Intellektuellen-Streitgespräch: Ist Gott eine Wahnvorstellung?

 – "Das war nicht nur eine Debatte, das war ein Erlebnis", fasste
ein Kommentator das Streitgespräch zwischen den beiden Wissenschaftlern
zusammen. Der Religionskritiker und Autor des Buches "Der Gotteswahn",
Richard Dawkins, und der Mathematiker und Philosoph John Lennox waren
von der christlichen "Fixed Point Foundation" zu einem intellektuellen
Wettkampf eingeladen worden. Die beiden boxten mit Worten 90 Minuten
die Frage aus: Gibt es Gott oder ist er eine gefährliche
Wahnvorstellung?

"Auch
Atheismus ist ein Glaube", reizte der in zahlreichen theologischen
Debatten geschulte Lennox seinen Widersacher. "Nein, ist er nicht",
fuhr ihm der ansonsten höflich-zurückhaltende Dawkins dazwischen. Das
sollte dann auch der größte emotionale Ausbruch der beiden Gentlemen an
diesem Abend bleiben. Das Konzept der Veranstalter sah es vor, dass
beide Teilnehmer hintereinander eine festgelegte Redezeit nutzen
sollten. "God Delusion Debate", die "Gotteswahn-Debatte", nannte die
"Fixed Point Foundation" die Diskussion, zu der sie am 3. Oktober in
der Universität von Alabama in Birmingham eingeladen hatte. Dieser Name
bezieht sich auf das Buch des Evolutionsbiologen Dawkins, das vor
wenigen Wochen auch auf Deutsch erschienen ist und einen massiven
Angriff auf den christlichen Glauben und andere Religionen darstellt.

Wie
in einem Wettkampf wurden die beiden Gelehrten aus Oxford aufeinander
losgelassen. Streng an Zeiteinheiten gebunden, durften sie jeweils
nacheinander zu sechs Thesen des erklärten Atheisten Dawkins Stellung
beziehen. Die Debatte wurde live im Rundfunk übertragen, zwei
Kommentatoren verfolgten das Geschehen aus dem Off.

"Wir
brauchen keinen Gott, um moralisch zu sein", lautet eine These Dawkins.
Aber nicht nur das: die Welt wäre besser ohne Glaube. Religion sei eine
"gefährliche Waffe, weil sie für viele Gräueltaten als Rechtfertigung
herangezogen werden kann". Lennox konterte: Atheismus sei genauso eine
Ideologie wie jeder andere Glaube, und die Geschichte zeige, dass
Atheisten zu den größten Gräueltaten angetrieben wurden, etwa im
Kommunismus; dennoch erwarte er von Dawkins nicht, in jedem Moment ein
Verbrechen zu begehen, nur weil er Atheist sei, so Lennox. Ebenso wie
er differenzieren könne zwischen verschiedenen Arten von Atheismus,
erwarte er von seinem Kollegen, zwischen verschiedenen Arten von
Religionen zu unterscheiden. Er könne nur für den christlichen Glauben
sprechen, und die Botschaft Jesu sei definitiv eine friedliche.

"In einem reduktionistischen Weltbild gibt es kein Gut und Böse"

Auf
die These, dass man auch ohne einen Gott moralisch handeln könne, sagte
Lennox: "Wenn ein Stein von einem Felsen abspringt und auf den Kopf von
jemandem fällt, kann man den Stein nicht als böse bezeichnen. Er
existiert einfach." Nach dem reduktionistischen Weltbild von Dawkins
und Co, nach dem alles Handeln des Menschen auf die Prinzipien der
Materie reduzierbar ist, könnte man ebenso sagen: die Attentäter des
11. September waren nicht böse, sondern folgten nur den Regeln ihrer
DNA. "Wenn es kein Gut und Böse in der Welt gibt, was macht es dann für
einen Sinn, hier zu sitzen und über Gut und Böse zu sprechen, und sei
es, über das Böse, das Religionen anrichten, und das Gute, das der
Atheismus mit sich bringt?" Wenn es keinen Gott gebe, sei Moral
willkürlich.

Dawkins gab zu, dass fast jeder Mensch in der
Natur ein Gefühl erleben könne, bei dem er angesichts der Schönheit und
Perfektion ein übernatürliches Wesen anbeten wolle. "Auch ich fühle
das, Wissenschaftler fühlen das, wie etwa Carl Sagan oder Albert
Einstein", so Dawkins. Dennoch sei es falsch, dieses Gefühl in die
Anbetung eines Gottes oder gar einer Person umzuwandeln. "Der Glaube
ist blind, Wissenschaft jedoch ist beweisbar", schreibt Dawkins in
seinem Buch. Viele Fragen seien noch ungeklärt, etwa, wie die Welt
entstanden ist. "Aber wir arbeiten daran." Während Wissenschaft eine
aktive Suche nach Ursachen bedeute, hätten Gläubige auf offene Fragen
leider oft nur die Antwort: "Gott war es."

"Was uns eint, ist die Suche nach Wahrheit"

Der
überzeugte Christ Lennox antwortete: "Mancher Glaube ist blind, aber
nicht jeder." Wenn man an das fliegende Spaghetti-Monster glaube – ein
Bild, das Dawkins gerne heranzieht -, dann habe man keine Evidenz
dafür, dass es existiert. Wenn man hingegen an den Gott der Bibel
glaube, habe man sehr wohl Hinweise auf dessen Existenz, etwa "in der
Geschichte und in der Wissenschaft, und manche basieren auf
persönlichen Erfahrungen". Dabei gehe es nicht um Beweise wie in der
Wissenschaft, merkte Lennox an. "Wissenschaft kann dir zwar sagen, dass
meine Großmutter sterben wird, wenn ich ihr Gift in den Tee mische. Sie
kann aber nicht sagen, ob das moralisch gut wäre." Zu guter Letzt könne
die Wissenschaft auch auf die Fragen eines Kindes nicht beantworten:
Wer bin ich, und warum lebe ich?

Atheismus, wie von Dawkins in
seinem Buch beschrieben, behauptet, das Leben sei durch eine zufällig
Evolution entstanden, fasste Lennox zusammen. "Wenn dem aber so ist und
man nach dem reduktionistischen Weltbild jede geistige Tätigkeit auf
die physischen und chemischen Reaktionen der Neuronen reduziert, dann
erhebt sich folgende Frage: wenn alle meine wissenschaftlichen Theorien
lediglich auf den zufälligen Reaktionen der Atome in meinem Gehirn
basieren, warum sollte ich ihnen dann glauben?" Daher bedeute Atheismus
für Lennox nichts anderes, als den Ast abzusägen, auf dem man sitze.

Lennox
sagte, Dawkins Buch komme ihm vor wie ein "leidenschaftlicher
Kreuzzug", wie der Versuch, seine Mitmenschen vor einem Christentum zu
warnen, das die Menschen "knechtet, unterdrückt und quält". "Ich
empfinde viele Sympathien für Sie, denn auch ich bin gegen jede
Religion, die den Menschen ihre Standpunkte aufzwängen will. Mann kann
die Wahrheit nicht mit Gewalt durchsetzen", sagte Lennox. Auch er
selbst verfolge, wie Dawkins, leidenschaftlich die Suche nach der
Wahrheit. Was die Grundüberzeugungen angehe, unterscheide er sich
jedoch vollkommen von Dawkins: "Gott ist keine Wahnvorstellung. Gott
ist real, und er hat sich in der Schöpfung, in der Bibel und in seinem
Sohn Jesus Christen geoffenbart."

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