Krasse Kritik an neuem Atheismus

Sie ziehen in den Medien mit einer Vehemenz gegen den Glauben zu
Felde, die sich mit dem Eifer glühender Jesus-Anhänger messen lassen
kann: die "Neuen Atheisten". Richard Dawkins’ Buch "Der Gotteswahn" ist
nun auch auf Deutsch erschienen und erklimmt die Bestsellerlisten. Die
österreichische "Presse" fragte: Stimmt es, dass sich Naturwissenschaft
und Glaube ausschließen?
Sie halten sich nicht nur für klug. Sie halten sich für so klug, dass
sie die Nichtexistenz Gottes erkannt haben wollen. "Brights" nennen sie
sich selbst, was mit "die Intelligenten" ebenso übersetzt werden kann
wie mit "die Erleuchteten" oder auch "die Glücklichen". Die "neuen
Atheisten" gehen aber noch weiter. Allen voran hat sich Richard Dawkins
auf die Mission begeben, die Menschen vom angeblich Unheil bringenden
Glauben an Gott zu befreien. Sein Buch "The God Delusion" war bereits
in Großbritannien und in den USA mehr als 30 Wochen auf den
Bestsellerlisten; nachdem es vor einigen Tagen auch auf Deutsch
erschienen ist, erreichte es auf Anhieb Platz 5 der
"Spiegel"-Bestsellerliste im Bereich Sachbuch.
Als "leidenschaftliches Plädoyer für die Vernunft" wird das Buch
angekündigt, in dem Dawkins "gegen die Religion zu Felde zieht".
Grundtenor: "Der Glaube an ein göttliches Wesen ist vielfach die
Ursache von Terror und Zerstörung." Dawkins ist der Meinung, der
alttestamentarische Gott sei ein Rassist, Schwulenhasser und ethnischer
Säuberer, ein "Kinderkiller und Korinthenkacker".
Vor allem die Vernunft sei es, die den Glauben aushebele und
überflüssig mache, so Dawkins. "Als Naturwissenschaftler stehe ich dem
Fundamentalismus feindselig gegenüber, weil er das Unternehmen
Wissenschaft aktiv torpediert", schreibt der 66-Jährige aus Oxford, der
in seinen Büchern wiederum die Gläubigen torpediert. "Die Versuche in
unserer Zeit, religiöse Naturwissenschaftler zu finden, haben etwas
Verzweifeltes", so Dawkins, der auch Bücher über den Darwinismus
schrieb ("Das egoistische Gen").
"Diese ‘Neuen Atheisten’ sind vorpubertär"
Die österreichische Tageszeitung "Die Presse" fragte nun nach: Wie
halten es österreichische Forscher mit der Religion? Sie befragte
Naturwissenschaftler und kam zu einem Ergebnis, das Dakwins nicht
gefallen würde. Der Leiter der Abteilung für Medizinische Genetik an
der Medizinischen Universität Wien etwa, Markus Hengstschläger, sagt,
Glaube brauche keine Beweise. "Die Religion kann und soll man nicht
naturwissenschaftlich ergründen." Er fügt hinzu: "Aber auch die
Religion sollte keinen Einfluss auf Naturwissenschaft ausüben." Unter
Genetikern und Biologen seien Theisten allerdings rar, habe er
festgestellt: "Christ und Genetiker, das ist eine seltene Kombination",
sagte Hengstschläger in der "Presse" vom vergangenen Mittwoch.
Anders sieht es bei den Physikern aus, so die Zeitung: "Hier erzählen
nicht nur viele über gläubige Kollegen, etliche bekennen sich auch
selbst." Als Beispiel zitiert die "Presse" Walter Thirring, Dekan der
theoretischen Physik, der Lutheraner ist. Dass es gerade unter den
Biologen so wenige Gläubige zu geben scheine, kommentiert er so: "Die
Biologen sehen sozusagen nur ihr enges Fenster aus der kosmischen
Evolution – da meinen sie, sie brauchen den lieben Gott gar nicht…"
Der Mathematiker Rudolf Taschner, der vor drei Jahren in Österreich zum
"Wissenschaftler des Jahres" gekürt wurde, nennt sich selbst einen
"frommen Agnostiker". "Diesen ‘Neuen Atheismus’ in Amerika halte ich
aber, ehrlich gesagt, für ein bisschen vorpubertär." Reibungen zwischen
Wissenschaft und Religion hält er für "gut, weil sie das Nachdenken
fördern, aber sie streben nach Auflösung. Die aber kann nicht von oben
dekretiert werden, die muss jeder sich erringen."
Auch für den Mathematiker Erich Peter Klement von der Universität Linz
sind Naturwissenschaft und Religion "Ergänzung und nicht Widerspruch":
"Als Zeugen nenne ich den genialen Mathematiker Kurt Gödel. Mit seinem
Unvollständigkeitssatz hat er sehr deutlich die Grenzen der
Naturwissenschaft aufgezeigt, sodass auf die letzten Fragen des
menschlichen Seins nur mehr die Religion eine Antwort zu geben vermag."
Zweifel an der Seriosität Dawkins’
Ähnlich sieht es Gottfried Magerl, Professor für Nachrichtentechnik an
der Technischen Universität Wien: "Die Religion beantwortet die Frage
nach dem Sinn des Lebens, nach dem Wahren und dem Guten – die
Naturwissenschaft befasst sich mit dem Verständnis der materiellen
Welt. Die Schwierigkeiten vieler Naturwissenschaftler mit der Religion
mögen auch daher rühren, dass sie sich – gleichsam einem der
Naturwissenschaft inhärenten Minimumsprinzip folgend – mit der
Erkenntnis der materiellen Welt zufrieden geben."
Kurt Kotrschal, der wie Dakwins Zoologe ist, zweifelt letztendlich an
der Seriosität seines britischen Kollegen: "Kein Naturwissenschaftler,
der seine Sinne beieinander hat, benutzt seine Wissenschaft, um zu
belegen, dass es Gott gibt oder nicht. In der Wissenschaft geht es um
testbare Hypothesen, die Existenz Gottes ist keine testbare Hypothese",
sagt Kotrschal auf die Frage der "Presse". Dawkins mache mit seinen
Versuchen, Gott zu widerlegen, spiegelverkehrt die gleichen Fehler wie
seine Gegner.
Dies sah auch der Oxforder Molekularbiologe und Kirchenhistoriker
Alister McGrath so: Weil ihn die Wüterei seines Kollegen und dessen
Anspruch, mit der Wissenschaft gegen Gott zu Felde ziehen zu können,
nervte, schrieb er ein Buch. Darin kritisiert er etwa das ungenaue
Zitieren Dawkins’ und dessen blinden Wissenschaftsglauben. Sein Buch
heißt "Der Dawkins-Wahn". Die Wissenschaft sei keinesfalls
notwendigerweise atheistisch, wie Dakwins immer behauptet, so McGrath.
Und spätestens die Rundfrage der österreichischen "Presse" zeigt: Dass
es gläubige Wissenschaftler gibt, ist ein schwerer Schlag gegen das
Weltbild Dawkins’.

pro-medienmagazin.de

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