Popmusik im Jahr 2011 ist bekanntlich nicht mehr das, was sie noch im Jahr 2010 war. Alles noch weniger wert. Alles noch weniger Botschaft. Alles noch weniger relevant. Und kaufen tut das Zeug auch keiner mehr.
So weit, so Nörgelei. Man muss nämlich schon genauer hinhören, um herauszufinden, dass Popmusik auch im Jahr 2011 mehr über uns verrät, als die Früher-war-alles-besser-Fraktion ihr zugesteht. C. Nathan DeWall, Psychologe an der Universität von Kentucky, hat sehr genau hingehört. Er hat gemeinsam mit Kollegen seiner Zunft alle im „Billboard-Magazine“ erhobenen Top-10-Hits der USA der Jahre 1980 bis 2007 analysiert.
Höchststrafe für die Ohren
Das klingt nach Höchststrafe, allein wenn man bedenkt, wie viel Britney Spears da dabei gewesen sein muss. Aber Professor DeWall verfolgte mit seinen Studien höhere Ziele, die er vor ein paar Wochen in seinem Aufsatz mit dem sperrigen Titel „Tuning in to psychological change: Linguistic markers of psychological traits and emotions over time in popular U.S. song lyrics“ erklären konnte, der sich in diversen Medienberichten niederschlug. Er wollte herausfinden, ob sich die Botschaften in populären Popsongs über die vergangenen Jahre verändert haben – und ob sich daraus eine gesellschaftliche Tendenz ableiten lässt. Und DeWall wurde auch fündig: Die Texte von Popsongs, so seine Erkenntnis, werden nämlich von Jahr zu Jahr asozialer. Vom Wir zum Ich. Vom Unser zum Mein.
Es ist also kein recht schönes Menschenbild, das die zeitgenössische Popmusik zeichnet, doch DeWall hält es für sehr repräsentativ und kommt zum Schluss, dass sich der Egoist endgültig als mehrheitsfähiges Ideal durchgesetzt hat.
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