“Konsum macht einsam”

In der Gesellschaft der Konsumenten sehen Menschen einander wie Produkte – sie werden auf ihren Nutzen hin geprüft und notfalls abgestoßen. Der Soziologe Zygmunt Bauman über Konsumenten und Konsumierte.
Die Konsumgesellschaft kennt nur ein Ziel: Glück. Glücklich ist, wer begehrt ist und der Konsum soll das Interesse an der eigenen Person steigern. Doch der Konsummarkt ist zugleich unerbittlich, er entscheidet über das Drinnen und Draußen in der Gesellschaft. Wer seinen Anforderungen nicht standhält, wird ausgestoßen. Mehr noch: Das Konsumdenken führe dazu, dass die Menschen sich untereinander als Produkte wahrnehmen und behandeln, sagt Zygmunt Bauman, Professor emeritus in Leeds und einer der weltweit bekanntesten Soziologen.SZ: Herr Bauman, rastlos wird in unserer Gesellschaft eingekauft – weit mehr als gebraucht wird. Muss das so sein?
Zygmunt Bauman: Es ist eine Attacke aus dem Hinterhalt, die die Unternehmen führen. Das Interesse der Konsumenten wird zunächst geweckt und dann nach und nach ausgeweitet. Längst geht es nicht mehr um ein konkretes Bedürfnis, das der Verbraucher haben mag. Produkte werden beispielsweise künstlich entwertet und durch „neue und verbesserte“ Varianten ersetzt. Das ursprüngliche Produkt ist dann womöglich eine Saison später nicht nur alt, sondern sogar peinlich. Wenn das funktioniert, wird das sich ständig fortsetzende Shopping zu einem Bedürfnis. So ist schon, bevor Sie ein Geschäft betreten, gesetzt, wie Sie sich entscheiden werden. Es geht um Verführung – und Sucht. Der Trick ist es, eine Sehnsucht zu wecken, die sich fortwährend nach neuen Sehnsüchten sehnt.
SZ: Nennen Sie uns ein Beispiel?
Bauman: Die Kosmetikindustrie setzt auf diese Strategie. Nehmen Sie Allergan – die Firma, die faltenängstlichen Frauen Botox schenkte. Aber sie schaffte es auch, dünne Augenwimpern zu einem behandlungsdürftigen Problem zu machen. Eleganterweise hatte Allergan auch die Lösung parat: Eine Lotion namens Latisse. Sie lässt dort Wimpern sprießen, wo bislang keine waren und die vorhandenen werden länger. Allerdings unter einer Voraussetzung: Latisse muss regelmässig genutzt werden, tagein, tagaus bis in alle Ewigkeit. (sueddeutsche.de)

Kommentare

  1. Peter

    Familie immunisiert gegen die Konsumgesellschaft
    Das sind die wirklich menschlichen, konsumresistenten Bedürfnisse: Liebe, Geborgenheit, Angenommensein, Sinn. Familie ist eine Chance, sie ist der Verband, der immun macht gegen den Terror der Konsumgesellschaft.
    Aus: Jürgen und Martine Liminsky. Abenteuer Familie. St. Ulrich Verlag: Augsburg 2002

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