Der Rauswurf von Eva Herman

Der Rauswurf von Eva Herman bei „Kerner“ kennzeichnet den Tiefpunkt deutscher Redefreiheit.

Der
Schriftsteller Martin Walser nannte 1994 die freie Rede in Deutschland
angesichts des Tugendterrors der „politischen Korrektheit“ ein
halsbrecherisches Risiko. Anlass war die gescheiterte
Präsidentschaftskandidatur des sächsischen CDU-Politikers Steffen
Heitmann, von dem ein paar unverdächtige Äußerungen zum Frauenbild und
zum Dritten Reich solange uminterpretiert wurden, bis daraus „verbale
Brandsätze“ wurden. Das ZDF lieferte in der Talk-Sendung „Johannes B.
Kerner“ am 9. Oktober den Beweis, dass es um die freie Rede inzwischen
noch schlechter bestellt ist.

Kerner
hielt Tribunal über Herman und ihre angeblichen positiven Äußerungen zu
den Familienwerten im Nationalsozialismus. Tatsächlich entpuppte sich
die Medienfassung des Zitats nach Einspielung des Originals als falsch
und das Original schlimmstenfalls als unverständlich.

Herman geht, Komiker kommt
Doch
Kerner behandelte Herman wie bei der Inquisition. Immer wieder
insistierte er, ob sie ihren Fehler nicht endlich zugeben wollte. Nach
einer knappen Stunde hoffte er wohl, dass die Unschuldige weichgekocht
war, und wollte ihr nochmals ein Geständnis abpressen. Doch Herman
blieb standhaft und wandte sich zudem gegen den Unsinn, jeden Vergleich
mit dem Dritten Reich unter Strafe zu stellen. Das Vergleichen wollen
ihr ausgerechnet Gegner verbieten, die sie selbst permanent als „Eva
Braun“ verunglimpfen. Hermans Weigerung war zuviel für die Runde,
worauf der Moderator sie hinauswarf. Dass ein mittelmäßiger Komiker
noch im Herausgehen von Frau Herman deren Platz besetzte, kann als
Sinnbild genommen werden: Die Meinungsführer schütteln unbequeme
Existenzfragen ab und wenden sich lieber wieder der Spaßkultur zu.
Ein
Geschichtsprofessor hatte sich nicht entblödet, Herman mit Belehrungen
über das Dritte Reich zu konfrontieren, die jeder Sechstklässler kennt,
und bekanntzugeben, dass er die Frage „Hat Eva Herman recht?“ an seiner
Universität als Prüfungsfrage eingeführt habe. Der Moderator Kerner
schämte sich nicht, einen kritischen Satz aus Hermans Buch über
Individualismus mit einem Satz des NS-Ideologen Alfred Rosenberg in
Zusammenhang zu bringen, in dem auch dieser den hemmungslosen
Individualismus beklagt. Der Publizist Hendrik M. Broder merkte auf
„Spiegel online“ zu Recht an, dies sei ungefähr so, als wolle man
Nichtraucher und Vegetarier zu Verbündeten von Adolf Hitler machen.
Broder nannte die Sendung „die längste Antifa-Sitzung im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen“.

Paranoide Reaktion

Zuvor
hatte bereits ein Minister in Hessen die Schirmherrschaft für den
katholischen Kongress „Freude am Glauben“ niedergelegt, nur weil Eva
Herman dort als Rednerin auftrat. Wie ist es nur möglich, dass die
Eliten derart paranoid auf eine Frau reagieren, die lediglich
konservative Familienwerte einfordert und das Wohl von Kindern in den
Mittelpunkt stellt. Ist es das kollektive schlechte Gewissen über die
Kollateralschäden der Selbstverwirklichung der letzten 30 Jahre? Ist es
die Angst, sich auch nur einen Millimeter von der herrschenden Meinung
zu entfernen und selber zur Unperson zu werden? Politisch korrekte
Meinungsführer in Medien und Politik schließen auf beängstigende Weise
die Reihen. Deutschland rückt ein Stück näher an das heran, was Martin
Walser die „gestoppte Demokratie“ nannte. Eckhard Nickig idea.de

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