Roky Erickson, Pionier der psychedelischen Rockmusik und trauriges Drogenopfer ist im Alter von 71 Jahren verstorben.

Ein Fan schrieb:

“Schnief. Schon wieder eine Kultfigur weniger. Darauf erst einmal The Evil One hören und kräftig einen durchziehen. Bye bye Roky, wir sehen uns alle in der Hölle wieder.”

“Ericksons wilder Schrei am Ende des Songs soll Janis Joplin zu ihren expressiveren Bühnenshows inspiriert haben. Die damals noch unbekannte Sängerin sah die Band live, als sie Mitte der Sechziger kurzzeitig in ihre Heimat Texas zurückkehrte.

Wäre Erickson damals Joplin und vielen anderen Untergrundmusikern in die liberale Hippie-Metropole San Francisco gefolgt, seine Geschichte wäre vielleicht anders verlaufen. Doch Erickson blieb in Texas und fügte sich dem strengen Diktat von Bandchef Hall, jeden Auftritt unter massivem Einfluss von LSD oder anderen bewusstseinserweiternden Drogen zu absolvieren. Schon Ende der Sechziger war Erickson psychisch angeschlagen. Bei Konzerten fing er an, wirres Zeug vor sich hin zu brabbeln.

Ärzte diagnostizierten bei dem Musiker paranoide Schizophrenie und verordneten ihm einen Aufenthalt in der geschlossenen Psychiatrie, wo er unter Medikamente wie Thorazin gesetzt und, wie damals üblich, mit Elektroschocks behandelt wurde. Nach zahlreichen Ausbruchsversuchen, teilweise mit Tommy Halls Hilfe, wurde er wegen des Besitzes eines einzelnen Marihuana-Joints verhaftet. Um nicht ins Gefängnis zu müssen, ließ er sich unzurechnungsfähig erklären und ging erneut ins Sanatorium. Es war das Ende der 13th Floor Elevators und beinahe auch das Ende von Ericksons Karriere.

Denn auch wenn er die Jahre im Rusk Hospital in Houston später als seine produktivsten bezeichnete, geistig verfing er sich mehr in Wahnvorstellungen. 1974, aus dem Krankenhaus entlassen, gründete er für die Texte und Songs, die er zwischenzeitlich geschrieben hatte, eine neue Band, inspiriert von Pulp-Comics- und Horrorfilmen, die er liebte. Bleib alien hieß sie, zusammengesetzt aus der deutschen Phrase “bleib allein” und dem englischen Wort für fremd oder eben außeriridisch: Alien. Der Sound war jetzt härter als bei den Elevators, eine Abwandlung des Hardrocks und Heavy Metals der Ära. 1979 änderte er den Bandnamen in Roky Erickson and the Aliens. “Night Of The Vampire”, “Creature With The Atom Brain” oder “Two Headed Dog” heißen Songs aus dieser Zeit, die auf dem Album “The Evil One” (1981) gesammelt wurden.

Mental ging es ihm jedoch nicht besser. Schon Mitte der Siebziger hatte er notariell festlegen lassen, dass er nicht der menschlichen Rasse angehörte, sondern ein Außerirdischer war. Noch Anfang der Achtzigerjahre behauptete er, ein Marsianer hätte Besitz von seinem Körper ergriffen, daher hätten es die Menschen auf ihn abgesehen, würden versuchen, ihn mit Elektroschocks zu attackieren und zu foltern.

Etwa zur selben Zeit entwickelte er ein obszessives Verhältnis zu Wurfsendungen und Werbebriefen, die er hortete oder zum Teil beantwortete. 1989 wurde er wegen Postdiebstahls sogar kurzzeitig verhaftet. Musikalisch wurde es in den Achtzigern und Neunzigern ruhiger um Erickson. Ähnlich wie seine prominenteren, zum Teil früh verstorbenen Kollegen Syd Barrett, Keith Moon und Brian Wilson galt er als in Kennerkreisen verehrtes Enigma, aber auch als mahnendes Beispiel für den oft traumatisierenden Zusammenhang zwischen Rock’n’Roll, exzessivem Drogenkonsum, psychischer Krankheit und fehlgeleiteter institutioneller Behandlung.

Unter der Vormundschaft seines jüngeren Bruders Sumner ging es ab 2001 endlich aufwärts mit Ericksons Gesundheit. Er ließ sich die hochgradig entzündeten und verfaulten Zähne richten, begann eine neue Therapie gegen seine Schizophrenie und begann wieder aufzutreten. 2005 erschien der Dokumentarfilm “You’re Gonna Miss Me” von Regisseur Keven McAlester, noch im selben Jahr absolvierte Erickson sein erstes Konzert seit 20 Jahren. 2010 nahm er, zusammen mit der Alternative-Folkband Okkervil River, das von der Kritik gefeierte Album “True Love Cast Out All Evil” auf, im Mai 2015 trat er erstmals wieder mit den Originalmitgliedern der 13th Floor Elevators auf. Das “Austin Psych Fest” wurde für diesen Anlass, analog zu einem der bekannteren Songs der Band, in “Levitation” umbenannt. (Spiegel.de)

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