Facebook Home: Deine Sucht wird Bagatell

Reden wir erst mal über Zahlen. Oder nein, lassen wir es bleiben, weil sie zumindest in ihrer gefühlten Dimension jedem hinlänglich bekannt sind. Facebook ist in allem nicht einfach nur groß, sondern gigantisch, das Netzwerk hat unglaubliche Nutzerzahlen, einen unvorstellbaren Zugriff auf das Alltagsleben und es ist inzwischen ein so für sich selbst stehender Begriff, dass man niemandem mehr erklären muss, was das ist. Wer auf Facebook mit der Frage „Was ist das“ reagiert, hat vermutlich die letzten Jahre in einer anderen Galaxie verbracht. Die (Geschäfts-)Idee, die hinter Facebook liegt, ist: noch mehr, noch dominanter, noch alltagspräsenter.

Facebook Home ist der neue Clue von Mark Allmächtig. Zuckerberg, der übrigens immer dicker wird, präsentiert sich in neuem Kleid: Allumfassend und immer da. War das nicht bisher auch so? Nein, war es nicht, behauptet er. Bisher musste der User aktiv in Facebook einloggen oder wenigstens den App-Button klicken, um sich die neuesten Informationen zu holen. Jetzt darf er, ständig begleitet von den unwichtigen Nebenschauplätzen seiner “Freunde”, seine Sucht in den Auslauf und auf die Spielwiese schicken. Hier gibts sein neuestes Werbevideo:

So verlockend es wieder klingt: Den Spaß verderben muss man trotzdem. Immer mehr Menschen werden regelrecht eingenommen von den immer wiederkehrenden Suchthandlungen des auf das Handy Schauen. Wer ehrlich zu sich selbst ist kommt schnell zu dem Schluss: Ja, ich bin süchtig, ich reize die Informationsflut bis zum Erbrechen aus. Doch Facebook will mehr: Es will die Suche nach ständiger Information und die Allverbundenheit als gesellschaftliche Konvention. Man dachte schon bei der Timeline, dass das die Menschen nicht mitmachen werden. Dasselbe wird man auch von Facebook Home denken. Doch wir werden uns wieder Knechten lassen, immer weiter und weitreichender.

So wird deine Sucht zum Bagatell, dein Leben zum Glashaus. Schleichend und unbemerkt, blitzschnell und doch so langsam. Was dem Menschen innerhalb der letzten zehn Jahre aufgebürdet wurde, ist rational nicht mehr nachzuvollziehen. Uns wird gegeben und wir nehmen, und obgleich es schlechte Gewohnheiten sind, gehen sie ungeprüft in die gesellschaftliche Anerkennung über.

Wir sind mittlerweile dermaßen vertrauensvoll in die neuen Medien, dass wir nicht mehr merken, wie sie uns enteignen – von Privatsphäre, von Intimität und auch persönlichem Kaufverhalten. Das neue Weltbild ist geprägt von der Freude am Kommunizieren, unvoreingenommen und positivistisch im Umgang mit undurchschaubaren Strukturen. Sind wir bereits die Menschen, die sich selbst verkaufen, getrieben von den “Machern” des Internets?

Die neue elektronische Öffentlichkeit kennt bisher keine Antwort auf die Frage, wie gesellschaftlich der Sinn für Unpersönliches anstatt für Geschmacksfragen, für Reserven anstatt für Engagements, für stabile Begriffe anstatt für fluktuierende Informationen und für gute Fragen anstatt für treffende Suchergebnisse wach gehalten werden kann. Verwegen ist jedenfalls die Hoffnung, dass jene Antwort irgendwo im weltweiten Netz darauf wartet, mit einem Klick aufgerufen zu werden.

Und so stellt sich die neue Welle der Medien und die Kunst der Vereinahmung als schrecklicher dar, als sie eigentlich wahrgenommen wird. Schrecklich nicht wegen ihrem Inhalt, sondern wegen der Bagatellisierung von Dingen, die uns eigentlich schaden und vor fünf Jahren auch noch so wahrgenommen wurden. Schrecklich auch, weil es ohne großen Widerstand vergesellschaftet wird.

 Man spannt das Netz vor den Augen der Vögel, doch lassen sie sich nicht warnen.

Sprüche 1,17

Deutschland unter Druck – wie Darwin unsere Ethik prägt

Bildung ist längst die Währung des Erfolgs. Termine jagen uns, die Angst um den Arbeitsplatz. Sorglos alt werden, dieser Traum ist für viele längst zerplatzt.

Phoenix geht mit einer neuen Reihe an den Start: “Deutschland unter Druck”, wo die massive Existenzangst vieler Mitbürger vor die Augen der Fernsehwelt geführt wird (obgleich doch die Zuschauerschaft von Phoenix nicht sonderlich groß sein sollte). Menschen leiden heute vielmehr an Depression, die sich zur Volkskrankheit entwickelt. Und das in einem Umstand, der doch jegliche Möglichkeiten nach oben offen lässt. Interessanterweise sind die Menschen heute glücklicher, die weniger arbeiten und weniger verdienen.

Wer etwas wert sein will, muss weiter nach oben. Unsere Jobwelt wimmelt von Menschen, die nur noch an Arbeit denken, selbst wenn sie nach Hause kommen. Ihr Job ist mehr als nur Arbeit, es geht um Identität. Während früher gearbeitet wurde, um die Familie zu ernähren, ist der Job heute allgegenwärtig. Er ist deine Existenz.

