Der “Spiegel” liefert zum Spekulatius wilde Spekulationen und Antisemitismus.

Alle Jahre wieder kommt der Spiegel mit einer reißerischen Titelstory daher, die den Glauben an die Bibel in seinen Grundfesten erschüttern soll. Thema diesmal: „Die Geburt Gottes. Archäologen entdecken den Ursprung der Bibel.“
Nach der Lektüre heute Abend bin ich fast schon ein bisschen enttäuscht über die schlechten Argumente. Jahweh soll ein Vulkangötze gewesen sein, denn in Exodus 19 steht „Der Rauch stieg vom Berg auf wie Rauch aus einem Schmelzofen. Der ganze Berg bebte gewaltig.“ Und weil auch Margot Käßmann diese Kratertheorie unterstütz, findet auch der Spiegel sie ganz plausibel.
Es geht dann weiter mit einem Rundumschlag gegen die Glaubwürdigkeit des Alten Testaments: Abrahams Kamele seien ein Anachronismus, die Goliat-Geschichte hätte ihren letzten Schliff um Christi Geburt bekommen. Dass es viele Archäologen und Alttestamentler gibt, die das anders sehen, erwähnt der Autor freilich nicht.
Widerlich wird es, als er von „Josuas Blitzkrieg“ redet. Ein deutscher Autor verwendet hier einen Begriff aus dem Wortschatz der Nationalsozialisten, um jüdische Geschichte zu beurteilen. Er relativiert damit nicht nur Vernichtungskrieg und Holocaust, sondern versucht indirekt eine Rechnung zu begleichen. Der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte stellt er eine vermeintliche ebenso große Schuld auf jüdischer Seite gegenüber.
Forscher, die anderer Meinung sind, sogenannte „Maximalisten“, werden von ihm als „Vertreter der alten Schule“ bezeichnet, die in den USA noch „vereinzelt anzutreffen“ seien. „Mehr noch in Israel. Dort arbeiten Maximalisten oft eng mit der Siedlerbewegung zusammen.“ Weil die Wissenschaftler also aus den USA und Israel stammen (anscheinend „die Bösen“ im Weltbild des Autors), soll das nicht glaubwürdig sein. Fakt ist aber: Die meisten Maximalisten kommen aus Großbritannien.
Die Berichte über die Urväter Israels seien Wunschdenken, die Philister seien nämlich viel stärker gewesen als die Bibel es behauptet. „Der Feind stahl sogar die Bundeslade“. Dem Spiegel-Autor scheint nicht bekannt zu sein, dass die Bibel dieses Ereignis nicht verschweigt und sowohl in 1. Samuel als auch in 1. Chronik erwähnt. Überhaupt erwähnen die Heiligen Schriften der Juden schonungslos und offen die Niederlagen und Sünden des eigen Volkes, das unterscheidet die Bibel von der Geschichtsschreibung der meisten anderen Kulturen.
Der Spiegel aber lässt an König David kein einziges gutes Haar und greift in die unterste Schublade. Er sei ein „Räuber Hotzenplotz“ gewesen. Es gibt zwar eine Stele, die ein „Haus Davids“ erwähnt, doch der Spiegel sieht ihn trotzdem nicht als Kronenträger, sondern als „Strauchdieb“. Man fragt sich, warum dann eine Stele seinen Namen trägt. Danach wird der Alttestamentler Ernst Axel Knauf zitiert, der ihn einen „Banditen und Serienmörder“ nennt, „dem es auf eine Leiche mehr oder weniger nicht ankam.“ Hier wird sich über den Inhalt der Psalmen und den biblischen Berichten über Davids Milde und seine Liebe für die Schwachen und Benachteiligten hinweggesetzt. Die schriftlichen Quellen werden also einfach übergangen. Für die Minimalisten zählen nur archäologische Funde, die Bibel lesen sie mit einer Hermeneutik des Verdachts: Sie ist ein religiöses Buch, also stellt man die Berichte grundsätzlich erst einmal in Frage. Diese versuchte Dekonstruktion von König David wirkt maßlos übertrieben und tendenziös.
Der Spiegel will zu Weihnachten den deutschen Lesern die Geburt Gottes erklären und liefert zum Spekulatius wilde Spekulationen und Antisemitismus. Conrad

Kommentare

  1. detlev

    Glaubt man dem SPIEGEL war ein Quantensprung der menschlichen Erkenntnis JHWH= „Ich bin, der ich bin.“ nichts anderes als der Beweis dafür, dass am Anfang das Feuer war. Dass die Geschichte von David und Goliath – wie behauptet-  alleine schon deshalb unglaubwürdig ist, weil die Nachbarn Kampfwagen und ein Monopol auf Metall hatten, ist schlichtweg absurd. Und dass Saul höchstwahrscheinlich gar nicht gelebt habe, weil bislang kein Stein gefunden wurde, der sein „Mythenreich“ belegt, aber einige Absätze später vom Autor eben dieser Saul als Gründer eines Zwergstaates aus dem Steckbrief des Archäologen Finkelstein zitiert wird, ist eine gedankliche Volte, die zeigt, auf welch tönernen Füssen die argumentation dieses Artikel steht. Dass der Tempel Salomons aus einer einfachen Tenne hervorging, kann man in jedem Bibellexikon nachlesen. Genauso wie die Erkenntnis, dass das Jerusalem des Alten Testaments eine recht erbärmliche Ansiedlung war. Was allerdings Gott in seiner Neufirmierung durch den Autor als „Vulkan“ mit dem Söldner David, der ja für diesen Gott kämpfte zu tun hat, ist mir trotz mehrmaligem Lesens nicht schlüssig geworden. Das wild wuchernde Meinungsgewebe dieses Artikels und dessen Verdrehungen und oftmals als Fakt ausgegebenen Behauptungen, z.B. dass Abraham nicht auf einem Kamel reiten konnte, da es damals noch nicht domestiziert war, was schlichtwegs falsch ist, diese altbekannten Interpretationen als neue Analyse der Bibel zu titulieren, hat schon etwas Biblisches an sich: Geschichten, Fakten und Meinungen so zu vermengen, dass am Ende immer noch keiner weiss, was am Anfang war.

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