„Die Menschen sind ausgelaugt und wütend, geldgierig und der Zukunft gegenüber bestenfalls gleichgültig“

„Der amerikanische Kultautor Douglas Coupland beschreibt in seinem Roman „Girlfriend in an coma“ die ungeheuren Veränderungen, die unsere Gesellschaft seit den 90er Jahren erfährt. 1979 fällt die 16-Jährige Karen in ein Koma, aus dem sie erst 1996 wieder erwacht. Mit den Augen eines Teenagers der 70er Jahre betrachtet sie nun das rastlose Leben der 90er: Computer, Handys, Faxgeräte. Die Geräte sind schnell, die Arbeit effektiv, die Menschen hektisch, die Beziehungen oberflächlich. Karen ist schockiert über die Welt, die sie vorfindet. Sie hat sich gewandelt zu einer Welt der rastlosen Beschleunigung, des Spaß ohne Sinn, der Hektik ohne Ziel, während die Menschen die gleichen geblieben sind. Sie fragt: „But what about you — are you new and improved and faster and better, too? I mean as a result of your fax machine?” Das ganze Leben dreht sich nur noch um arbeiten, abzocken, Karriere machen, gefeuert werden, online gehen, Computer bedienen, Aufträge ergattern, Profit machen. „Die Menschen sind ausgelaugt und wütend, geldgierig und der Zukunft gegenüber bestenfalls gleichgültig“.

Totale Enfremdung vom Leben:

Wir meinen mit „Entfremdung“, dass die Beziehung des Menschen zu sich selbst, zu seinem Mitmenschen und schließlich auch zur Welt schwer geschädigt wird, weil er rastlos Dingen, Erlebnissen, Konsumgütern hinterher jagt und sich dabei selbst verliert. Er fühlt sich fremd gegenüber seinem eigenen Leben. Er lebt nicht mehr wirklich, er wird gelebt von tausend Zwängen, die seine Seele manipuliert haben. Er wird dirigiert und gehetzt von Umständen, von anderen Menschen, Terminen, Reizen, Verpflichtungen, Angeboten. Sein Herz kann nicht mehr frei wählen. Es ist fremdbestimmt, programmiert von Werbung und Medien. Er denkt, er sei ein Original, in Wirklichkeit ist er eine Kopie. Er denkt, er habe sich frei entschieden, in Wahrheit folgt er nur dem Mainstream wie alle in seiner Clique, in seiner Firma, in seiner Seminargruppe, in seiner Klasse, in seinem Sportverein, in seinem Club. Er hält sich für einen originellen Individualisten, der einsam seinen eigenen Weg geht, in Wirklichkeit folgt er einer gelenkten Masse. Er glaubt, dass er autonom sein Leben steuere, aber in Wahrheit ist er dirigiert von fragwürdigen Bedürfnissen, die von außen in ihn eingepflanzt wurden. Niemals fragt er sich, wer er wirklich ist, denn er bezieht seine Identität durch das, was er hat, was er kauft, welche Marken er trägt, was für Musik er hört, was für Freunde er hat, welche Abschlüsse er macht, welche Aufträge er an Land zieht. Er kommt nicht auf die Idee, nach seinem wahren Ich zu fragen: Wer bin ich ohne Konto, ohne Kreditkarte, ohne Führerschein, ohne Doktortitel, ohne Clique, ohne Auto, ohne Selbstinszenierung bei Facebook? Wer bin ich eigentlich und was bleibt von mir, wenn ich diese tausend Dinge, mit denen ich mich umgebe und über die ich mich definiere, nicht mehr habe? Diese Frage könnte ihn erlösen und zu sich zurückbringen. Aber genau diese Frage meidet er wie der Teufel das Weihwasser. Sie würde seine Entfremdung von sich selbst offenbaren. Sie würde die Leere und Sinnlosigkeit seines Lebens enthüllen. Nur manchmal, wenn die Musik aus ist, wenn die Lampen verlöschen, wenn der Konsumtempel schließt, wenn die Gesichter abgeschminkt und die Instrumente weggepackt werden, befällt ihn eine leise Ahnung, dass er eine fremde Rolle spielt und dass er in diesem Leben, welches er führt, nicht wirklich zu Hause ist. Der Dichter Friedrich Schiller beschrieb das Phänomen Entfremdung mit den Worten „Unsicherheit, Zerrissenheit, Entzweiung“.
Manchmal ist es erst die Perspektive des nahenden Todes, die einen Menschen auf sich selbst wirft, die ihm den Mut gibt, Fremdbestimmung abzuwerfen, die ihm die Augen öffnet für den, der man in Wahrheit ist. In dem Film „Das beste kommt zum Schluss“ bringt eine unheilbare Krebserkrankung zwei Männer (gespielt von Jack Nicholson und Morgan Freeman) dazu, zu sich selbst zu finden. Sie erstellen eine „Löffelliste“, Dinge, die sie noch tun wollen, bevor sie den Löffel abgeben: Fallschirm springen, das schönste Mädchen der Welt küssen, einen fremden Menschen etwas Gutes tun, zu lachen, bis einen die Tränen kommen. Und im Angesicht des Todes werden alte Familienbeziehungen geheilt und Menschen versöhnen sich. Einer entdeckt neu die innige Liebe zu seiner Frau. Den anderen nimmt die Tochter nach Jahren der Entzweiung liebevoll auf. Er lernt seine kleine Enkeltochter kennen. Ihr Kuss wird zum Kuss des schönsten Mädchens der Welt – der letzte Punkt der Löffelliste. Am Ende haben beide gefunden, was im Leben das Wichtigste ist: die Liebe.“ Alexander Garth.
Allein die Erlösung/Versöhnung mit Gott ist die Überwindung der Entfremdung. Für mich war das ein Neuanfang.

Kommentare

  1. Holzhaus

    Wir stellen nun ein interessantes Paradox fest: Obwohl der moderne Mensch sich erhaben fühlt über angebliche Mythen in der Bibel, stellen wir, besonders in der Folge der 68er-Bewegung, bei den grossen Massen einen förmlichen Run auf Mythologie, Science-Fiction, UFOGlaube, Fantasy und Horror fest. Dies gilt für alle möglichen Bereiche wie Film, Literatur, Musik, Computerspiele und sogar Kinderspielzeuge etc. Mythologische Filme wie zum Beispiel Star Wars, E. T., Die unendliche Geschichte, Herr der Ringe und Harry Potter brachten Abermillionen an Gewinn ein. Das hängt natürlich zusammen mit der nicht enden wollenden esoterischen Welle. Esoterik ist ein Milliardenmarkt. Einerseits gibt es eine weitverbreitete Ablehnung der Bibel («Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre [der Bibel] nicht ertragen … und sie werden die Ohren von der Wahrheit [der Bibel] abkehren») und andererseits eine Offenheit für allen möglichen irrationalen, religiös angehauchten Unsinn, der irgendwie in den Ohren kitzelt (vgl. «… und [werden] zu den Mythen sich hinwenden»). Es geht hier ganz nach dem Wort Napoleons: «Die Menschen glauben alles, es darf nur nicht in der Bibel stehen.»

    Dr. Roger Liebi

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