So verwundert es wenig, dass viele junge Menschen schon vor dem Berufseinstieg hart um Studienplätze kämpfen, selbst, wenn ihr Entwicklungsstand der Verantwortung in der harten Berufswelt noch gar nicht gewachsen scheint. Direkt von der Playstation in die leitende Funktion, so stellen es sich viele Akademiker heute vor. Die harte Realität zeigt die Abrecherquote: Auch unter den Lehrstellen beträgt die 25% der Anfänger. Ellenbogenmentalität macht sich breit. Die Universität München hat jetzt ein 24h-Seelsorge-Telefon eingerichtet, wo Studenten rund um die Uhr betreut werden können.

Kaum ist das Studium mehr schlecht als recht hinter sich gebracht, folgt der Arbeitsalltag, der die Möchtegern-Abteilungsleiter vor viel größere Verpflichtungen stellt. Die psychischen Krankheiten unter Akademikern nehmen rasant zu, und während einzelne Branchen (wie die Baubranche beispielsweise) immer mehr Stellen abbaut, kommen immer mehr Kleinbetriebe und Ein-Mann-AGs hinzu. Es gibt also immer mehr Menschen, die sich alleine durchschlagen im irren Wald der Verdienstmöglichkeiten.

Studien belegen eindeutig, dass die Angst vor der Arbeitslosigkeit viel schlimmer wahrgenommen wird als die Arbeitslosigkeit selbst. Und so plagen sich immer mehr Menschen mit der Herausforderung einer bloßen Vorstellung von dem Nichtstun. Heute hat jeder dritte Sorge um seinen Arbeitsplatz.

Hinzu kommt eine unzählige Zahl von Praktikanten und Mini-Jobern. Wer heute nicht genug verdient, der sieht sich gezwungen über Mini-Jobs das Gehalt aufzubessern. Meistens wird nur für ein halbes Jahr eingestellt, ohne Rechtsschutz versteht sich. Gefeuert wird, wenn Arbeit nicht ordnungsgemäß oder letztlich nicht schnell genug getan wird. Wer will sich das noch länger geben?

Auch ich merke langsam aber sicher, wie die Studiumswelt mich vereinnahmt, meine Lebenswelt in völlig beansprucht und meine Identität zu der eines Arbeiters der Nation geformt wird. Wozu Pause machen, wenn man auch Geld verdienen kann? Ist deine Produktivität dem Staat noch zuzumuten?

Wer nicht arbeitet und dafür sorgt, möglichst effektiv durch die Welt zu kommen, der hat in unserer Gesellschaft wenig Platz. Und so nährt sich auch die Angst alter Menschen vor dem prähumen Status der Einsamkeit und Verlassenheit. Wenn wir nicht mehr funktionieren, so haben wir keinen Platz mehr in einer Gesellschaft, die mehr denn je geprägt ist von einer sozialdarwinistischen Ethik. Und so lernen Manager heute nicht mehr nur, Zahlen zu optimieren, sondern auch das “Wargaming”. Es gibt tatsächlich Seminare und Fortbildungen, in denen ihnen psychologische Kriegsführung angeeignet wird. Ganz der Mann: Wir schalten den Gegner einfach aus. Besser sein war gestern. Alleine existieren ist heute!

Und so finden wir eine Ethik, die völlig ungöttlich hinwegschwemmt, was wir einmal schätzten: Familie als Sinngebung, die Ethik der Schwächeren, eine soziale Plattform des Staates, und die Sicht für dein Gegenüber. Abtreibung und Abschiebung im Alter scheinen nur Symptome einer Moral, die auf unsere Ellenbogen setzt. Doch die Symptome zu behandeln (das weiß jeder Arzt) bringt nur Linderung von Schmerzen. Die Wurzel des Problems liegt in unserem Herzen, der Ichbezogenheit und letztlich auch der Autoritätenlosigkeit. Eine sozialdarwinistische Gesellschaft ist das Symptom der Menschheit ohne Gott.

Alt und schwach sein, das sind negative Begriffe unserer Gesellschaft. Können wir es uns noch leisten, der Schwachheit, dem Alter, der Abgeschiedenheit, ein Leben ohne Produktivität noch als würdevoll zu beschreiben?

Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

Markus 10, 42 ff

Eine Ethik Gottes ist bestimmt von dem Heldentum seines Sohnes: Er gab sein Leben für uns. Das soll Leitlinie einer Gesellschaft sein. Und so erkennt man, wie weit wir verroht sind und abgekommen von göttlicher Gemeinschaft. So erfüllt sich die Bibel mit dem Wort: “Mein Reich ist nicht von dieser Welt.” Lass dich einladen in Gottes Gemeinschaft, wo weder Leistung noch Druck, sondern Anerkennung, Respekt und Liebe die Grundpfeiler eines Lebens sind, das lebenswert ist!

Die verunsicherten Alten – 1/3 – Deutschland unter Druck (Teil 3; 17.02.2011, NDR) – “Lebst du noch, oder stirbst du schon? Immer mehr Alte haben Angst davor, alt zu werden. Eine Untersuchung der Berliner Charité zeigt eine deutlich wachsende Anzahl von Suiziden bei Senioren: Rund 40 Prozent aller Selbsttötungen werden von Menschen begangen, die älter sind als 60 Jahre. Immer lauter wird auch der Ruf, passive oder gar aktive Sterbehilfe zu legalisieren. Eine große Furcht geht um: Wer körperlich und geistig nicht mehr mithalten kann, fällt anderen zur Last, muss gepflegt werden und verursacht Kosten. Alter macht abhängig und hilflos – und viele Alte trauen sich nicht mehr, so zu werden.” NDR