrung und Fürsorge bestens hegen und pflegen. Nur eines wurde den Pflegerinnen strengstens verboten mit den Kindern ein Wort zu sprechen.Wenn die Kinder nie ein Wort in einer bestimmten Sprache hören, so dachte der Kaiser, würden sie eines Tages in der Ursprache der Menschen anfangen zu reden. Das Experiment brachte nicht die Ursprache der Menschen, wohl aber die Urbedürfnisse des Menschen an den Tag. Denn die Kinder verkümmerten und starben schließlich trotz der guten Pflege und Ernährung. Daran wird deutlich, was wir Menschen im Letzten zum Leben brauchen. Neben aller sächlichen Versorgung brauchen Menschen, um sich entfalten, aufblühen und leben zu können, Worte der Liebe. Wenn man zu den Menschenkindern nicht Worte der Liebe spricht, dann gehen sie zugrunde, und wenn sie noch so viel zu essen haben.“
„Kinder besaßen im Altertum einen höchst niedrigen sozialen Status. Und es konnte noch schlimmer kommen: Falls Familien verarmten und Schulden anhäuften, konnten sie sogar tatsächlich in die Sklaverei verpfändet oder verkauft werden. Kinder gehörten damit zu den schwächsten und am wenigsten geschützten Mitgliedern der Gesellschaft.
Auch die griechisch-römische Kultur verbindet mit dem Kindsein überhaupt wenig Romantisches. Ihre Überlebenschancen hingen auch davon ab, ob sie von den Vätern als Nachkommen legitimiert wurden. Geschah dies nicht, konnten Neugeborene auch ausgesetzt werden.
Selbst wenn das Kind in der Familie leben durfte, galt dieser Anfang des sozialen Lebens nicht als besonders harmonisch. So schreibt auch Plinius der Ältere im 1. Jahrhundert sehr drastisch, was schon das Neugeborene erwartet, das man als Wickelkind in Tücher und Bänder gepresst hat – eine durchaus symbolisch gemeinte Beschreibung des Zustands eines jungen Menschen:
„Allein den Menschen ‚setzt [die Natur] am Tage seiner Geburt nackt und auf der bloßen Erde sogleich dem Wimmern und Weinen aus, und kein anderes von so vielen Lebewesen den Tränen, und zwar bereits beim Eintritt in das Leben; das Lächeln aber […] ist keinem vor dem vierzigsten Tage vergönnt. Von diesem ersten Eintritt ins Licht an erwarten Bande und Fesseln an allen Gliedern, wie sie nicht einmal die Tiere, die unter uns geboren sind, umschnüren, und so liegt das glücklich geborene Kind da mit gebundenen Händen und Füßen, weinend, als Geschöpf, das später die übrigen beherrschen soll, und mit Pein beginnt sein Leben.“ (Deutschlandfunkkultur)
Jetzt kommt Jesus in Spiel. Er zeit uns einen krassen Gegensatz zu damals und heute: „Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen? Sie schwiegen, denn sie hatten auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei. Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.“ (Mk 9,33-37)
„Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.“ (Mk 10,13-16)